VfB-Trainer Markus Weinzierl Foto: Baumann - Baumann

Markus Weinzierl gastiert mit dem VfB Stuttgart beim Tabellenführer in Dortmund, gegen den er im Oktober seinen Einstand gegeben hat. Was hat er seitdem bewirkt?

StuttgartD

ie Zeit des Wechselns ist vorbei. Was passt, wird so beibehalten. Auf dem Feld – und bei der Kleiderwahl für die Pressekonferenz vor der Partie. Markus Weinzierl, der abergläubische Trainer des VfB Stuttgart, hatte in den vergangenen Monaten dabei stets eine andere Sportjacke aus dem Sortiment des Bundesligisten präsentiert. Mit dem weißen Modell „Stadion Jacke 18/19“ hat er jetzt offenbar sein Glück gefunden. Weil es zuletzt bei Werder Bremen (1:1) und gegen Hannover 96 (5:1) – erstmals in dieser Saison – zweimal nacheinander mit Erfolgserlebnissen geklappt hatte, blieb er auch vor dem Auftritt am Samstag (15.30 Uhr) bei Tabellenführer Borussia Dortmund bewusst bei dieser Jacke.

Gegen den BVB bestritt er im Oktober sein erstes Spiel als VfB-Coach, 17 Partien hat er nun hinter sich. Eine Halbserie also. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Auftreten: Weinzierl ist ein Typ ohne Schwankungen. Immer ruhig und sachlich, stets höflich. Egal wie unangenehm die Fragen auch sein mögen, er verliert nie die Contenance. Überschwängliche Gefühlsausbrüche oder Kampfansagen sind nicht sein Ding. Langweilig und leidenschaftslos kann das wirken. Doch der Straubinger ist einfach, wie er ist – bayerisch bodenständig.

Auch in den schwierigen vergangenen Wochen, als seine Weiterbeschäftigung am seidenen Faden hing, blieb er sich treu. „Es ist eine schöne Drucksituation als Trainer, in der du reifen kannst und auch wächst, denke ich. Dass es nicht angenehm ist und man es sich anders wünscht, ist klar“, sagt Weinzierl zu der Phase. „Es ist ein Job, in dem es eigentlich nur schön ist, wenn du gewinnst und eine Zufriedenheit hast, die wir nicht haben, weil wir eben unseren Zielen hinterherhinken.“

Ehrlichkeit ist ihm sehr wichtig, was er auch akzentuierte, als er kürzlich von Journalisten dafür kritisiert wurde, den Rechtsverteidiger Pablo Maffeo öffentlich in den Senkel gestellt zu haben. Er verwies darauf, wiederholt gefragt worden zu sein und eben entsprechend geantwortet zu haben: „Ich will euch ja nicht anlügen.“

Mannschaftsführung: Wenn ihm etwas stinkt, so wie das fehlende Engagement von Pablo Maffeo, dann kann Weinzierl deutlich werden. Der 44-Jährige hat beim VfB in den vergangenen Monaten alle Register gezogen und damit seinen Job gerettet, ohne ein großartiger Motivationskünstler zu sein. Er hat die Spieler fitter getrimmt, die Disziplinzügel angezogen, eigene Fehler korrigiert und bewiesen, dass er keine Angst vor großen Namen hat. Das traf erst Holger Badstuber, vorübergehend auch Mario Gomez – und zuletzt Christian Gentner. Der VfB-Kapitän saß zuletzt dreimal zu Beginn auf der Bank, erstmals seit der Saison 2011/12.

Zwischenzeitlich schien Weinzierl das Team nicht mehr zu erreichen, die Darbietung in Düsseldorf (0:3) legte das nahe. Stattdessen flog Sportvorstand Michael Reschke – und Weinzierl bekam unter Nachfolger Thomas Hitzlsperger die Kurve. Ist es ein Zufall, dass es seit diesem Zeitpunkt aufwärts geht? „Ja“, sagt Weinzierl.

Spielidee: Nach einigem Ausprobieren und Aussortieren hat der Coach seine Elf gefunden. In der neuen 5-3-2-Grundordnung mit flexibler Ausrichtung spielen die Winterzugänge maßgebliche Rollen. Ozan Kabak hält als dritter Innenverteidiger im Defensivriegel die Abwehr dicht. Steven Zuber im Mittelfeld und Alexander Esswein im Sturm agieren variabel und verändern mit ihren Positionswechseln immer wieder die Struktur – was nur dank ihrer Lauf- und Willensstärke möglich ist. Sie stehen für die zuletzt gestiegene Intensität im Spiel. „Ich hatte mir gewünscht, dass es schneller fruchtet. Dem war nicht so, jetzt müssen wir schauen, dass wir es gut zu Ende bringen“, sagt Weinzierl. „Wir glauben, eine Formation und Mannschaft gefunden zu haben, die die richtige Mentalität und Einstellung hat.“

Er hat sehr lange gebraucht, bis jetzt zumindest mal in Ansätzen eine Handschrift zu erkennen ist. Vom Idealbild des Umschaltfußballs mit Wucht, den er angekündigt hatte, ist der VfB aber immer noch weit entfernt. Sein Plan aus der Winterpause mit einer Viererabwehrkette ist gescheitert, der neue greift besser. „Defensive Stabilität, vor allem auch im Kopf“, hat Weinzierl ausgemacht: „Meine Überzeugung ist, dass wir nicht nur verteidigen dürfen, sondern uns auch spielerisch entwickeln müssen.“ Das geht allerdings nur schleppend voran.

Punktausbeute: Der 5:1-Triumph über Hannover 96 war der erste Sieg in diesem Jahr, insgesamt sind unter Weinzierls Regie 14 Punkte in 17 Partien zusammengekommen. Das bewegt sich auf genauso schlechtem Niveau wie bei seinem Vorgänger Tayfun Korkut (fünf Punkte in sieben Partien). Es ist die Bilanz eines Absteigers. Doch weil die Hinterbänkler aus Nürnberg und Hannover derart schwach unterwegs sind, dürften die Stuttgarter zumindest von Rang 16 nicht mehr verdrängt werden. Ihr jüngster Aufwärtstrend schürt sogar Hoffnung, dass sie den Relegationsplatz noch verlassen können.

„Ich bin natürlich mit der Situation nicht zufrieden“, sagt Weinzierl. „Wir haben Fahrt aufgenommen. Am Ende zählt, ob wir unser Ziel erreichen oder nicht, da müssen wir alles dransetzen.“ Notfalls eben über einen Umweg. Ein Szenario, mit dem er sich schon beschäftigt hat: „Wenn wir Relegation spielen müssen, dann spielen wir sie – und gewinnen es eben da.“

Fazit: Summa summarum steht für Weinzierl im Zwischenzeugnis die Note 4-5. Das Erreichen des Klassenziels ist gefährdet, weil über weite Strecken der Saison geschludert wurde – der Trainer hat lange gebraucht, um das Team auf Kurs zu bringen. In den nächsten Partien bei Dortmund, gegen 1899 Hoffenheim und bei Eintracht Frankfurt wird sich zeigen, wie stark das zarte Pflänzchen schon ist. In der Hinrunde lauteten die Ergebnisse in den Vergleichen mit diesen Gegnern zu Weinzierls Einstand 0:4, 0:4 und 0:3. Aber da wirkte ja auch die weiße Jacke noch nicht.