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Der VfB Stuttgart steckt seit einer Woche in der Vorbereitung auf die 2. Bundesliga und lernt seinen neuen Trainer langsam kennen. Für die Spieler ist Tim Walter ein Stressfaktor.

Kitzbühel (dpa/lsw)Plötzlich liegt Tim Walter am Boden und kugelt sich vor Lachen. Schallend laut ist der neue Trainer des VfB Stuttgart in Kitzbühel zu hören, auch der völlig fertige Mario Gomez kann sich ein Grinsen nicht verkneifen - obwohl er es ist, über den Walter lacht. Der ehemalige Nationalspieler war zuvor wie ein Betrunkener über den Platz getorkelt, weil er vor seinem Elfmeterversuch erst zehn mal mit der Hand auf dem Ball im Kreis laufen musste. Das war die Strafe fürs Verliererteam an diesem Tag im Trainingslager. Denn egal welche Übung die Spieler machen müssen in der Vorbereitung auf die 2. Fußball-Bundesliga: Es gibt immer einen Verlierer - und immer Gewinner.

«Es ist ganz, ganz wichtig, diese Mentalität reinzubringen, dass wir gewinnen wollen. In jedem Training, in jedem Testspiel», sagt Sportvorstand Thomas Hitzlsperger und sieht dabei recht zufrieden aus. Walters fordernde Art, sein permanentes und lautstarkes Kritisieren, Loben und Kommentieren, überrascht den 37-Jährigen überhaupt nicht. «Als wir mit ihm gesprochen haben, Sven (Sportdirektor Sven Mislintat, Anm.) und ich, haben wir den Tim Walter getroffen, der jetzt auf dem Trainingsplatz steht. Ein selbstbewusster, junger Trainer, der Ziele hat, die er erreichen will und dafür viel investiert.»

Trotz dauerhaft mehr als 30 Grad und keinerlei Schatten auf den Plätzen zieht Walter sein Programm in Kitzbühel durch. Immer fordert er volle Pulle, unterbricht oft und korrigiert dann. «Er kommt sehr gut rüber bis jetzt. Er redet viel, er ist einfach ein aufgeweckter, offener Typ. Der nimmt einen mit. Das ist auch wichtig bei der Philosophie, die er uns beibringen will», sagt Daniel Didavi. «Er ist auch in der Kabine, man merkt, dass er bei der Mannschaft dabei sein will. Man sieht es auch, dass die Mannschaft das annimmt, weil man sieht, dass er das auch komplett lebt. Das ist gut.»

Am ersten Tag will Walter mit den Spielern in die Kitzbühler Ache, ein bitterkaltes, von Sedimenten trübes Schmelzwasserflüsschen wenige Hundert Meter vom Trainingsplatz entfernt. Er geht als erster rein, die Spieler schauen etwas skeptisch. An Tag zwei und drei aber sind die meisten Profis schon im Wasser und kühlen sich ab, bevor Walter die Böschung hinab gekommen ist und bis zu den Knien in die Strömung steigt. Vorgeben, vormachen - so bringt der 43-Jährige auch seine Idee vom Fußball in die Köpfe.

Walter will viele Flachpässe sehen. Das Spiel über die Flügel ist ihm wichtig, frühes Pressing auch. Der Torwart ist als Anspielstation und Aufbauspieler fest eingeplant. Schlecht vorbereitete Flanken aus dem Halbfeld, beim VfB in den vergangenen Jahren oft praktiziert, sind ihm ein Graus. «Wir wollen das Heft des Handelns in der Hand haben, dominieren», sagt Walter schon bei seiner Vorstellung in Stuttgart. «Das ist unser Anspruch, dass wir die Mannschaft sind, die agiert.»

Neuzugang Atakan Karazor ist als einziger im Kader schon mit Walters Art und seiner Philosophie vertraut. Beide haben in der vergangenen Saison noch bei Holstein Kiel gearbeitet und als Aufsteiger in der 2. Liga lange um den Durchmarsch in die Bundesliga mitgespielt. «Das kann man nicht in einer Woche lernen, so eine Spielart», sagt der 22 Jahre alte Mittelfeldspieler. «Aber wenn es einmal drin ist, dann: Bumms. Auf jeden Fall.»