Zweieinhalb Wochen nach seiner schweren Gesichtsverletzung beginnt Gentner mit leichtem Training. Er war im Spiel gegen den VfL Wolfsburg Mitte September von VfL-Torhüter Casteels bei einer Abwehraktion mit dem Knie getroffen worden und... Foto: dpa - dpa

Von Sigor Paesler

Stuttgart – Da sitzt er. Lächelt. Erzählt. Lächelt wieder. Beantwortet Fragen. „Es ist mir wichtig, mich hier wieder zu zeigen und zu sagen, dass es mir gut geht“, sagt Christian Gentner. Zuvor hat er sich über die sozialen Medien an die Öffentlichkeit gewandt. Das Interesse an seinem Gesundheitszustand war riesig. Die Genesungswünsche waren zahlreich. Zweieinhalb Wochen ist es her, dass der 32-jährige Kapitän des VfB Stuttgart in der Bundesliga-Begegnung gegen den VfL Wolfsburg das Knie von VfL-Torhüter Koen Casteels mit voller Wucht ins Gesicht bekommen und sich dabei mehrere Knochenbrüche zugezogen hatte. Zwei Operationen hat er seither hinter sich. Seit gestern ist er die Nasenschiene los und hat von den Ärzten die Erlaubnis, wieder leicht Sport zu treiben: „Den Kreislauf hochfahren“, wie er selbst sagt.

Gentner geht es gut. Und er sieht auch gut aus. Eine kleine Wunde unter dem rechten Auge, eine leichte Rötung an der Wange. Das war’s. Die Schmerzen „sind erträglich“. Vor allem bestätigt er nochmal persönlich, was die Ärzte nach wenigen Stunden des Bangens bereits an jenem 16. September erklärten: „Es wird nichts zurückbleiben. Es sind komplizierte Brüche, aber mein Auge hat nichts abbekommen, es gab kein Ödem, mein Schädel ist in Ordnung. Man kann schon sagen, dass es verhältnismäßig glimpflich gelaufen ist.“ Eine Mittelgesichtsfraktur, so der Fachbegriff. Eine, die heilt.

Eitel ist der 32-Jährige jedenfalls nicht. „Es wäre für mich nicht schlimm, mit ein paar Narben zu leben“, sagte er. Aber selbst das, haben die Ärzte erklärt, ist nicht zu erwarten. Gentner wirkt körperlich fit. Und mental stabil. Solch eine schwere Verletzung kann auch etwas anderes mit einem Menschen machen. Er ist reflektiert, so wie man ihn kennt. „Ich möchte, klar, so schnell wie möglich wieder auf dem Platz stehen“, sagt er und macht sich gleichzeitig keinerlei Druck, was den Zeitpunkt betrifft. So, wie ihm auch von Trainer- und Vereinsseite kein Druck gemacht wird. „Ob es psychisch ein Problem gibt, wenn ich wieder spiele, kann ich nicht sicher sagen“, erklärt er. „Ich sitze jetzt hier und sage, dass ich das nicht glaube. Ich habe keine Angst. Ich habe keine Bedenken.“

Dramatische Bilder

Die Anteilnahme von Freunden, Fans, Kollegen, Prominenten hat Gentner überrascht. Sie hat ihm in den Tagen erst die Tragweite der Verletzung verdeutlicht. Und die Dramatik der Bilder. Ein paar Mal hat er sich die Szene angeschaut, wie Casteels in ihn hineinrauscht. Es sah schlimm aus. Für seine engsten Angehörigen waren die Stunden der Ungewissheit schwer. Auch ihnen, so erzählt er, hat sein schnell wiedergewonnener Humor geholfen.

Gentner selbst erinnert sich an den Zusammenprall nicht. Im Krankenhaus wusste er dann aber zumindest recht schnell wieder, „was ich an dem Nachmittag sonst so gemacht habe“. VfB gegen Wolfsburg, es blieb beim 1:0. „Wenn es mein Bruder gewesen wäre, wäre ich da emotional anders drin“, sagt er heute. „Bei mir selbst weiß ich ja, wie es mir geht. Es geht mir gut.“

Gentner denkt auch an Casteels, den Torhüter. „Ich hoffe, dass er sich nicht zu viele Gedanken macht“, sagt er. „Es war ein ganz unglücklicher Zusammenprall, ein Zufall, seine Aktion ging voll gegen den Ball.“ Noch am Abend nach dem Spiel erkundigte sich der Belgier bei Gentners Frau nach seinem Zustand, seither hatten sie zwei Mal Kontakt. „Ich mache ihm keine Vorwürfe.“ Wie auch Schiedsrichter Guido Winkmann, der in der Situation die Schwere der Verletzung nicht erkannte und weiterspielen ließ. Und sich dafür bei Gentner entschuldigte. „Das ist die menschliche Komponente“, sagt dieser.

Gentner weiß, dass seine Angehörigen in den Tagen nach dem 16. September nur interessierte, wie es ihm geht. Die Öffentlichkeit diskutierte derweil auch darüber, ob Winkmann auf Strafstoß und Rote Karte gegen Casteels hätte entscheiden müssen. Gentner hat auch dafür Verständnis. Und auch dazu eine differenzierte Meinung. „Ich bin da zwiegespalten. Man hätte Elfmeter geben können“, sagt er. „Als Wolfsburger Spieler hätte ich mich aber darüber geärgert.“

Christian Gentner ist wieder da. Er hat mit leichtem individuellen Training zumindest in der räumlichen Nähe zur Mannschaft begonnen. Bis die Brüche ganz verheilt sind, dauert es. Er wird irgendwann mit einer Gesichtmaske auflaufen. Wenn er an Wolfsburg und Koen Casteels denkt, sagt er lächelnd: „Wir hoffen, dass wir in der Rückrunde beide wieder auf dem Platz stehen.“