Mal wieder in der Kritik: VfB-Präsident Wolfgang Dietrich. Foto: dpa - dpa

Nach dem Abstieg steht Wolfgang Dietrich bei den Fans des VfB Stuttgart mehr denn je in der Kritik. Doch die interne Wahrnehmung ist eine andere. Was sind die Gründe dafür?

StuttgartAuch Hartmut Jenner hat es noch rechtzeitig zur Aufsichtsratssitzung des VfB Stuttgart geschafft. Obwohl er einen weiten Weg hatte. Aus Moskau ist der Kärcher-Chef gekommen, wo der Unternehmensleiter zuvor geschäftlich zu tun hatte. Zweieinhalb Stunden saß das Kontrollgremium dann am Mittwochabend im Clubzentrum zusammen. Einerseits um den Schock des Abstiegs aus der Fußball-Bundesliga zu verarbeiten. Andererseits um das Unfassbare doch ein wenig begreifen zu können und daraus neue Leitlinien zu formulieren.

Viel wurde diskutiert. Trotz aller Emotionalität in sachlich-konstruktiver Atmosphäre, wie es heißt. Im Zentrum: Wolfgang Dietrich, Vereinspräsident und Aufsichtsratsvorsitzender. Am Ende flossen die Gedanken der sechs anwesenden Mitglieder in eine Mitteilung, die den umstrittenen VfB-Boss stärkt. „Der Aufsichtsrat ist mit der sportlichen Entwicklung der vergangenen Saison in hohem Maße unzufrieden. Er ist aber der Überzeugung, dass die im Februar eingeleitete Neuausrichtung des Sportbereichs die Voraussetzungen für eine positive sportliche Entwicklung gewährleisten.“

Ziel sofortiger Wiederaufstieg

Sofortiger Wiederaufstieg lautet das Ziel. Mit dem frisch installierten Triumvirat Thomas Hitzlsperger, Sven Mislintat und Tim Walter soll es erreicht werden. „Ich möchte meinen Job so gut wie möglich erledigen“, sagt Sportvorstand Hitzlsperger, der sich Mislintat als Sportdirektor an seine Seite geholt hat. Mit der Kernkompetenz Kaderplanung ist der 46-jährige Kamener ausgestattet. Gemeinsam haben sie Walter als künftigen Chefcoach verpflichtet, der sich nun dem Aufsichtsrat vorgestellt hat.

Mit Karachofußball und wenig Kompromissbereitschaft soll es beim VfB sportlich vorwärtsgehen. Personell vertraut der Aufsichtsrat mit Blick auf das große Ganze weiter Dietrich und dem Vorstand der ausgegliederten Fußball AG. „Basierend auf unserer finanziellen Stabilität brauchen wir, um einen schnellen Wiederaufstieg zu schaffen, eine klare Führungsstruktur und Handlungsfähigkeit. Das haben wir“, erklärt Jenner und schaut auf die wirtschaftliche Seite der Mission. Ihn hatte unter anderem auch die Sorge früher aus Russland zurückfliegen lassen, ob Dietrich bei all dem Gegenwind noch zu seinem VfB-Mandat steht.

Für den Sportbereich betont der Ex-Profi Hermann Ohlicher: „Wolfgang Dietrich hat mit seinen Vorschlägen, Thomas Hitzlsperger in das Amt des Sportvorstands zu berufen und Sven Mislintat als Sportdirektor zu holen, den Weg für einen sportlichen Neuanfang aufgezeigt.“

Somit wird klar, dass Dietrichs Arbeit intern anders wahrgenommen wird als außen. Der 70-Jährige hat Hitzlsperger lange protegiert. Und als sich abzeichnete, dass es mit Michael Reschke nicht mehr weitergehen sollte, war der frühere Nationalspieler bereit, in die Verantwortung zu gehen. Das war im Februar, als nach dem 0:3 in Düsseldorf Reschke den von ihm selbst wenige Monate zuvor installierten Trainer Markus Weinzierl wieder loswerden wollte. Letztlich musste Reschke zuerst gehen, da der VfB in dieser Phase nicht als Trainerfresser dastehen wollte und dem Rheinländer Defizite in der Kommunikation vorgeworfen wurden.

Dietrich hat diesen Schnitt eingeleitet und er war maßgeblich daran beteiligt, dass in Mislintat eine in der Branche anerkannte Fachgröße gekommen ist. Lange hielt er den Kontakt zu dem früheren Chefscout von Borussia Dortmund und des FC Arsenal. Dennoch ist die Kritik an Dietrich nicht verstummt. Im Gegenteil. Sie wurde von einem Teil der Fans immer lauter und unerbittlicher. In ständigen Dietrich-raus-Rufen und -Plakaten während der Spiele zu hören und zu sehen.

An Dietrich nagt das, weil er sich mit Herzblut für den VfB einsetzt und versucht, ihn für die Zukunft fit zu machen. An seiner Grundhaltung ändern die vielen Attacken und Rücktrittsforderungen jedoch nichts. Dietrich will bleiben. Gerade jetzt, da der Traditionsverein zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren tausend Tränen tief gestürzt ist. Das ist sein Verständnis eines Wahlamtes: Es gibt eine Satzung, an die er sich hält und die für ihn unabhängig von Stimmungen Gültigkeit besitzt – und gemäß ihr wurde der Präsident für vier Jahre gewählt.

„Vollstes Vertrauen“

Ein paar Hundert Meter weiter in der Mercedesstraße teilt man diese Ansicht, da Dietrich weder die Mannschaft aufgestellt noch den Kader zusammengestellt hat. „Daimler steht mit Leidenschaft und Herzblut hinter dem VfB Stuttgart“, sagt Ola Källenius, der Vorstandsvorsitzende des Autokonzerns. „Wir haben vollstes Vertrauen in den Verein, den Präsidenten und den gesamten Vorstand. Wir werden das Projekt Wiederaufstieg mit aller Kraft unterstützen.“ Ein Statement, das der Aufsichtsratssitzung vorausgegangen war. Abgestimmt mit dem VfB, aber auch klar in der Rolle des Ankerinvestors und Hauptsponsors, der erst kürzlich seinen Vertrag bis 2023 verlängert hatte. Die Botschaft: Daimler hält dem VfB die Treue – und Dietrich für den geeigneten Chef.