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Unsere lokalen Handball-Klubs rechnen nach der WM-Euphorie nur mir einem geringfügigen Effekt. Sportart im Fernsehen zu wenig vertreten.

Bad CannstattZweieinhalb Wochen war die deutsche Handball-Nationalmannschaft Gesprächsthema Nummer 1. Der symphatische, engagierte und erfolgreiche Auftritt der Spieler sorgte für große Begeisterung und Euphorie im Land. Nahezu so häufig wie die Bälle in den Toren einschlugen, wurde auch die Nachhaltigkeit der positiven Darbietungen der Prokop-Truppe hochbeschworen. Sprich, dass der Schwung der Weltmeisterschaft genutzt werden solle, um einen Handball-Boom auszulösen. Nichts dagegen hätten darüber sicherlich die kleineren Vereine, also die Macher an der Basis der Sportart. Doch ist ein Aufschwung auch tatsächlich zu erwarten? Wir fragten bei unseren lokalen Handball-Clubs nach, ob sie große Erwartungen in Sachen Mitgliederzuwachs haben.

Marko Baisch, der Vorstand der HSG Oberer Neckar, erwartet „durchaus das ein oder andere neue Gesicht in seinem Verein“. Aktuell wisse er zwar nicht, ob sich bislang Kinder aufgrund der WM zum Schnuppertraining eingefunden hätten, aber er erinnert sich an vergangene Erfolge der DHB-Auswahl. Zum Beispiel den EM-Sieg 2016. „Der Titel hat damals durchaus Eltern dazu bewogen, ihren Nachwuchs bei uns vorbeizuschicken“, so Baisch. Genau beziffern kann er das aber nicht. „Es waren nicht viele. Aber immerhin. Ich rechne deshalb erneut mit einigen wenigen neuen Mitgliedern.“ Dass sich die Euphorie jedoch längere Zeit hält und kontinuierlich Kinder sich den Vereinen anschließen werden, das bezweifelt Baisch. „Da müsste schon die Erfolgsserie der deutschen Nationalmannschaft anhalten, sie im nächsten Jahr bei der EM und den Olympischen Spielen um die Medaillen mitspielen.“ Zusätzlich müsste Handball in den Medien dauerhaft stärker präsent sein. „So lange die öffentlich-rechtlichen Sender – außer bei internationalen Großveranstaltungen – nichts vom Handball bringen und der Sport nur im Bezahl-Fernsehen zu sehen ist, wird die Euphorie schnell wieder abebben.“

Ähnlich sieht das auch Wolfgang Junker, der Abteilungsleiter der HSG Cannstatt-Münster-Max-Eyth-See. „Im Fernsehen wurde häufig über die Euphorie berichtet und die Sportart müsse diese nun nachhaltig für sich nutzen. Doch gerade die, die darüber geredet haben, zeigen nun wieder keinen Handball mehr“, ärgert sich Junker. Er erwartet von der gelungenen WM für seinen Klub indes keinen Mitgliederzuwachs. „2007 begeisterte das Team nicht nur, sondern holte auch noch den Titel. Aber auch das hat sich nicht bemerkbar gemacht.“ Vielmehr würden die Kooperationen mit Schulen, im Speziellen der Grundschulaktionstag, der einmal im Jahr stattfindet und sich an Schülerinnen und Schüler der Klassen 1 und 2 richtet, etwas bringen. „Bislang haben wir von dieser Aktion immer so um die fünf Kinder neu begrüßen dürfen, zuletzt waren es für die Minis sogar elf. Das ist sehr erfreulich.“ Diese Aktion hält auch Baisch für eine gute. „Unsere zwei Kooperationen mit Schulen sind nicht so ergiebig wie der Grundschulaktionstag.“

„Der Auftritt der Nationalmannschaft war Werbung für unseren Sport“, sagt Stephan Perl, der Abteilungsleiter des TV Obertürkheim. Es bliebe jedoch abzuwarten, was hängen bleiben und ob sich dies im Kinderbereich bemerkbar machen werde. Er geht aber ebenfalls davon aus, dass die Kinder dem TVO aufgrund der WM nicht die „Bude“ einrennen werden. „Es wird sich vermutlich schon etwas tun, wobei der Zuwachs schwer messbar sein wird.“ Auch beim TVO ist man sich bewusst, dass neue Mitglieder nur durch Eigeninitiative gewonnen werden können. „Im Sommer haben wir im Rahmen unseres Turniers ein Schnuppertraining angeboten. Da konnten wir Kinder gewinnen. Ähnliches gelingt über den Grundschulaktionstag.“

Sollte wider Erwarten doch der Kinder-Ansturm auf die Vereine erfolgen, sieht Baisch zumindest bei der HSG Oberer Neckar ein Problem: „Aufgrund des Ganztagesschulbetriebs mussten wir die Trainingszeiten der Kleinsten, also der Minis, in den Abend verschieben. Das kollidiert teilweise mit den Trainingszeiten älterer Jugenden und großen Spielraum in Sachen Hallenkapazitäten haben wir nicht.“