Glückliche Gesichter, mit und ohne Maske: Torschütze Josip Brekalo (links) und Kapitän Christian Gentner. Foto: dpa - dpa

Von Sigor Paesler

Stuttgart – Keine Frage, es wird wieder Rückschläge geben. Und, klar, beim frühen ersten Tor war viel Glück dabei, weil der Gegner mit einem krassen Fehler entscheidend mithalf. Vor allem in der ersten Hälfte war der Auftritt nicht fehlerfrei. Aber der Aufsteiger VfB Stuttgart hat mit dem 2:1-Sieg gegen Borussia Dortmund endgültig gezeigt, dass er sich in der Fußball-Bundesliga etabliert hat. Es war eine meisterhafte taktische Vorarbeit von Trainer Hannes Wolf und eine starke Umsetzung der Mannschaft. Die Prognose darf gewagt werden: Der VfB wird am Ende der Saison mit dem Geleisteten zufrieden sein.

Mit 16 Zählern aus elf Spielen haben sich die Schwaben im Mittelfeld der Tabelle eingenistet. Da wollten sie hin. Der Europa-League-Platz sechs ist mit vier Punkten Abstand deutlich näher als der direkte Abstiegsrang 17 mit beruhigenden acht Zählern Vorsprung. Trainer Hannes Wolf ändert seine Sichtweise nach dem „besonderen Spiel“ gegen seinen langjährigen Club jedoch nicht: „Es ist wichtig, dass wir einen Abstand nach unten haben.“

Fünf der sechs Heimspiele haben die Stuttgarter gewonnen, im gesamten Jahr 2017 sind sie im eigenen Stadion ungeschlagen. Entsprechend groß ist das Selbstbewusstsein beim Aufsteiger. „Wenn du so eine Mannschaft schlagen kannst, dann kann jeder kommen“, sagte Stürmer Daniel Ginczek, der ebenso verletzt ausgewechselt werden musste wie Chadrac Akolo. Der Kongolese wird mit einem Faszienriss in der Oberschenkelmuskulatur vermutlich für zwei Spiele ausfallen, Pechvogel Ginczek mit einem Faserriss im Adduktorenbereich möglicherweise für den Rest der Hinrunde. Ein großer Wermutstropfen.

Wolfs Antwort auf Ginczeks Aussage: „Wir wissen, dass wir auch auswärts Spiele gewinnen können, das wollen wir am Freitag machen.“ Dann geht es zum noch besser dastehenden Mitaufsteiger Hannover 96. Noch steht die Stuttgarter Saisonbilanz auf fremden Plätzen bei null Punkten. Letzter in der Auswärts-, Zweiter in der Heimtabelle. Wolf möchte diesen Umstand freilich nicht überbewerten. Jedes Spiel, egal wo, hatte seine eigene Geschichte. Und die Vorgehensweise, so betont er, ist grundsätzlich immer die gleiche. Gegen Dortmund fand der Ex-Dortmunder jedenfalls die perfekten Mittel. „Ein riesen Kompliment an die Trainer, sie hatten einen Matchplan und der wurde perfekt umgesetzt“, sagte Sportvorstand Michael Reschke und geriet ins Schwärmen: „Wir haben ja nicht nur drei Punkte gewonnen, sondern haben was für das ganze Empfinden des Clubs, für die nationale und internationale Wahrnehmung getan. Das war klasse.“

Zwischen Dreier- und Fünferkette

Die flexible Abwehr des VfB wird immer mehr zum Prunkstück – wer hätte das gedacht. Nach der Rückkehr von Routinier Holger Badstuber spielte die Mannschaft wieder mit einem Dreier-Stamm im Zentrum mit Badstuber, dem französischen Neu-Nationalspieler Benjamin Pavard und Timo Baumgartl. Gegen die offensivstarken Dortmunder agierte die VfB-Defensive dabei mannorientierter als gewöhnlich. Links machte Emiliano Insua das Gefüge häufig zu einer Viererkette. Rechts schloss Andreas Beck, der auch viele offensive Impulse setzte, zu einem Fünferriegel.

Vorne war gegen den verunsicherten BVB Tempo das Mittel der Wahl. Weshalb Stoßstürmer Simon Terodde auch nach den Ausfällen von Ginczek und Torschütze Akolo auf der Bank blieb. Josip Brekalo und Takuma Asano rannten in der zweiten Hälfte die Dortmunder Defensive an, Brekalo erzielte schnell das sehenswerte Tor zum 2:1.

Die Erklärung für die personellen Entscheidungen war typisch Wolf. „Wir schätzen Simon total, ohne ihn hätten wir das Spiel hier gar nicht gehabt“, sagte der Coach über Terodde, den Torschützenkönig der vergangenen Zweitliga-Saison. „Wir wollten Speed auf dem Platz haben, weil wir wussten, dass es Konterräume geben wird.“ Dafür waren Spieler wie Akolo, Brekalo und Asano eben die bessere Wahl. Gegen einen anderen Gegner wird es wieder Terodde sein, dessen Vorteile beim Ballhalten und verwerten von Flanken liegen.

Der Plan, die Stärken des Gegners zu bekämpfen und die Schwächen zu nutzen, ging gegen Dortmund auf. Das wird in diesem Maße nicht immer gelingen. Aber Trainer und Mannschaft wissen, dass sie es können. Dass sie ein ernstzunehmender und ernstgenommener Bundesligist sind. Auch, wenn es mal wieder einen Rückschlag gibt.