Abteilungsleiter Tom David Bosien (mittlere Reihe rechts) und Trainer Sascha Hiller (hinten links) mit ihren Schützlingen der SportKultur Stuttgart. Foto: Felix Heck - Felix Heck

Die Tischtennisabteilung der SportKultur Stuttgart überzeugt mit solider Jugendarbeit – Zwei junge Visionäre machen es möglich.

Wangen Wer sich an einem Dienstagabend in die Turnhalle der SportKultur Stuttgart traut, dem fliegen sogleich eine beträchtliche Anzahl kleiner weißer Tischtennisbälle in erbarmungslosen Geschwindigkeiten um die Ohren. Das rhythmische Klackern der federleichten Spielgeräte dominiert die Geräuschkulisse schon lange bevor man die Halle im ersten Stock des Vereinsheims betritt. Nur selten wird es durch die immer wieder eingebrachten Ratschläge eines hochgewachsenen Mannes im Trainingsanzug unterbrochen, der mit wachsamen Augen aus der Hallenmitte heraus den Trainingstrubel um sich herum verfolgt. Hier ein Ratschlag, dort ein Tipp oder ein motivierender Halbsatz – Sascha Hiller ist sichtlich in seinem Element, wenn er dienstagabends die Jugend-Leistungsgruppe zum Training in die vereinseigene Halle bittet.

Die zehn Jungen, die heute für knapp zwei Stunden tapfer den kleinen Bällen nachjagen, sind Hillers Spitzenteam, sie möchte er gerne eines Tages auf Top-Niveau erleben. Doch der 26-jährige hauptamtliche Honorartrainer begrüßt unter der Woche noch deutlich mehr Novizen an den Platten der SportKultur – so viele wie selten zuvor in der Geschichte seiner Abteilung. Seitdem die Jugendarbeit der Abteilung einem neuen Konzept folgt, hat sich Vieles verändert an der heimischen Kesselstraße: Aus einst zwei gemeldeten Jugendteams wurden die heutigen acht, die mickrige Rumpftruppe der Vorjahre wurde aufgestockt und fasst mittlerweile 45 junge Tischtennisbegeisterte. Während des gemeinschaftlichen Trainings dreimal die Woche platzt die beschauliche Vereinshalle aus allen Nähten, überall wuselt es von engagierten Tischtennisassen.

Strukturelle Veränderungen

Nicht ganz unbeteiligt an dieser erfreulichen Entwicklung sind zwei junge Köpfe, die bei all den Jungspunden im Training erst auf den zweiten Blick auffallen: Sascha Hiller und Tom David Bosien stehen mit an der Spitze des abteilungsinternen „Wegs der Verjüngung“. Die Geschichte, die die beiden zu den beeindruckenden Zahlen zu erzählen wissen, mag sich für manchen Ehrenamtserprobten wie ein Märchen anhören – doch die übervolle Turnhalle spricht Bände: Mit viel Einsatz und Courage ist den beiden etwas gelungen, was andere ein halbes Leben lang beschäftigen dürfte.

Den Anfang des Booms bei der SportKultur setzte Sascha Hiller vor gut zehn Jahren mit dem Erwerb seiner C-Trainerlizenz. „Ich hatte immer schon eine unglaubliche Freude daran, Wissen weiterzugeben. Das war und ist meine Motivation als Jugendtrainer“, beschreibt Hiller seine persönliche Initialzündung, die bald schon zu ersten zaghaften Vorstößen führen sollte. Die zahlreichen Strukturprobleme seien ihm auf den Geist gegangen, so berichtet der leitende Jugendtrainer heute aus seiner Anfangszeit. Hiller hielt mit seinen Vorstellungen nicht lange hinter dem Berg, doch stürmische Begeisterung aus dem Verein war zunächst rar, auch er selbst habe sich nicht wirklich zum systemischen Wechsel aufraffen können. „Ich war leider einfach zu faul. Die Vision in meinem Kopf, das alles hier etwas umzukrempeln, war relativ früh da. Nur bei der Umsetzung haperte es“, kommentiert er die stockenden Anfangsjahre grinsend.

Bald schon trainierte Hiller seine ersten eigenen Schützlinge, unter ihnen auch Tom David Bosien, der heute zweite Mann im Bunde. Der 18-jährige Gymnasiast bereitet sich aktuell auf sein Abitur vor – doch damit noch nicht genug: Seit diesem Frühjahr darf sich der leidenschaftliche Sportler auch noch stolz Abteilungsleiter Tischtennis bei der SportKultur nennen, womit er landesweit einer der Jüngsten seiner Zunft sein dürfte. „Ich habe vor zehn Jahren bei Sascha im Training begonnen und in unseren Unterhaltungen haben wir gemerkt, dass wir ähnliche Dinge am Verein verändern wollten. Unter diesem Aspekt, und weil der alte Abteilungsleiter aufhören wollte, fand ich den Posten sehr reizend“, rekapituliert der frisch gewählte Abteilungsleiter seine Entscheidung.

Herrenmannschaft zurückgestuft

Inzwischen ist er ganz in der neuen Rolle angekommen, berichtet packend von den Entwicklungen der vergangenen Jahre und skizziert mutige Pläne für die Zukunft: „Es ist wichtig, die Jugendlichen, die wir jetzt hier haben, gut einzubinden und jedem Einzelnen eine Perspektive im Verein zu bieten.“ Eine solche Perspektive habe man durch die freiwillige Herabstufung der Herrenmannschaft in die Bezirksliga bezwecken wollen. „So können wir dort unsere Jugendlichen langfristig besser einbinden“, rechtfertigt der junge Abteilungsleiter den mutigen Schritt. Im Verein fühlt sich Bosien bestens aufgehoben, Vorbehalte gegen das junge Duo habe es keine gegeben. Stattdessen genießt er die neuen Herausforderungen und erfreut sich an der nach eigenen Angaben sehr vertrauensvollen Zusammenarbeit im neuen Abteilungsausschuss, den er als einer seiner ersten Amtshandlungen formierte. Für ihn sei vor allem eines wichtig: „Ich möchte, dass jedes Kind hier die Halle mit einem Grinsen verlässt. Es soll den Kindern Spaß machen.“ Auch Visionär Hiller treibt Ähnliches an. Über 600 Kinder hat der Trainer in den vergangenen Jahren im Rahmen von Schulkooperationen sichten können. Etwas mehr als 40 zählt er nun zum fest trainierenden Kreis der Jugend. Nicht mehr als eine Handvoll davon haben als Teil der Leistungsgruppe hehre sportliche Ambitionen und trainieren fast jeden Tag. Ob der große Wurf gelingt und das mühsam aufgebaute Kernteam zum Erfolgsgaranten wird, werden die kommenden Spielzeiten zeigen. Schon jetzt steht fest: Die Kleinen sorgen für Freudestrahlen in der Abteilung und können auch im Ernstfall überzeugen. Dabei scheinen sie nur der Eisberg einer Entwicklung zu sein, die überraschend deutlich gegen den Trend geht: Während in ganz Deutschland die Zahl der Tischtennisspieler langsam abflaut, steigt sie bei der SportKultur kontinuierlich an. Auch in Zukunft wird dienstagabends daher so mancher Tischtennisball den Luftraum der Vereinsturnhalle unsicher machen.