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Die Schwestern Daniela Klingler und Isabell Lorandt trainieren seit langem die Kunstradsportler – Daumen drücken für WM-Teilnehmerin Schwarzhaupt.

WangenDie Heimstätte ist die altehrwürdige Sporthalle der Wilhelmschule. Dort werden DM- und EM-Medaillengewinnerinnen und WM-Teilnehmerinnen geformt. So tritt an diesem Wochenende Iris Schwarzhaupt bei den Weltmeisterschaften im belgischen Lüttich an und hofft auf eine Medaille. Verantwortlich für die Erfolge der Kunstradsportler der SportKultur Stuttgart zeichnen die Schwestern Daniela Klingler (44 Jahre) und Isabell Lorandt (39). Sie sind seit vielen Jahren als Trainerinnen tätig – und das ehrenamtlich.

Frau Klingler, Frau Lorandt, wann sind Sie das letzte Mal auf dem Rad gesessen und haben Kunststücke vollführt?
Daniela Klingler: Ich habe mit 15 Jahren aufgehört und dann meine Schwester trainiert. Gelegentlich steige ich noch aufs Rad, aber ganz vorsichtig. Man überlegt sich zweimal, bevor man ein Kunststück wagt. Schließlich haben sich die Schwerpunkte über die Jahre hinweg verschoben und man kann es sich – im Hinblick auf Beruf und Familie – einfach nicht leisten, verletzungsbedingt auszufallen.

Isabell Lorandt: Ich bin vom Kunstrad aufs Einrad umgestiegen. 2008 habe ich aber dann aufgehört. Ich drehe auch noch Runden, mache dann aber nur ungefährliche Anfängerübungen vor.

Wenn Sie betrachten, was Ihre Aushängeschilder Iris Schwarzhaupt, Mattea Eckstein und das Zweierpaar Helen Vordermeier und Selina Marquardt so auf dem Rad für Kunststücke vollführen, lässt das vor Respekt das Herz schneller schlagen?
Klingler: Je länger man nicht auf dem Rad sitzt, umso mehr wächst der Respekt vor den Übungen beziehungsweise den Athletinnen.

Lorandt: Teilweise kann man es sich gar nicht mehr vorstellen, dass man sich auch an ähnliche Dinge rangewagt hat.

Viele Athletinnen hier in der Halle sind nicht nur nationale Spitze, sondern zählen zur Weltelite. Dafür ist viel Training, aber auch eine fachmännische Anleitung nötig. Auf diesem Niveau wird ansonsten mit hauptamtlichen Trainern gearbeitet, beim Kunstradsport läuft diese hochwertige Arbeit meist ehrenamtlich ab.
Klingler: Ja, Kunstradfahren ist eine Randsportart, findet in den Medien, speziell im Fernsehen, leider so gut wie keine Beachtung. Deshalb sind die Vereine auf den persönlichen, ehrenamtlichen Einsatz von den Trainern angewiesen. Man muss ein Idealist und von der Sportart begeistert sein, sonst steht man nicht wie wir beide je dreimal pro Woche für ungefähr zehn Stunden in der Halle und begleitet die Athletinnen auch teilweise am Wochenende noch zu den Wettkämpfen.

Lorandt: Das Know-How haben wir uns über die Jahre angeeignet, besuchen natürlich auch Trainer-Fortbildungen. Man muss von der Sportart infiziert sein, sonst investiert man nicht so viel Energie.

Auch wenn Sie mit Leidenschaft bei der Sache sind. Überkommt Sie dennoch manchmal der Frust, wenn man mitbekommt, welche Aufwandsentschädigungen in anderen Sportarten für deutlich weniger Arbeit und geringere Leistungen bezahlt werden?
Klingler: Ich habe mal den Aufwand mit der ehrenamtlichen Pauschale, die wir erhalten, verglichen und bin auf etwa fünf Euro pro Stunde gekommen. Das ist schon ernüchternd, wenn man bedenkt, was teilweise Übungsleiter für Fitness- oder Gesundheitskurse bekommen oder auch verlangen. Eine Geschäftsstellen-Mitarbeiterin der SportKultur hat mir gesagt, dass man in diesem Bereich um die 20 Euro pro Stunde bezahlen muss, um überhaupt jemanden zu bekommen.

Lorandt: Immerhin wurde nun die Fahrtgeld-Pauschale vom Verein erhöht. Und bei Wettkämpfen bekommen wir pro Übernachtung bis zu 65 Euro zurückerstattet.

Worin liegt dennoch Ihre Motivation, so viel Freizeit in der Halle zu verbringen?
Klingler: Kunstradfahren ist der genialste Sport überhaupt und fasziniert mich einfach. Es sind viele Komponenten – wie Gleichgewichtssinn, Kraft, Ästhetik und Ausdauer – ,die den Sport so faszinierend machen. Außerdem ist es einfach toll zu sehen, wie sich die Mädels über die Jahre schrittweise entwickeln und dazulernen.

Lorandt: Beispielsweise Iris Schwarzhaupt. Mit sieben Jahren tauchte sie erstmals in der Halle auf und seit dem Trainieren wir sie. Am Wochenende startet sie bei den Weltmeisterschaften der Elite. Das macht uns natürlich auch ein bisschen stolz. Klingler: Zudem sind wir wie eine Familie. Die Atmosphäre ist toll und motiviert zusätzlich, um immer wieder in die Halle zu gehen und den hohen Aufwand auf sich zu nehmen.

Iris Schwarzhaupt hat in diesem Jahr einen neuen Weltrekord aufgestellt. Am Wochenende stehen – wie gesagt – die Weltmeisterschaften in Lüttich an. Was traut Ihr Eurem Schützling zu?
Klingler: Alles ist möglich. Wenn es Iris schafft, sich in die richtige mentale Haltung zu bringen, dann hat sie große Chancen auf eine Medaille.

Lorandt: Ich traue ihr zu, dass sie sich den Titel holt; wenn sie mit der richtigen inneren Haltung und Nervenstärke an den Start geht, die sie bei den German Masters, also den Qualifikationsmeisterschaften, gezeigt hat.

Nach der Einführung des G 8 beklagen verschiedene Vereine, die Kinder- und Jugendlichen würden ob der gewachsenen Anforderungen keine Zeit mehr für ihren Sport haben.
K lingler: Das G 8 ist bei uns kein großes Hindernis, wobei es sehr viel Disziplin erfordert, Schule und Sport unter einen Hut zu bekommen. Die Mädchen trainieren dennoch drei bis vier Mal die Woche. Von anderen Vereinen haben wir gehört, dass eher die Ganztagsschule ein Problem darstellt. Aber da die Wangener Wilhemschule noch kein verpflichtendes Ganztagesangebot hat, beeinträchtigt uns das bislang noch nicht.

Wie schafft Ihr es, immer wieder neue Kinder fürs Kunstradfahren zu gewinnen?
Lorandt: Wir kooperieren mit der Schule, präsentieren Kunstradfahren im Rahmen der Sportwoche. Darüber hinaus werden wir weiterempfohlen beziehungsweise bringen die Mädels ihre Freundinnen mit.

Sollten Sie beide einmal keine Lust mehr haben, was passiert dann mit der Abteilung?
Klingler und Lorandt: Wir können uns erst verabschieden, wenn wir eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger gefunden haben, damit der Fortbestand des Kunstradsports bei der SportKultur gewährleistet ist.

Die Fragen stellte Torsten Streib.