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Trotz der 1:3-Niederlage bei Borussia Dortmund bestätigt der VfB Stuttgart seinen Aufwärtstrend. Sportvorstand Thomas Hitzlsperger hat frischen Wind reingebracht.

DortmundDer schaurige Dauerregen von Dortmund samt einer Prise Hagel hinterließ Spuren. Gefühlte 20 Kilo schwerer seien seine Klamotten gewesen, befand Gonzalo Castro, als er hinterher die Partie analysierte. Sein weißes Trikot mit dem Brustring hatte der Mittelfeldspieler des VfB Stuttgart da nach der 1:3-Niederlage des Abstiegskandidaten beim Meisterschaftsanwärter Borussia Dortmund schon durch ein rotes Langarmshirt ersetzt. „Wir spielen besser, wir spielen leidenschaftlicher“, sagte der frühere BVB-Spieler nach der Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte, wo sein Team das Spiel lange offen gehalten hatte: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“

Fragt sich nur, wohin dieser führen wird. In die Relegation Ende Mai? Oder reicht es noch für den direkten Klassenverbleib? Trotz des jüngsten Aufwärtstrends stehen die Stuttgarter weiter auf Rang 16 in der Fußball-Bundesliga, dem Relegationsplatz. Und genau genommen hat es der VfB jetzt auch nicht mehr in der eigenen Hand, ihn zu verlassen. Denn durch den parallelen Punktgewinn des FC Augsburg bei RB Leipzig (0:0) ist der Rückstand auf den Tabellenviertletzten auf drei Zähler angewachsen – bei einem um 18 Treffer schlechteren Torverhältnis. Ein Sieg im direkten Duell am 30. Spieltag genügt also nicht, um vorbeizuziehen.

Kein dankbarer Sparringspartner

Während die Augsburger kürzlich mit ihrem 2:1-Erfolg über den BVB nun abermals gegen eine Spitzenmannschaft punkten konnten, gingen die Stuttgarter auch im zehnten Anlauf gegen ein Team aus den Top Sieben leer aus. Ihnen fehlen die Überraschungspunkte als Außenseiter, wobei es am Samstag (15.30 Uhr) gegen 1899 Hoffenheim und nach der Länderspielpause Ende März bei Eintracht Frankfurt gleich die nächsten Gelegenheiten gibt, daran etwas zu ändern.

Es ist fast schon ein Muss: Mit zwei weiteren Nullrunden wird der Relegationsplatz perspektivisch kaum zu verlassen sein. Sich nur Komplimente abzuholen wie von BVB-Trainer Lucien Favre („Der Gegner hat sehr gut gespielt und war sehr gut organisiert“) genügt dann nicht. „Jedes Mal heißt der Gegner nicht Dortmund“, sagte der Stuttgarter Coach Markus Weinzierl. „Es kommen schwächere Gegner. Es war wieder eine Bestätigung der letzten Wochen.“ Der VfB ist nicht mehr der dankbare Sparringspartner, der er diese Saison lange Zeit war – etwa in der Hinrunde gegen den BVB (0:4). „Wir haben uns da hinentwickelt, dass wir wieder unangenehm sind“, sagt Andreas Beck.

Beck trug in Dortmund die Kapitänsbinde, weil Spielführer Christian Gentner und dessen Stellvertreter Mario Gomez zu Beginn nur auf der Bank saßen. Weinzierl blieb also seiner Linie treu, ungeachtet von hierarchischen Ansprüchen aufzustellen. Nicolas Gonzalez bekam nach abgesessener Rotsperre wegen seiner größeren Defensivqualitäten den Vorzug vor Gomez; der Argentinier vergab in der 32. Minute bei einem seltenen Konter die große und einzige VfB-Chance zur Führung.

Die Stuttgarter verteidigten mit einer Mauertaktik gut, vermochten aber kaum Entlastung zu schaffen. So mussten sie letztlich dem Dauerdruck des BVB Tribut zollen, wenngleich beim vorentscheidenden 2:1 von Paco Alcácer der Zufall mitspielte. „Wir brauchen natürlich in Dortmund vor 80 000 Zuschauern auch Glück, das haben wir nicht gehabt, weil der Ball Alcácer vor die Füße fällt und er ihn reinschießt“, sagte Weinzierl. „Das ist kein Fehler, sondern einfach nur unglücklich.“

Anders als in der Vergangenheit ist mittlerweile das erste Gegentor des VfB Stuttgart – Marco Reus verwandelte einen berechtigten Elfmeter für den BVB nach einem Foul von Castro – nicht mehr automatisch mit einer Niederlage gleichzusetzen. Weil wieder eine Mannschaft auf dem Platz steht, die mentale Stärke an den Tag legt: Gegenwehr statt Einbruch. Innenverteidiger Marc Oliver Kempf glich per Kopfball nach einer Freistoßflanke von Castro aus. Der VfB hat seine Schwäche bei Standardsituationen auf beiden Seiten des Platzes abgelegt, was noch entscheidende Bedeutung bekommen kann.

Nach dem 0:3-Debakel in Düsseldorf hat sich beim VfB nicht nur auf dem Platz etwas getan. Der neue Sportvorstand Thomas Hitzlsperger hat frischen Wind reingebracht. Er spricht selbst zwar öffentlich wenig, aber die Einflüsse des Medienprofis machen sich in der Kommunikationskultur der anderen Protagonisten bemerkbar. Das Vertrauen in das eigene Können wird akzentuiert: Wir können was, wir schaffen das. „Wir kommen von der hintersten Position und müssen zur Not die Relegation akzeptieren, das wollen wir aber nicht, wir wollen die anderen überholen“, sagte Weinzierl. „Es ist ein Vorteil, wenn man von hinten ankommt, die anderen haben etwas zu verlieren, so gehen wir’s an.“