Marc Oliver Kempf (links) im Kopfballduell mit dem Hamburger Lukas Hinterseer. Foto: dpa - dpa

Am Sonntag steht der VfB Stuttgart vor einem Schlüsselspiel: Der Karlsruher SC kommt und bei einer Niederlage droht dem Aufstiegsfavoriten noch größere Unruhe.

StuttgartEnde September noch wähnten viele Fachleute und Fans die Zukunft des VfB Stuttgart in der 2. Bundesliga bereits geregelt. Die Mannschaft von Tim Walter hatte gerade das Topspiel bei Arminia Bielefeld gewonnen und grüßte von der Tabellenspitze – mit fünf Punkten Vorsprung auf den Dritten aus Ostwestfalen. Jetzt, fünf Spieltage später, haben sich die Vorzeichen umgekehrt: Die Bielefelder sind Erster – fünf Zähler vor den Kickern aus Stuttgart, die den Relegationsplatz belegen.

Vieles ist vor der Länderspielpause beim VfB also schiefgelaufen, was sich an den vier Niederlagen in den vergangenen fünf Partien festmacht. Das Team von Arminia-Trainer Uwe Neuhaus siegte in der gleichen Zeit viermal bei einem Unentschieden und erhöhte vor dem baden-württembergischen Derby am Sonntag (13.30 Uhr) gegen den Karlsruher SC den Druck auf den großen Aufstiegsfavoriten. Denn der Anspruch ist klar: Die Etattabelle soll sich in der Ligatabelle widerspiegeln – und mit einem Jahresbudget von 40 Millionen Euro steht der VfB mit weitem Abstand oben.

Die Bielefelder veranschlagen elf Millionen Euro für die laufende Runde, in etwa so viel Geld wie die Stuttgarter allein für die Jahresgehälter von Mario Gomez, Holger Badstuber, Gonzalo Castro und Daniel Didavi überweisen. Ausgezahlt hat sich das bisher nur teilweise, weshalb die Begegnung mit dem alten Rivalen aus Karlsruhe in der Mercedes-Benz-Arena ein Schlüsselspiel darstellt. Denn es geht um mehr als drei Punkte.

Die Stimmung rund um den Wasen droht zu kippen, und bei einer weiteren Pleite würde die Kritik an Trainer Walter zunehmen. Trotz der Brisanz verspürt Marc Oliver Kempf aber keine Unruhe in der Mannschaft. „Es gibt keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken“, sagt der Kapitän, „unsere Leistungen waren nicht so schlecht, wie es die Ergebnisse in den letzten Wochen glauben machen wollen.“

Der Abwehrmann sieht das Stuttgarter Spiel mit Ball gereift im Vergleich zu Saisonbeginn, die dominanten Phasen dauern länger, und auch das Gegenpressing läuft laut Kempf besser, was eine Reihe von Statistiken belegen. Nur eben in der Kategorie Torausbeute schwächelt der VfB – und bisweilen in der Zweikampfquote. Denn in den verloren gegangenen Spielen gegen den VfL Osnabrück, den Hamburger SV, Holstein Kiel und den SV Wehen-Wiebaden wiesen die Stuttgarter jeweils die schlechteren Werte aus.

Diese Zahlen will Kempf jedoch nicht überbewerten. Selbst wenn der 24-Jährige einer Fußballweisheit widerspricht, die besagt, dass in der Regel die Mannschaft das Spiel gewinnt, die auch die meisten Zweikämpfe für sich entscheidet. „Wenn eine Mannschaft deutlich mehr Offensiv-Zweikämpfe bestreitet, dann kann es leicht passieren, dass die Werte ins Negative rutschen, weil es einfacher ist, Defensiv-Zweikämpfe zu gewinnen“, weiß der Innenverteidiger. Er selbst gilt mit seinen 1,86 Metern als starker Zweikämpfer und erwartet einen KSC, der die anderen Kontrahenten kopiert.

„Die Karlsruher werden sich mit elf Mann in jeden Ball schmeißen, den sie kriegen können“, sagt Kempf – und der Mann mit der Rückennummer vier schließt eine Kampfansage an: „Wir müssen selbst eklig in den Zweikämpfen sein.“ Mehr Robustheit und Entschlossenheit gegen die kantigen Kerle im Unterhaus fordert Kempf und ist überzeugt, dass sich anschließend die spielerische Qualität des VfB durchsetzt. „Schöner Fußball ist auch in der 2. Bundesliga möglich“, sagt der frühere Freiburger und sieht keinen Grund, den Spielstil zu ändern.

Kurzpassketten, die nachgezeichnet aussehen würden wie das Streckennetz einer Fluglinie, kennzeichnen die Angriffe der Stuttgarter. Wenn sie mit Tempo funktionieren, wirkt ein solch klar definierter Ballbesitzfußball bestechend. Wenn nicht, dann berechenbar. Weshalb das Team von KSC-Coach Alois Schwartz sicher versuchen wird, die VfB-Aktionen durch einen dichten Defensivverbund zu verlangsamen, um bei Gelegenheit selbst schnell zu attackieren.

Das scheint das Mittel der Stunde zu sein, um dem VfB durch einzelne Angriffe die Sicherheit und das Selbstvertrauen zu nehmen, die er benötigt. Anzeichen von Nervosität macht Kempf bei seinem Trainer Tim Walter jedoch nicht aus. „Er hat mit uns zuletzt wie in den Wochen zuvor gearbeitet: locker, aber auch zielstrebig.“ Mit dieser Mischung will der VfB zurück in die Erfolgsspur finden. Denn das Ziel formuliert die neue Führungskraft im Team deutlich: „Die Relegation ist für uns absolut kein Thema. Wir wollen am Ende auf Platz eins stehen und aufsteigen.“