Der Stuttgarter Schiedsrichter Rudolf Kreitlein musste bei der WM 1966 per Polizeischutz vom Feld begleitet werden. Das rechte Foto zeigt den aktuellen Stuttgarter Bundesliga-Schiedsrichter Martin Petersen.Archiv Fotos: dpa Quelle: Unbekannt

Bad Cannstatt - Die Schiedsrichtergruppe Stuttgart feiert morgen in der Untertürkheimer Sängerhalle ihr 100-jähriges Bestehen. Diese gründete sich also 1917 unter dem Namen des betreffenden Gaues - Schiedsrichter-Vereinigung der Gaue Stuttgart und Wilhelma. Die Gründung ging von dem Schweizer Jaques Hirrle aus, der als Schriftführer zusammen mit dem Vorsitzenden Richard Rüdiger als erster die Schiedsrichter-Vereinigung führte. Die Stuttgarter können stolz auf ihr Jahrhundert sein, hat man doch gute Schiedsrichter hervorgebracht und zeichnet für wichtige Veränderungen im Fußball verantwortlich.

Von Torsten Streib

Gelbe und Rote Karten gehören seit Jahrzehnten zum Fußball-Alltag wie Tore und Punkte. Doch wer hatte die Idee dazu? Rudolf Kreitlein, der ab der Saison 1962/63 als DFB- und FIFA-Schiedsrichter im Einsatz war. Er gehörte der Schiedsrichter Gruppe Stuttgart an und verstarb 2012 im Alter von 93 Jahren. Bei der WM 1966 leitete Kreitlein die Partie Argentinien gegen Gastgeber England. Dabei fühlte er sich vom „Gaucho-Kapitän“ Antonio Rattín beleidigt, stellte diesen per Geste vom Platz - anders ging es damals nicht. Wegen Missverständnisse gab es Tumulte. Nach dem Abpfiff musste Kreitlein von der Polizei vom Feld begleitet werden. Im Stau auf dem Rückweg ins Londoner Hotel kam Kreitleins englischem Schiedsrichterbetreuer Ken Aston aufgrund der vielen Verkehrsampeln die Idee, Gelbe und Rote Karten als weltweit verständliche Symbole zu benutzen. Kreitlein fand den Vorschlag super, unterbreitete ihn der FIFA und 1970 wurde das Farbenspiel umgesetzt.

Das Spiel Wolfsburg - Mönchengladbach am 10. Mai 2014 beziehungsweise sein 300. Einsatz bedeutete auch der letzte für Jan Salver als Assistent in der Bundesliga. Salver war aber nicht nur in den Deutschen Stadien anzutreffen, sondern auch auf der internationalen Fußballbühne Dauergast. Bei der Europameisterschaft 2004 assistierte der Stuttgarter Markus Merk im Finale Portugal gegen Griechenland. Bei der Heim-WM war er drei Mal an der Linie, ebenso hielt er - dieses Mal im Team von Wolfgang Stark - bei der WM in Südafrika die Fahne in die Höhe. Mehr als 50 Champions Lauge und drei DFB-Finale fanden mit Salvers Beteiligung statt. In all den Jahren gingen noch weitere erfolgreiche Schiedsrichter aus der Stuttgarter Gruppe hervor: Unter anderem Fritz Seiler, Horst Joos, Dieter Walheim, Wolfgang Schweickhardt, Hans Wolf und Christoph Bicheler.

Aktuell pfeifen aus der Stuttgarter Schiedsrichtergilde Markus Schmidt und Martin Petersen in der Bundesliga, Markus Sinn ist als Assistent in der Deutschen Belle-Etage im Einsatz. Asmir Osmanagic kommt in der 2. Liga zum Einsatz. In der ersten Frauen-Bundesliga ist Melissa Joos aus Echterdingen an der Pfeife, Ülfet Car und Diana Ehmig sind Assistenten in der 1. beziehungsweise 2. Frauen-Bundesliga. „Die Gruppe besteht derzeit aus rund 380 Unparteiischen“, sagt Obmann Peter Schreiner, der jedem eine Schiedsrichter-Tätigkeit, auch Jugendlichen, empfiehlt, weil die Ausübung „unter anderem das Durchsetzungs- und Beurteilungsvermögen verbessern, man Menschenkenntnis aufbauen kann, weil man es mit unterschiedlichen Spielercharakteren zu tun bekommt und man lernt, Entscheidungen sicher zu treffen und diese auch nach außen zu verkaufen. Dinge, die man am auch im Berufsleben brauchen kann.“

Seit 2006 ist Schreiner nun im Amt und in der 100-jährigen Geschichte der 18. Obmann. Das Wirken seines Vorgängers Thomas Weyhing - mittlerweile Ehrenobmann - begann 1990. „Nicht nur, dass in unserem Bezirk die Ausbildung, auch durch eine Jugendschiedsrichtergruppe, die wir in den 90er-Jahren initiiert haben, sehr gut ist, hat die Stuttgarter Gruppe auch die Technisierung vorangetrieben“, sagt Thomas Weyhing. Rund 7500 Schiedsrichtereinteilungen wurden früher üblicherweise per Stift und Papier vorgenommen. „Eine Höllenarbeit und wir waren damals Vorreiter, haben ein EDV-Programm zur Einteilung entwickelt, das dann später vom WFV übernommen und weiterentwickelt wurde“, erinnert sich der 63-Jährige.