Die Ära Wolfgang Dietrich ist beendet. Foto: Baumann - Baumann

Bis Ende des Jahres soll ein Nachfolger für Wolfgang Dietrich gewählt werden. Der Vereinsbeirat will zwei Kandidaten präsentieren. Bis der Verein wieder zur Normalität zurückfindet, wird es allerdings noch länger dauern.

Stuttgart Am Morgen nach der chaotischen Mitgliederversammlung, die mit einem Abbruch wegen technischer Probleme endete, verkündete Wolfgang Dietrich seinen Rücktritt als Präsident des VfB Stuttgart und als Aufsichtsratsvorsitzender der VfB AG. Wir skizzieren, wie es nun weitergeht?

Wie kam es zum Rücktritt?

Am Sonntag musste sich Wolfgang Dietrich in der Mitgliederversammlung des Vereins erneut der harten Kritik seiner Gegner stellen. Dennoch sah es zunächst so aus, als scheitere die beantragte Abwahl. Doch die Stimmung kippte, nachdem erstmals technische Probleme auftraten. Die Debatte konnte nicht per Abstimmung beendet werden, sondern wurde fortgesetzt – und emotionaler. Als ein erneuter Versuch einer elektronischen Wahl unternommen werden sollte, schien eine Abwahl möglich – wieder funktionierte das WLAN nicht. Dietrich musste die Versammlung abbrechen. Es war eine Blamage für den ganzen Club – und für den Präsidenten. Die erbitterte Diskussion über dessen Zukunft, das war klar, würde sich mindestens zwei Monate lang fortsetzen. Am Abend war ein Rücktritt dennoch kein Thema, die Vereins- und AG-Gremien standen zu Dietrich – doch der entschied sich am Morgen danach anders.

Wie wurde der Rücktritt verkündet?

Dietrich erschien am Montagmorgen auf der Geschäftsstelle und erklärte dort seinen Rücktritt. Dem Verein blieb jedoch keine Zeit, diesen auf den eigenen Kanälen für die Öffentlichkeit zu kommunzieren, da Dietrich auf Facebook seine Stellungnahme zum Rücktritt postete. „Ich lasse mir meine Würde und Ehre nicht von denjenigen nehmen, die ihre Macht lautstark und mit verbaler Gewalt demonstrieren“, schrieb er unter anderem. Und: „Auch kann und möchte ich nicht mehr einer Organisation vorstehen, die weder willens ist, sich mit mir gemeinsam diesen Interessen entgegenzustellen, noch in der Lage, den einwandfrei funktionierenden Ablauf einer Mitgliederversammlung zu gewährleisten.“ Starker Tobak gegen die bis dahin eigenen Leute, der einer Abrechnung gleichkommt.

Wie konnte es zur Panne kommen?

Dies wird derzeit extern geprüft. Sowohl der VfB als auch die für die Abstimmung verantwortliche Firma Votingtech aus Berlin wollen sich nicht zum Sachverhalt äußern, bevor nicht Klarheit bei der Ursache besteht. Die Anlage wurde nicht abgebaut, die Votingtech-Mitarbeiter sind noch in Stuttgart. In der Satzung des Vereins besagt übrigens die Geschäftsordnung für die Mitgliederversammlung, dass elektronisch abgestimmt werden muss – „wenn die Versammlung nichts anders beschließt“. Was dann auch wieder nur elektronisch möglich ist.

Wer sitzt nun im VfB-Präsidium?

Aktuell ist nur eine von drei Positionen im Präsidium des Clubs besetzt – durch Bernd Gaiser. Auch die geplante Nachwahl des Nachfolgers von Thomas Hitzlsperger konnte bei der Mitgliederversammlung nicht stattfinden.

Wie geht es nun weiter?

Der am Sonntag noch avisierte Nachholtermin für die Mitgliederversammlung Mitte September ist hinfällig, da für die Neuwahl des Präsidenten andere Fristen eingehalten werden müssen. Der Vereinsbeirat ist dafür zuständig, einen oder zwei Kandidaten vorzuschlagen und hat angekündigt, zwei Alternativen zur Wahl zu stellen. Dieses Gremium wird auch bestimmen, ob das Präsidentenamt künftig wieder als Hauptamt ausgeführt wird – Wolfgang Dietrich war ehrenamtlich tätig. Bis zur Wahl und schnellstmöglich wird der Vereinsbeirat eine kommissarische Besetzung des Präsidiums bestellen. Ende des Jahres wird wohl die nächste Mitgliederversammlung des VfB stattfinden.

Gibt es bereits Kandidaten?

Keine, die offiziell ihr Interesse bekundet haben – abgesehen von einem Redner auf der Mitgliederversammlung („I däd’s macha“). Der Grünen-Politiker Cem Özdemir wird von vielen Fans bevorzugt, er hat aber schon vor Wochen angedeutet, nicht zur Verfügung zu stehen. Gleiches gilt für Ex-Trainer Rainer Adrion, der am Sonntag nach einer viel beachteten Rede gleich als Dietrich-Nachfolger gehandelt wurde.

Was muss ein Kandidat mitbringen?

Laut Satzung sind 50 namentlich genannte Unterstützer aus der Mitgliederschaft nötig, zudem muss ein Kandidat selbst zwischen 35 und 75 Jahre alt und Mitglied des VfB sein. Erfahrung in wirtschaftlichen Angelegenheiten in einer hohen Managementposition oder einer vergleichbaren Führungsposition und/oder im Leistungssport ist zudem erforderlich.

Wie geht es in der AG weiter?

Der AG-Vorstand, Stefan Heim, Thomas Hitzlsperger und Jochen Röttgermann, ist von den Geschehnissen zunächst unberührt. Allerdings hatte Dietrich zwei wichtige Themenfelder beackert, die unmittelbar Einfluss auf die Geschäfte haben. Zum einen sind dies die Gespräche mit einem zweiten Investor, zum anderen die Verhandlungen mit Kandidaten für den Vorstandsvorsitz. Sowohl den Investor als auch den Vorstandschef wollte Dietrich noch in diesem Jahr bekannt geben. Dieser Zeitplan steht nun erneut infrage. Innerhalb des Aufsichtsrats der AG muss ein neuer Vorsitzender gewählt werden. Nachdem bereits Guido Buchwald aus dem Gremium ausgeschieden ist, umfasst es derzeit sechs Mitglieder. Für den Hauptverein sitzt Bernd Gaiser im Aufsichtsrat, dem Club steht nach Dietrichs Abgang ein Sitz zur Nachbesetzung zu.

Wie reagiert der Verein?

Nachdem Dietrich seinen Rücktritt verkündet hat, zog der Verein erst über eine Stunde später mit einer knappen Erklärung nach. An diesem Dienstag wird es weitere Informationen geben.

Wie reagieren die Fans?

Auf der einen Seite ist Freude und Erleichterung, auf der anderen großes Bedauern. Daran, dass sich unter zahlreichen Kommentaren im Internet gleich wieder unversöhnliche Diskussionen ergeben haben, ist zu sehen, dass es noch dauern wird, bis der Verein wieder zur Normalität finden werden.