Mario Gomez (von links) trainiert zum ersten Mal mit den Stuttgartern um Christian Gentner unter den wachsamen Augen von Trainer Hannes Wolf. Foto: Baumann Quelle: Unbekannt

Von Heiko Hinrichsen

La Manga - Von den Böen des Sturmtiefs „Burglind“ wie beim Abflug ist nichts zu spüren, als Fußball-Bundesligist VfB Stuttgart in La Manga ankommt. Es weht ein leichter Wind, doch die sonnenverwöhnte Region im Südosten Spaniens meldet 20 Grad. Die Bedingungen sind ideal für das Trainingslager, und das ist gut so. Denn für den VfB gibt es viel zu tun. Vier Punkte stehen auf der Agenda.

Die lahmende Offensive:0:1, 0:2, 0:1, 0:1 - so lauteten die Ergebnisse des VfB in den vergangenen vier Bundesliga-Spielen gegen Bremen, Leverkusen, Hoffenheim und den FC Bayern. Kein Treffer also gelang zum Abschluss der Vorrunde. „Das Spieljahr 2017 bewerte ich insgesamt als positiv, aber die letzten Wochen waren kompletter Schrott“, sagt Trainer Hannes Wolf, der um die Schwächen seiner Elf beim Torabschluss weiß. „Wir haben da ein Problem“, sagt der 36-Jährige: „Und benennen es auch.“

Also sollen in La Manga, wo sich vier gut gepflegte Trainingsplätze und ein kleines Stadion mit Tribüne in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hotel mit seinem 18-Loch-Golfkurs befinden, auch die neuen Abläufe im Spiel nach vorne einstudiert werden. Schließlich ist in Mario Gomez ein klassischer Strafraumstürmer verpflichtet worden, der seine Stärken dem ersten Ballkontakt, seiner Dynamik auf engstem Raum und seinem Torriecher verdankt. Auf Gomez muss das VfB-Spiel nun zugeschnitten werden. Und zwar unabhängig davon, ob der Manager Michael Reschke noch einen weiteren Offensivspieler verpflichtet, wonach es aussieht. Hierbei sind auch die anderen Mannschaftsteile gefordert. Etwa die Außenspieler Andreas Beck, Emiliano Insua oder Dennis Aogo. Von ihnen müssen mehr brauchbare Zuspiele kommen.

Die Schwäche bei ruhenden Bällen: Dass beim VfB nach 17 absolvierten Bundesliga-Spielen noch kein Mittelfeldspieler ein Tor erzielt hat, zählt zu den Sorgen der Offensive. In der Verteidigung besitzt der Club in Holger Badstuber immerhin den zweikampfstärksten deutschen Innenverteidiger der gesamten Liga. Auf eine Quote von 67,7 Prozent an gewonnenen Duellen kommt der Ex-Nationalspieler. Neben Badstuber konnte auch Timo Baumgartl an Stabilität zulegen - und vor Torhüter Ron-Robert Zieler, der sich als sicherer Rückhalt erwies, spielte sich der Franzose Benjamin Pavard mit inzwischen guten WM-Chancen in den Kreis der Équipe tricolore.

Der VfB hat sich defensiv also stabilisiert. Vor allem, wenn der Ball rollt. Wäre da nicht die Schläfrigkeit bei ruhenden Bällen, nach denen der Aufsteiger regelmäßig ins Hintertreffen geriet. Elf der 21 Gegentore der Hinserie fielen nach Standards, darunter waren auch schnell ausgeführte Freistöße.

Das Teamgefüge: Simon Terodde zum 1. FC Köln, dafür Mario Gomez vom VfL Wolfsburg zum VfB - das sind bisher die formal einzigen Rochaden, die sich auf dem Wintermarkt ergeben haben. Doch das Transferfenster ist noch bis zum 31. Januar geöffnet. Allerdings wird sich das Teamgefüge auch so ändern. In Terodde ist ein Führungsspieler weg, der der Mannschaft auch nach außen ein Gesicht gab. Nun setzt der Club seine Hoffnungen in andere Spieler. Anastasios Donis soll zu mehr Einsatzzeiten kommen und sein volles Potenzial entfalten; auch der nach seiner Adduktorenverletzung wieder fitte Daniel Ginczek, der erst sechs Partien absolvierte, soll wieder ein Leader sein. Der seit März 2017 verletzte Carlos Mané soll zur Alternative reifen.

„Insgesamt hatten wir zu wenige Mentalitätsspieler“, sagt Reschke, der den Kapitän Christian Gentner als leuchtendes Beispiel für Einsatz- und Siegeswillen sieht. Gentner zur Seite stehen als Antreiber neben Zieler und Badstuber noch Andreas Beck und in Ansätzen der junge Santiago Ascacibar. Von den anderen, etwa von Dennis Aogo, kommt zu wenig. „Jeder unserer Spieler hat aber den Anspruch, erste Liga zu spielen. Da darf man mehr Mentalität verlangen“, sagt Reschke, der bereits angekündigt hat, mit einigen Akteuren in La Manga das Gespräch unter vier Augen zu suchen.

Die taktische Variabilität: Eine Dreierkette, die sich im Rückwärtsgang zu einem Fünferriegel erweitert, dazu in dem Kapitän Christian Gentner und dem einsatzfreudigen Kraftwürfel Ascacibar eine Doppelsechs, die ebenfalls ihr zentrales Augenmerk auf die Defensive legte - mit dieser Taktik hat sich Wolf in der VfB-Fangemeinde nicht nur Freunde gemacht. Vor allem im Finale der Vorrunde, als es nicht mehr lief, wurde die Kritik am System und an der fehlenden taktischen Flexibilität immer lauter.

Doch Wolf handelte als ein Überzeugungstäter, als ein Trainer, der seiner Mannschaft nicht mehr zumuten wollte, als sie kann. Safety first, war daher sein Motto. „Wenn wir nie Chancen gehabt hätten, könnte ich den Vorwurf verstehen“, so lautete meist der Wolf’sche Konter, sobald ihm eine zu defensive Grundeinstellung vorgeworfen wurde. Zuletzt wurde der Coach aber stiller, was zeigt, dass er die taktische Grundformation überdenkt. Schließlich braucht der VfB mehr Zug nach vorne. Sich allein damit rühmen zu können, niemals hoch verloren zu haben, reicht nicht.

zwei testspiele

Der VfB hat zwei Testspiele geplant: am Samstag (15 Uhr) gegen den niederländischen Erstligisten Twente Enschede und am Montag (15 Uhr) gegen den KV Oostende (Belgien). Neben Christian Gentner gibt es dann einen zweiten Maskenmann zu sehen. Nach seinem Nasenbeinbruch aus dem Bayern-Spiel läuft auch Benjamin Pavard mit Gesichtsschutz auf.