Tayfun Korkut Foto: dpa - dpa

Der Deutsch-Türke hatte in Stuttgart keinen leichten Start, ist mit der Mannschaft bislang aber erfolgreich

Stuttgart Vor dem Duell des VfB Stuttgart mit Eintracht Frankfurt an diesem Samstag (15.30 Uhr) gibt der neue Chefcoach Tayfun Korkut (43) Einblicke in sein Seeelenleben als Fußballtrainer.

Herr Korkut, ein Argument der Vereinsführung für Sie als neuen Trainer war der Trumpf Stuttgart. Inwieweit bedeutet die Stadt für Sie Heimat?
Ich bin hier aufgewachsen. Natürlich haben die Stadt und die schwäbische Kultur mich geprägt. Positiv geprägt. Verantwortung, Disziplin, Gründlichkeit – das sind alles Werte, die ich hier vermittelt bekommen habe. Auch die vielleicht typischste schwäbischste Eigenschaft – das Bruddeln – liegt mir nicht ganz fern. Ihr wohnt ja der kritische Geist inne. Auch das ist ein Teil von mir.

Und der andere Teil? Eher türkisch geprägt?
Ganz klar. Ich kann auch emotional werden, wenn Sie das meinen. Von allem etwas. In Deutschland war ich immer der Türke, in der Türkei der Deutsche. Und in Spanien, wo ich sieben Jahre lang war, war ich eben der Deutsch-Türke. Die Spanier liegen in ihrem Wesen irgendwo zwischen den rationalen Deutschen und den impulsiven Türken. Sie sind entspannter – so wie ich.

Mit sieben Punkten aus den ersten drei Spielen bestätigen Sie gerade ein altes Sprichwort: Neue Besen kehren gut. Welche Erklärung haben Sie dafür?
Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Weil die Situation jedes Mal eine andere ist. Ein Motto für Drucksituationen habe ich aber in meiner bisherigen Trainerlaufbahn verinnerlicht: Wenn alles wichtig ist, ist nichts mehr wichtig.

Das heißt?
Dass man sich nur auf das Wesentliche konzentrieren und um die wichtigsten Baustellen kümmern sollte. Gerade in so einer schwierigen Situation, in der wir uns derzeit befinden. Es darf einzig um das Ziel Klassenverbleib gehen – und um nichts anderes.

Was konnten Sie in der Kürze der Zeit vermitteln?
Wir haben es in den vergangenen Wochen geschafft, eine klare Ordnung in unser Spiel zu bringen. Jeder auf dem Platz weiß, was er zu tun hat. Bislang hat die Mannschaft auf bestimmte Situationen im Spiel die richtigen Antworten gefunden. Das ist zunächst einmal eine gute Basis – die sich auch in den Ergebnissen widerspiegelt. Und für Ergebnisse gibt es keinen Ersatz.

Wofür steht der VfB in Ihren Augen?
In den ersten Gesprächen mit dem Vorstand und dem Präsidenten habe ich gespürt, dass die Verantwortlichen klare Vorstellungen davon haben, wohin sich der VfB entwickeln soll. Die Jugendarbeit ist ein Teil der Kultur des Vereins. Der wird auch nie verloren gehen. Aber wie schon gesagt: Vor allen Ideen und Prozessen steht im Moment das alleinige Ziel, den VfB in der Bundesliga zu halten.

Um dieses Ziel nicht zu gefährden, wurde Hannes Wolf entlassen. Als Nachfolger des bei den Fans beliebten Ex-Trainers hatten Sie zunächst einen schweren Stand. Wie haben Sie die Reaktionen im Umfeld wahrgenommen?
Natürlich bekommt man mit, wenn der Wind etwas stärker bläst. Aber das bringt mich nicht aus der Ruhe. Ich habe mich sofort auf das fokussiert, was ich beeinflussen kann: die tägliche Arbeit mit der Mannschaft.

Vor dem ersten Spiel galten Sie als Erfolglos-Trainer, nach zwei Siegen in Folge werden Sie von den ersten Fans schon gefeiert. Verrücktes Geschäft . . .
Das Geschäft ist, wie es ist. Wer das nicht aushält, muss zu Hause bleiben. Aus meiner Zeit in der Türkei bin ich ganz anderes gewohnt. Wenn du gewinnst, bist du der König. Wenn du verlierst, beziehst du sprichwörtlich Prügel.

Das erfordert ein dickes Fell.
Ich kann damit gut leben.

Warum?
Weil Emotionen in beide Richtungen zum Fußball dazugehören.

Wie gehen Sie mit extremen Ausschlägen um?
Indem ich als Trainer und als Mensch immer derselbe bleibe. Ganz egal, ob ich gerade Erfolg habe oder nicht. Deshalb werden Sie mich nach Siegen auch nicht vor der Fankurve feiern sehen.

Weil die ständigen Aufs und Abs immun machen gegen Stimmungen?
Eher, weil man daraus die Eigenschaft entwickelt, seine Emotionen besser zu kontrollieren.

Das hilft gegen Druck?
Ja. Und Erfahrung. Ich hatte immer Druck in meinem Leben.

Erzählen Sie.
In meiner Zeit als Spieler und Trainer war alles dabei. Ob ganz am Anfang meiner Karriere, aber auch später in den verschiedenen Mannschaften und Ländern gab es Erfolge, Misserfolge, Zittern um den Klassenverbleib, Kämpfen um die Meisterschaft. Sich durchsetzen müssen, resistent sein, das war bei mir immer gefragt. Das habe ich als Spieler gelernt, und davon profitiere ich jetzt als Trainer.

Was auf einem heißen Stuhl wie in Stuttgart hilfreich sein kann.
Es ist von Vorteil, in der ersten Krise nicht zu erschrecken. Druck ist mein ständiger Begleiter (zeigt auf seinen Nacken). Hier sitzt er! Die Frage ist immer, wie gehe ich mit ihm um? Ab und zu nehme ich ihn in den Schwitzkasten, dann lasse ich ihn wieder in Ruhe. Hin und wieder lässt auch er mich mal in Ruhe.

Wie nach der kleinen Erfolgsserie jetzt.
Dann schläft er vielleicht sogar mal (lacht).

Welche Ziele haben Sie noch in Ihrem Trainerleben?
Die Ziele mit dem VfB zu erreichen. Und ich möchte in den stärksten Ligen der Welt arbeiten und mich mit den Besten messen – wie jetzt in der Bundesliga.

Was beschäftigt Sie außer Fußball?
Meine Familie. Meine Frau und ich haben drei Kinder und damit viel Verantwortung.

Ihre Kinder freuen sich sicher, dass Ihr Vater jetzt erst einmal in Stuttgart bleibt.
Nach zwölf Umzügen in den vergangenen 15 Jahren hätten wir alle nichts dagegen, etwas länger zu bleiben.

Das Gespräch führten Dirk Preiß und Gregor Preiß.

Zur Person

Tayfun Korkut wurde 1974 in Stuttgart geboren. Er wuchs in Ostfildern auf und begann beim TB Ruit mit dem Fußballspielen. 1994 wechselte er zu den Stuttgarter Kickers. Seine weiteren Stationen als Spieler: Fenerbahce Istanbul, Real San Sebastian, Espanyol Barcelona, Besiktas Istanbul, Gençlerbirligi Ankara.

2007 begann er seine Trainertätigkeit in San Sebastian. Fortan coachte er bei folgenden Clubs: 1899 Hoffenheim (U 17), VfB (U 19), A-Nationalmannschaft Türkei (Co-Trainer), Hannover 96, 1. FC Kaiserslautern, Bayer Leverkusen. Am 29. Januar löste er beim VfB Stuttgart Hannes Wolf ab.

Korkut ist mit einer Spanierin verheiratet und hat drei Kinder.