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Was gut läuft beim VfB – und was nicht

StuttgartLetztlich ist es wohl nur eine Sache von Millimetern gewesen. In zweierlei Hinsicht. Erst auf Mateo Klimowicz’ Fuß und danach, als das Spielgerät am Innenpfosten landete. Beides ist nur um eine Nuance verrutscht. Ansonsten hätte die Szene aus der Nachspielzeit der krönende Abschluss eines fulminanten Auftritts für den VfB Stuttgart sein können, als der junge Argentinier den Ball aus vollem Lauf mit vollem Risiko mit dem Vollspann nahm. Doch es blieb beim 2:2-Unentschieden beim 1. FC Heidenheim und der Erkenntnis, dass vieles beim Fußball-Zweitligisten schon gut läuft, sich Mannschaft und Spielweise aber weiterentwickeln müssen, vielleicht sogar reifen.

Für Tim Walter ist das normal, denn der Trainer betrachtet Fußball als ständigen Prozess. Dazu gehört, dass ein 19-Jähriger eine solch große Chance vergeben darf, aber die Enttäuschung ebenso wegstecken muss. Tröstend in den Arm hat der Coach deshalb den traurigen Stürmer genommen und ihm gesagt: „Das ist Mario Gomez auch schon passiert.“ Der 34-Jährige ist das größte Vorbild im VfB-Kader, und jeder Angreifer kennt diesen unfassbaren Moment, aus kurzer Distanz nicht zu treffen. Vermutlich wird sogar Diego Klimowicz, der Bundesliga-erprobte Vater des Neuzugangs, da keine Ausnahme bilden.

Nach diesem Spruch ist ein Lächeln in das Gesicht des Juniors zurückgekehrt. Und trotz des verpassten Sieges auf der Ostalb spiegelt sich die neue Spielfreude der Stuttgarter nach erst zwei Spieltagen auf vielen Gesichtern. „Wir haben 70 Minuten lang einen coolen Ball gespielt“, sagt der Sportdirektor Sven Mislintat. 2:0 lagen die Gäste nach Toren von Hamadi Al Ghaddioui (52.) und Holger Badstuber (57.) vorne. Alles schien bereitet für den Traumstart, da die VfB-Elf die Gastgeber mit ihrer Dominanz nahezu erdrückte.

Trotz der Heidenheimer Qualität. „Die Mannschaft von Frank Schmidt ist keinen Deut schlechter als Hannover 96“, sagt Mislintat, „und wir haben diesmal besser als beim Auftaktsieg gespielt.“ Es gab bereits vor Klimowicz’ Riesenchance genug Möglichkeiten, die Begegnung endgültig zu entscheiden. Oder andersherum: Wenig deutete darauf hin, dass die Heidenheimer noch einmal zurückkommen würden. Denn bereits nach sechs Wochen ist beim VfB unter Walter eine deutlichere Trainerhandschrift zu erkennen als unter seinen direkten Vorgängern.

Ein geordneter, wenn auch ungewöhnlicher Spielaufbau, systematische Laufwege und Automatismen in der Offensive – verbunden mit dem Mut, sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. Das soll auch am nächsten Montag bei Hansa Rostock so sein, wenn der VfB im DFB-Pokal antritt und böse Erinnerungen an das Vorjahr wach werden. Da ging man nicht zum ersten Mal an der Ostsee baden. „Die Historie interessiert mich nicht“, sagt Walter, „für uns ist jede Partie ein K.-o.-Spiel.“

Keine Frage, in puncto Effektivität muss der VfB zulegen, das sieht auch der Trainer Tim Walter so. „Die Jungs haben am Ende nur noch gespielt, um zu spielen“, resümierte der
43-Jährige: „Da war kein Ziel mehr da – das müssen sie noch lernen.“ Damit spricht der Chefcoach jeweils die Schlussphase der beiden Halbzeiten in Heidenheim an, als sich der VfB um den Lohn seiner Arbeit brachte. Denn lange Zeit stellte der VfB das dominante, stärkere Team, wurde im schwäbischen Duell seiner Favoritenrolle gerecht - gab den Sieg aber letztlich durch fehlende Cleverness aus der Hand.

„Wenn du auswärts 2:0 führst, musst du so abgezockt sein, entweder vorne den Deckel draufzumachen – oder hinten nichts mehr zuzulassen“, sagte Hamadi Al Ghaddioui, als nach viel Aufwand und reichlich Spielkontrolle nur ein Punkt auf der Habenseite stand. Waren die Stuttgarter in ihrer Schwächephase vor dem Halbzeitpfiff trotz dreier Chancen des 1. FCH noch ohne Gegentor davongekommen, so wandelten die Gastgeber von Trainerfuchs Frank Schmidt („Tim hat beim VfB schon viel bewirkt“) das Ergebnis in der Schlussphase der Partie mit zwei späten Toren in ein 2:2 um. „Wenn ihr Ballbesitzspiel funktioniert, ist es schwer, den VfB aufzuhalten“, sagt „Mister Heidenheim“, der seit 2008 bei den Ostälblern spielende Offensivmann Marc Schnatterer (107 Tore). Aber: „Wenn man es aber schafft, Bälle zu erobern, hat man als Gegner die Chance, in die Räume hinter der Abwehr zu kommen.“

Dabei wurde der zweite Gegentreffer von Marc Oliver Kempf begünstigt, der einen Distanzschuss von Niklas Dorsch noch mit dem Kopf ins eigene Netz abfälschte (84.). Überhaupt machte der sonst so zuverlässige Kapitän in Heidenheim nicht immer einen sattelfesten Eindruck. Ob es daran lag, dass der Linksfuß Kempf im Abwehrverbund diesmal den rechten Part besetzen musste, weil der Linksfuß Holger Badstuber den linken übernahm? Walter jedenfalls wollte dem Startelf-Rückkehrer und Torschützen Badstuber kein Extralob zukommen lassen: „Er hat vielleicht einen schönen Namen. Aber er ist nur ein Teil der Mannschaft.“

Ob künftig mit oder ohne Badstuber, in Heidenheim zeigte sich auch, dass die Abmischung der Mannschaft bislang nicht an allen Orten stimmt. Deutlich wurde dies vor allem im Mittelfeld, wo Atakan Karazor die zentrale Ballverteiler-Rolle besetzt. Doch der Ex-Kieler machte vor allem in der Schlussphase von Abschnitt eins kein gutes Spiel. Derweil lauern andere auf seine Position. Santiago Ascacibar etwa, der von seiner Stammposition in der Zentrale auf rechts versetzt ein wenig verloren wirkte. Oder aber der erfahrene Gonzalo Castro, der auf links ein gutes Spiel machte. Und da ist ja noch der Rückkehrer Orel Mangala, der laut Sportdirektor Sven Mislintat „zu hundert Prozent“ beim VfB eingeplant sei. „Ich sehe in Orel einen Offensivspieler“, sagte Walter.

Kurzpässe

Ohne den im ersten Gruppenspiel gegen Ecuador (3:2) nach einem Foul mit Rot vom Platz geflogenen VfB-Stürmer Nicolas Gonzalez hat die U 23 Argentiniens bei den Panamerikanischen Spielen im peruanischen Lima das Halbfinale erreicht. Dort treffen die Albiceleste in der Nacht auf Donnerstag um 3.30 Uhr deutscher Zeit auf den Gastgeber Peru. Weil er in den Gruppenpartien gegen Mexiko (1:2) und Panama (3:1) seine Zwei-Spiele-Sperre abgesessen hat, ist Nicolas Gonzalez für die Peru-Partie wieder einsatzberechtigt. Unklar ist aber, ob er tatsächlich spielt.

Das nächste öffentliche Training der Profis findet am Mittwoch um 15 Uhr auf dem Clubgelände statt.