Die Fans fordern nun den Rücktritt von Präsident Wolfgang Dietrich. Foto: dpa - dpa

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Reschke-Aus beim VfB Stuttgart

StuttgartDie Chaostage beim VfB Stuttgart nehmen kein Ende. Vorläufiger Höhepunkt: Auf Drängen des Aufsichtsrats muss Sportvorstand Michael Reschke seinen Hut nehmen. Was noch lange nicht heißt, dass jetzt Ruhe einkehrt an der Mercedesstraße. Was bedeutet dieser Tag, und wie kam es dazu? Die wichtigsten Fragen und Antworten zur überraschenden Personalrochade.

Wie kam es zu diesem Entschluss?

Eine gewichtige Rolle in diesem Prozess spielte der Aufsichtsrat der Fußball AG. Dieser fällte den Entschluss, Michael Reschke zu feuern, am Montagabend einstimmig. Bei der Sitzung war Thomas Hitzlsperger bereits dabei. Zur Erinnerung: Noch am Montagvormittag durfte Reschke Trainer Markus Weinzierl eine Jobgarantie bis zum Spiel am Samstag (15.30 Uhr) gegen RB Leipzig aussprechen. VfB-Präsident Wolfgang Dietrich widersprach der Auffassung eines plötzlichen Sinneswandels innerhalb des Vereins. „Das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun.“

Was sich wiederum nur so erklären lässt, dass der Druck auf Dietrich innerhalb des Kontrollgremiums zugenommen hat. Der bei den Fans umstrittene Clubboss hat sich durch die Entlassung des gleichfalls ungelittenen Managers wiederum aus der Schusslinie genommen – zumindest fürs Erste. Dietrich selbst betrachtet sein Werk beim akut abstiegsgefährdeten Bundesligisten keineswegs als gescheitert. Genauso wenig sieht er die Entlassung des von ihm verpflichteten Rheinländers als persönliche Niederlage an. „Entscheidungen zu korrigieren gehört in diesem Geschäft dazu.“ Dietrich sieht seinen Club trotz der desaströsen sportlichen Lage weiter auf einem guten Weg.

Woran ist Reschke gescheitert?

Offiziell wird der fehlende sportliche Erfolg als Begründung herangezogen. Der Plan sei gewesen, am Saisonende die Arbeit des 61-Jährigen zu bilanzieren, ließ Dietrich durchblicken, dass im Mai womöglich sowieso Schluss für Reschke gewesen wäre. Neben der missglückten Einkaufspolitik wurde ihm auch seine zu große Einflussnahme im sportlichen Bereich zum Verhängnis. Dies stellte sowohl Reschkes Beziehung zu Weinzierl als auch zu dessen Vorgängern Tayfun Korkut und Hannes Wolf auf harte Belastungsproben. „In der aktuell zugespitzten sportlichen Lage waren wir nicht mehr davon überzeugt, dass er die nötigen Impulse geben kann, um den VfB aus dieser Lage zu befreien“, sagte das Aufsichtsratsmitglied Hermann Ohlicher.

Was sagt Michael Reschke?

Der 61-Jährige zeigt Verständnis für seine Entlassung, die ihn nach eigenen Worten dennoch „brutal hart“ trifft. „Ich verlasse den VfB mit Tränen in den Augen“, sagte er unserer Zeitung. Vor seinem Abschied aus dem Schwabenland richtete er noch einen Appell an alle Fans und Unterstützer des Clubs: „Bitte reißt euch zusammen! Seid eine Einheit! Das ist der Schlüssel zum Klassenerhalt!“ Zugleich bittet er die Anhänger in der Kurve um mehr Respekt und Anerkennung für Wolfgang Dietrich: „Hört auf mit den Schmähungen gegen ihn. Sie sind ungerecht und schaden dem Verein und der Mannschaft.“

Wie viel Geld kostet den VfB der Rauswurf seines Vorstands?

Unklar. Bereut haben dürfte Dietrich aber die Streichung einer besonderen Klausel in Reschkes Arbeitspapier. Dieser hatte dem VfB bei seinem Amtsantritt 2017 ein einseitiges Kündigungsrecht eingeräumt, um dem Verein im Falle eines Scheiterns nicht auf der Tasche zu liegen. Dietrich löste die Klausel im vergangenen Sommer aus Reschkes bis 2021 gültigen Vertrag. Im Glanze der tollen Rückrunde 2018 war er von dessen langfristigem Erfolg überzeugt – ein Irrglaube. Nun dürfte eine Abfindung fällig werden. „Wir werden eine gute Lösung finden“, sagte Dietrich nur.

Was wird aus Markus Weinzierl?

Die gute Nachricht für den Trainer in diesen Chaostagen ist: Die von Reschke ausgesprochene Jobgarantie für das Leipzig-Spiel hat auch für Nachfolger Thomas Hitzlsperger Bestand. Weiter wollte der 36-Jährige aber nicht gehen: „Ich werde heute keine Zeitpunkte nennen.“ Heißt: Der 44-jährige Trainer hat zumindest die Chance auf einen Neuanfang light. Enge Gespräche zwischen ihm und seinem neuen Vorgesetzten haben bereits stattgefunden. Bleiben die positiven Ergebnisse aber aus, könnte auch der Novize Hitzlsperger vor seiner ersten Trainerentlassung in der Bundesliga stehen.

Welche Veränderungen zieht der Rollentausch beim VfB nach sich?

Markus Rüdt, der bisherige Verwaltungschef des Nachwuchsleistungszentrums, übernimmt kommissarisch die Aufgaben des bisherigen NLZ-Chefs Hitzlsperger.

Was wird mit Hitzlspergers Job als TV-Experte in der ARD?

Über seine Rolle als ARD-Experte will sich der neue mit einem Vertrag bis 2022 ausgestattete VfB-Vorstand in Kürze mit der ARD verständigen. „Heute Vormittag habe ich mit dem ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky gesprochen. Wir werden zeitnah sehen, ob und wie wir gemeinsam weiterarbeiten können“, sagte er am Dienstag. Sicher ist nur, dass sein Sitzplatz bei den Bundesligaspielen des VfB künftig ein anderer sein wird: Statt auf der Tribüne wird er auf der Trainerbank Platz nehmen.

Wie reagieren die Fans?

Zumindest die Fans in den sozialen Netzwerken feiern die Entlassung Reschkes als überfällig. In zahlreichen Kommentaren geben die Fans Reschke die Hauptverantwortung für die Krise. Das Echo: Seine Kaderplanung im Sommer ist nicht aufgegangen – und die Winterzugänge haben das Team nicht weiterbringen können. Mit dem Festhalten an Weinzierl habe Reschke nur die eigene Haut retten wollen.

Mit dessen Entlassung ist es für viele Fans nicht getan. Sie fordern als Nächstes VfB-Präsident Wolfgang Dietrich. „Er ist und bleibt verantwortlich für diese Situation“, heißt es in einem Twitter-Kommentar stellvertretend für die Meinung vieler. Auch der Politiker und VfB-Fan Cem Özdemir (Grüne) meldete sich via Twitter zu Wort: „Lieber Thomas Hitzlsperger, das freut mich wirklich sehr! Ein VfBler durch und durch. Wünsche gutes Händchen und bin überzeugt, dass das Oben Bleiben gemeinsam gelingt.“