Christian Gentner (rechts) und Daniel Didavi sind bereit für die Relegation. Foto: Sebastian Gollnow/dpa - Sebastian Gollnow/dpa

Für den VfB Stuttgart bedeutet die Relegation gegen den Dritten der zweiten Liga Neuland. Spannung ist garantiert – wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt.

StuttgartDer 17. Mai 1986 markiert für viele Fußballfans von Borussia Dortmund ein besonderes Datum. Relegations-Rückspiel gegen Fortuna Köln. Mit 0:2 hat der BVB das Hinspiel verloren. Im Rückspiel müht sich der Bundesligist mehr schlecht als recht, führt mit 2:1, als die 90. Minute bereits angebrochen, die Hoffnungen der Anhänger längst verflogen ist.

Da macht Kölns Torhüter Jacek Jareckis seinen einzigen Fehler. Einen Schuss von Ingo Anderbrügge lässt der Keeper nur abprallen, „Kobra“ Wegmann staubt danach zum 3:1 ab. Obwohl er den Ball nicht mal richtig trifft. „Es brach der Torjubel des Jahrhunderts los“, erinnerte sich der Torschütze 30 Jahre später. Weil die Auswärtstorregel noch nicht gilt, rettet sich die Borussia in ein Wiederholungsspiel. Das sie in Düsseldorf mit 8:0 gewinnt.

Die so knapp erfolgte Rettung von damals gilt als Erweckungserlebnis für Borussia Dortmund. Der Verein stand finanziell kurz vor dem Exitus. Ein Abstieg – und der Club hätte wohl nie die Entwicklung bis hin zur Nummer zwei in Deutschland genommen. Darüber herrscht in Dortmund heute Konsens. Die Kölner Fortuna hingegen sollte in der Folge nie wieder ans Tor zur Bundesliga klopfen.

Die Geschichte des dramatischen Duells von 1986 hat die Mächtigen der Deutschen Fußball Liga (DFL) wohl auch dazu veranlasst, die zwischenzeitlich aufgelöste Zusatzrunde im Jahr 2009 wiederzubeleben. „Die Relegationsspiele haben immer für große Spannung und Dramatik gesorgt“, begründete der damalige DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus die Entscheidung. „Diesen zusätzlichen Spannungsfaktor wollen wir wieder nutzen.“

Rechte sicherte sich Eurosport

Den finanziellen Aspekt hatte die DFL dabei sicher mit im Blick. In puncto Vermarktung sind die Abstiegs-Playoffs ein Hit. Jahrelang liefen die Duelle zwischen dem Drittletzten und dem Dritten der zweiten Liga im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Die Rechte an der diesjährigen Entscheidung zwischen dem VfB Stuttgart und dem SC Paderborn oder Union Berlin (23. und 27. Mai) hat sich erstmals das Bezahlfernsehen (Eurosport) gesichert. Die Rückkehr ins Free-TV wird aber bereits diskutiert.

1991 waren Fernsehen und Geld noch weniger ein Thema. Damals wurde die Relegation (von Lateinisch „relegare“ für Wegschicken, Verbannen) im Zuge der deutschen Wiedervereinigung abgeschafft. Grund war die Aufstockung auf 20 Bundesliga-Teams. Vor zehn Jahren erfolgte schließlich die Rückkehr zum System mit nur zwei festen Absteigern. Die Ursprungsidee ging auf die Einführung der eingleisigen zweiten Liga 1981 zurück.

Das Drama war seit jeher Prinzip. Nicht nur 1986 in Dortmund. Unvergessen, wie Hamburgs Marcelo Diaz in der Nachspielzeit des Rückspiels beim Karlsruher SC Rafael van der Vaart den Ball wegschnappte („Tomorrow my friend“) und den Freistoß zum erlösenden 1:1 ins Tor zirkelte. Oder der Platzsturm der Fortuna-Fans bei Düsseldorfs Aufstieg gegen Hertha BSC. Oder Klaus Schlappner. 1988, 1989 und 1990 scheiterte der Trainer mit Darmstadt 98 und dem 1. FC Saarbrücken dreimal in Folge – und hatte darauf seinen Spitznamen weg: Fußball-Sisyphos.

Dazwischen war aber auch viel Langeweile. Meist setzte sich der Bundesligist in spielerisch armen Duellen durch. In acht von zehn Fällen seit der Wiedereinführung 2009. In der ersten Relegationsepoche wurde der Erstligist in sieben von zehn Fällen seiner Favoritenrolle gerecht. Nur dreimal durfte der Zweitligist jubeln – so wie 1991 die Stuttgarter Kickers gegen den FC St. Pauli.

„Spielerisch nicht das Beste“

Unumstritten war die Relegation nie. Für die neutralen Fans ein gern mitgenommenes Happening zum Saisonende, spannt es die Beteiligten meist auf die Folter. „Spielerisch ist die Relegation nicht das Beste. Und der nervliche Druck steigt ins Unermessliche“, klagte Niko Kovac, nachdem er sich 2016 mit Eintracht Frankfurt knapp gegen den 1. FC Nürnberg durchgesetzt hatte. Der Kroate plädierte seinerzeit für die Abschaffung – und hatte ligaintern einige Fürsprecher. Auch viele Zweitligisten rufen verständlicherweise nach dem Modell mit drei festen Aufsteigern.

Bei den insgesamt 36 Erst-und Zweitligisten ist das Thema Abschaffung momentan aber nicht auf der Agenda. Das bestätigte die DFL auf Anfrage. Die Relegation sei schlicht ein „spannender Abschluss“.

Vertrag mit Reschke aufgelöst

Mit Michael Reschke, dem ehemaligen Sportvorstand, hat der VfB Stuttgart sich auf eine Vertragsauflösung zum 31. Mai geeinigt. Das teilte der VfB am Dienstag via Twitter mit. Die Schwaben hatten sich am 12. Februar von Reschke getrennt und Ex-Profi Thomas Hitzlsperger als neuen Sportvorstand installiert. Reschkes Vertrag beim VfB lief ursprünglich noch bis 2021. Zuletzt war über ein Engagement Reschkes beim Ligakontrahenten FC Schalke 04 spekuliert worden.

Noch sind allerletzte Details abzustimmen. Sind diese geklärt, wird Tim Walter in der neuen Saison den VfB trainieren – und plant, einen seiner Assistenten beim Zweitligisten Holstein Kiel mit nach Stuttgart zu bringen: Rainer Ulrich. Der gebürtige Mannheimer wird am 4. Juni 70 Jahre alt und gilt als enger Vertrauter von Walter.

Timo Hildebrand wird vorerst nicht ins Präsidium des VfB Stuttgart aufrücken. Der Vereinsbeirat entschied sich stattdessen für zwei andere Kandidaten, von denen einer auf der Mitgliederversammlung der Schwaben am 14. Juli ins Präsidium gewählt werden kann. Demnach entschied sich der Beirat für den ehemaligen VfB-Spieler Werner Gass sowie den Unternehmensberater Rainer Mutschler als Kandidaten.

Fortuna Düsseldorf soll nach Informationen des „Express“ ein Auge auf den VfB-Mittelfeldspieler Erik Thommy geworfen haben. Die Rheinländer wollen ihn offenbar ausleihen. Der 24-jährige Thommy besitzt in Stuttgart noch einen Vertrag bis 2024 und musste am Dienstag aufgrund einer Verletzung am Sprunggelenk im Training kürzer treten.

Das Relegations-Hinspiel am 23. Mai (20.30 Uhr), in dem der VfB Heimrecht genießt, wurde in Rekordzeit ausverkauft. Am Dienstag um 9 Uhr startete der freie Verkauf an die Mitglieder, um 14 Uhr meldete der Club: „Wahnsinn! Ausverkauft.“