Ex-Profis unter sich: Axel Kruse (links) und Krassimir Balakov. Foto: Baumann - Baumann

Axel Kruse, ehemaliger VfB- und Hertha-Profi, spricht vor dem Bundesliga-Duell der beiden Teams über das, was beim VfB schief läuft.

StuttgartIn Sachen Fußball redet Axel Kruse gerne Klartext – wenn es sein muss am Gepäckband, während er am Flughafen in Berlin auf seinen Koffer wartet. Denn heute ist der 51-Jährige als Geschäftsführer einer Medienfirma gefragt.

Herr Kruse, der VfB erwartet die Hertha aus Berlin – für beide Clubs haben Sie früher gespielt. Werden Sie sich die Partie anschauen?
Ja, zuhause vor dem Fernseher. Ich fahre zwar gelegentlich zu Hertha-Auswärtsspielen mit, aber diesmal geht es nicht, da ich mit meiner Produktionsfirma aktuell an einer Dokumentation über Eintracht Frankfurt arbeite. Es geht um die Eintracht auf Europa-Tour. Ich war deshalb beim Europa-League-Spiel bei Lazio Rom und bin erst am Freitag zurückgekehrt.

Für die Eintracht haben Sie einst auch gestürmt. Wie sind ihre Sympathien in der Bundesliga denn verteilt?
Ganz klar schlägt mein Herz für die Hertha. Ich lebe in Berlin und bin seit fast 25 Jahren Vereinsmitglied. Zudem hat unser Sohn hier gespielt und mit seinen Freunden steht er bei Heimspielen noch regelmäßig in der Fankurve.

Welche Verbindungen haben Sie noch zum VfB?
Von den ehemaligen Mitspielern habe ich noch Kontakt zu Henrik Herzog, der mein Nachbar ist und für die Hertha arbeitet. Ansonsten habe ich keine persönliche Verbindung mehr, da die Verantwortlichen im Verein komplett durchgewechselt wurden. Dabei hat es ja auch vor gut vier Jahren meinen Freund Fredi Bobic als Sportvorstand erwischt. Allerdings sieht man jetzt in Frankfurt, was für eine tolle Arbeit er leistet. In Stuttgart gibt es auf den verantwortlichen Posten dagegen keine Kontinuität.

Ist dies das Hauptproblem beim VfB in den vergangenen Jahren?
Es ist zumindest ein hausgemachtes Problem, da ständig Trainer und Sportchefs aussortiert werden. Auch Präsidenten hat man einige verschlissen. Ständig wird ein Schuldiger gesucht, wenn es sportlich nicht läuft. Vielleicht ist es das nächste Mal ja der Zeugwart.

Wie ordnen Sie den VfB sportlich ein?
Ehrlich gesagt, habe ich diese Saison schon einige VfB-Spiele gesehen, da ich auch als Fernsehexperte tätig bin – aber keines ist mir positiv im Gedächtnis geblieben. Gut, jetzt kann man sagen, der Typ ist schon über 50 und erinnert sich eben nicht mehr. Aber ich glaube, dass dies nicht gerade für die VfB-Mannschaft spricht.

Hat es Sie überrascht, dass die Stuttgarter in der Tabelle so schlecht dastehen?
Nein, da ich grundsätzlich der Überzeugung bin, dass die Bundesliga wieder stärker geworden ist. Auch spielerisch, weil viele Teams nicht mehr nur hinten reinstehen und vorne auf den lieben Gott hoffen.

Beim VfB wird im Angriff vor allem auf Mario Gomez gesetzt.
Er hat auch seine Qualitäten, aber man muss bei der Bewertung des VfB bedenken, dass die Mannschaft in der vergangenen Rückrunde einen anderen Fußball gespielt hat, als es sich der Club jetzt offenbar vorstellt. Da hieß es unter dem Trainer Tayfun Korkut erst einmal hinten stabil stehen. So wurden dann auch mit Glück Spiele gewonnen und am Ende erreichte der VfB Rang sieben. Es ist aber ein Trugschluss zu glauben, dass ein Team in der folgenden Saison dann im Hurrastil auf den dritten Platz stürmen kann. Nicht in der Bundesliga, wo es sehr eng zugeht.

Was braucht es, um erfolgreich zu sein?
Wie erwähnt, brauchen Sie Kontinuität auf den wichtigen Posten, ebenso Ruhe im Verein. Nur auf diese Weise können Sie etwas aufbauen. Die Spieler merken doch genau, wie es in einem Verein zugeht. Im Zweifel wird beim VfB Stuttgart eben der Trainer ausgetauscht. Da fehlt mir eine klare Idee hinter dem ganzen Tun: Wie will der VfB eigentlich spielen und mit welchen Leuten will er das tun? Zumindest scheint es dem VfB im Moment auch an Fitness und Tempo zu fehlen?
Das kann ich nicht wirklich beurteilen, aber Fitness und Intensität lassen sich trainieren, Schnelligkeit dagegen nicht. Ich bin jedoch der Ansicht, dass es nicht nur auf Geschwindigkeit im Fußball ankommt.

Da sagen andere Experten etwas anderes.
Keine Frage ist Tempo wichtig, aber die Hertha spielt zum Beispiel keinen Hochgeschwindigkeitsfußball und hat sich trotzdem gut entwickelt. Sie verfügt über eine extreme Kompaktheit in der Defensive und über individuelle Qualität in der Offensive. Salomon Kalou und Vedad Ibisevic benötigen nicht viele Chancen, um ein Tor zu erzielen. Dazu kommen jetzt noch junge, entwicklungsfähige Spieler wie Arne Maier und Valentino Lazaro. Da ist über Jahre etwas zusammengewachsen.

So einen Prozess vermissen Sie beim VfB?
Ja, denn wenn ich mich für eine Philosophie entschieden habe, dann sollte ich diese beim ersten Gegenwind nicht gleich wieder in die Mülltonne kloppen. Der VfB neigt viel zu schnell dazu, alles wieder anders zu machen. Ich muss aber an meinen Überzeugungen festhalten und meine wichtigsten Angestellten schützen.

Haben Sie ein positives Beispiel vor Augen?
Klar, Werder Bremen ist mein Paradebeispiel. Das betrifft sowohl die Clubführung als auch das Umfeld dort. Die Verantwortlichen brechen nicht gleich in Aktionismus aus, wenn Niederlagen kommen, und die Leute im Stadion stehen immer komplett hinter der Mannschaft.

Und in Stuttgart sehen Sie das anders?
Ja, da herrscht schnell Unruhe und die eigenen Spieler werden bei Fehlpässen ausgepfiffen. Doch genau dann brauchen die Spieler Unterstützung von außen. Jubeln kann jeder Idiot, wenn es gut läuft.

Dennoch: Trauen Sie dem VfB den Klassenverbleib zu?
Ja, ich sehe zumindest drei Mannschaften die schlechter sind: den 1. FC Nürnberg, Fortuna Düsseldorf und Hannover 96.

Das Interview führte Carlos Ubina.

Zur Person

Axel Kruse, 51, spielte als Stürmer für Hansa Rostock, Eintracht Frankfurt und zwischen 1993 und 1996 in 64 Partien (14 Tore) auch für den VfB. Legendär ist sein Ausraster vom August 93: Da forderte der Heißsporn beim Pokalspiel gegen Kaiserslautern derart vehement einen Elfmeter, das Schiedsrichter Hans-Joachim Osmers zu Boden ging. Kruse sah für sein Schiedsrichter-Foul Rot. Als Kicker der Berlin Thunder holte Axel Kruse zwei World-Bowl-Titel.