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Dietrich hat durch die Ausgliederung der Profiabteilung zwar für zusätzliche Einnahmen gesorgt, von sportlichem Erfolg ist der Club aber weit entfernt.

Stuttgart (dpa/lsw) Im brisanten Abstiegsduell dürfte die Kritik an VfB-Präsident Wolfgang Dietrich wieder laut werden. Zumindest wenn die Heimpartie am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) gegen Hannover 96 für die Stuttgarter schief läuft. Dann werden die «Dietrich-Raus-Rufe» sicher wieder durch die Arena schallen. Denn statt des Trainers Markus Weinzierl oder der Spieler des Fußball-Bundesligisten, der seit Monaten auf dem Relegationsrang steht, hat Dietrich den Unmut auf sich gezogen. Für viele Fans ist der 70-Jährige in der sportlichen Krise der Buhmann.

«Mein Frust über einige Spiele der Mannschaft ist größer als der Frust über den Protest der Kurve. Das auszuhalten gehört dazu», sagte Dietrich kürzlich dem «Reutlinger General-Anzeiger» und betonte, er werde sich der Verantwortung nicht entziehen: «Nein, nie, Rücktritt ist keine Option für mich.»

Gegenwehr ist er als ehemaliger Sprecher des polarisierenden Bahnprojekts «Stuttgart 21» gewohnt. Für vier Jahre wurde der frühere Unternehmer aus Leonberg im Herbst 2016 zum VfB-Präsidenten gewählt, schon damals waren Fans gegen seine Wahl.

Mit Dietrich vollzog der VfB die Ausgliederung der Profiabteilung. 41,5 Millionen Euro investierte die Daimler AG in den Meister von 2007. Schnelles Geld sollte zu schnellem Erfolg führen, so lautete der Plan. Bis 2020, so Dietrichs forsches Vorhaben, soll der VfB im oberen Tabellendrittel der Bundesliga ankommen und wieder mit den Großen mitspielen.

Stattdessen droht derzeit der erneute Abstieg - so wie schon im Frühjahr 2016. Umso mehr, wenn der Weinzierl-Elf gegen den Abstiegskonkurrenten Hannover nicht der erste Erfolg nach acht sieglosen Partien glückt.

Teile der Fans sehen bei Dietrich eine zu hohe Machtkonzentration. Denn er ist nicht nur Clubchef, sondern auch Aufsichtsratschef der VfB Stuttgart AG und Mitglied im Präsidialrat. Die Ultras «Commando Cannstatt 1997» werfen ihm auf ihrer Webseite vor, dass der Club nun einen «absoluten Machtmenschen» an der Spitze habe, der ihn spalte.

Auch das zurückgetretene VfB-Aufsichtsratsmitglied Guido Buchwald hatte die mangelnde sportliche Kompetenz im Verein scharf kritisiert. Kapitän Christian Gentner meinte dagegen: «Meine persönliche Meinung ist, dass der Präsident mehr Lösung als Problem ist.»

Finanziell hat der Club keine Probleme, auch die Infrastruktur wurde verbessert. Von der Ruhe allerdings, die sich Dietrich wünschte, ist der Verein weit entfernt. Dietrichs Vorgänger Bernd Wahler betrachtet die Situation mit Sorge: «Das ist wie ein Geschwür: Es geht immer wieder in die richtige Richtung – aber es wird nie zu Ende geführt», sagte er. «Ich denke, der VfB benötigt eine Runderneuerung.»

Die Berufung des früheren Nationalspielers Thomas Hitzlsperger als Nachfolger von Michael Reschke und neuer Sportvorstand kann als clevere Entscheidung gesehen werden. Dietrich war es, der den umstrittenen und gescheiterten Reschke vom FC Bayern nach Stuttgart geholt hatte.

Hitzlsperger ist nach Aufstiegsmacher Jan Schindelmeiser und Reschke bereits der dritte Sportvorstand in der noch jungen Amtszeit von Dietrich. Ebenso wie Weinzierl nach Hannes Wolf und Tayfun Korkut der dritte Trainer ist. Verliert der VfB gegen Hannover, könnte der vierte kommen - und Dietrich noch mehr unter Druck geraten.