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Bad Cannstatt & Neckarvororte

Lebendiger Austausch in vielen Sprachen in Bad Cannstatt

Die Rollende Bücherei vom Haus der Familie ist ein Bücherregal auf Rädern, das zu den Menschen im Stadtbezirk kommt.

Lebendiger Austausch in vielen Sprachen in Bad Cannstatt

Die Rollende Bücherei mit Petra Löffler (Mitte), bringt die Geschichten zu den Menschen. Fotos: Eva Herschmann

Es herrscht ein kunterbuntes Sprachgewirr im Untergeschoss des Gemeindezentrums der Liebfrauenkirche in Bad Cannstatt. Das Regenwetter hat die kleinen und großen Leseratten vom Hof in den geräumigen Saal vertrieben, wo sie sich sonst im Sommer bei schönem Wetter zum Vorlesen in verschiedenen Sprachen treffen. 

Vor fünf Jahren hat Petra Löffler, Mitarbeiterin im Haus der Familie in der Ewertstraße, das Projekt ins Leben gerufen. Im Rahmen ihrer Zusatzqualifikation zur Elternbegleiterin, hatte sie die Idee, Bilderbücher niederschwellig an die Menschen zu bringen. Aus den „Bilderbüchern aus dem Koffer“ ist die Rollende Bücherei geworden, ein Bücherregal auf Rädern mit inzwischen mehr als 700 internationalen Bilderbüchern in insgesamt 36 Sprachen, die zumeist aus Spenden finanziert oder von ausländischen Familien von Besuchen in der Heimat mitgebracht werden. Und die Rollende Bücherei ist zugleich ein offenes Eltern-Kind-Angebot für Familien aus dem Cannstatter Stadtbezirk. Im Juni und Juli gastiert die Rollende Bücherei seit drei Jahren immer donnerstags von 16 bis 18 Uhr unter dem Motto „Sommerlesen“ auf dem Hof der Liebfrauengemeinde – und bei schlechtem Wetter geht es eben in den Saal im Untergeschoss des Gemeindehauses in der Wildunger Straße 55. Diesmal sind mehr als 30 Mädchen und Jungen im Alter bis zu zwölf Jahren aus verschiedenen Ländern mit ihren Eltern oder Großeltern gekommen. Weniger seien es nie, oft sogar noch viel mehr, erzählt Petra Löffler. „Und es sind rund 15 verschiedene Nationalitäten, die regelmäßig kommen.“ 

Großer Fundus

Diesmal hat die ausgebildete Erzieherin und systemische Beraterin vom Haus der Familie aus dem reichhaltigen Fundus an Bilderbüchern in verschiedenen Sprachen den Klassiker „Die dumme Augustine“ von Otfried Preußler ausgewählt. Während Petra Löffler abschnittsweise auf Deutsch aus dem Buch vorliest, erzählen Eva Masaguer Velasco auf Spanisch und Sandrin Mikho aus dem Irak auf Arabisch, deren Muttersprache eigentlich Aramäisch ist, die mehr als 50 Jahre alte Geschichte. 

Die Mädchen und Jungen sitzen auf dem Boden vor den Frauen und lauschen mit offenen Augen und Ohren. Auch wenn nicht alle jedes Wort verstehen, das Petra Löffler und die beiden anderen Frauen vorlesen. Denn es sind viele Nationalitäten versammelt, so sind sie doch voll konzentriert dabei. Die bunten Bilder sprechen schließlich zu allen, egal aus welchem Land und egal ob groß oder klein. 

In der Rollenden Bücherei wird Spanisch, Arabisch, Türkisch, Mazedonisch, Russisch und Griechisch gesprochen, und je nachdem, wer da ist, auch weitere Sprachen. Fachlich gesehen handle es sich um ein „aufsuchendes (früh-)pädagogisches Eltern-Kind-Angebot mit den Schwerpunkten Sprach- und Leseförderung, Bilingualität, Interkulturalität und Inklusion“, erklärt Anne Ruckhaberle vom Haus der Familie, die das Projekt „Zusammen im Stadtteil – Elternbegleitung in Bad Cannstatt“ koordiniert. Es entstehe ein Austausch, sowohl unter den Kindern als auch unter den Eltern, Neues werde gelernt, und die Familien würden in Kontakt mit anderen Sprachen und Kulturen kommen. „Und es ist einfach ein sehr lustiger und lebendiger Treffpunkt für alle Familien aus dem Stadtteil.“ Neben dem treuen Stammpublikum erreichten sie damit auch Familien, die das Haus der Familie als Stadtteil- und Familienzentrum und Familienbildungsstätte noch nicht kennen würden. „Sie stolpern praktisch auf dem Weg von der Kita zum Spielplatz über unsere Picknickdecken mit Büchern und kommen dann gerne immer wieder, auch zu anderen Angeboten.“ 

Noch zweimal ist die Rollende Bücherei, die über Fördergelder des Landesprogramms STÄRKE finanziert wird, das bedarfsgerechte Familienbildungsangebote vor Ort unterstützen soll, in diesem Sommer bei der Liebfrauenkirche. Nach den Herbstferien startet dann im November wieder das „Herbst-/Winterlesen“ donnerstags von 16 bis 18 Uhr im Raum 5 im Haus der Familie. Doch noch ist Sommer, und am 18. Juli steht das Kinderbuch „Der Dachs hat heute Langeweile“ im Mittelpunkt, eine Woche später, am 25. Juli, heißt es „Wer hat mein Eis gegessen?“. Und neben dem Vorlesen gibt es immer noch ein Bastelangebot dazu, das zur Geschichte passt. 

Zur Zirkusgeschichte von der dummen Augustine hat Petra Löffler Materialien für Jonglierbälle aus Reis und Luftballons mitgebracht. „Beim Basteln kommen immer alle miteinander ins Gespräch, da geht es sehr lebendig zu, und die Kinder lernen viel voneinander“, sagt Petra Löffler. Aber auch unter den Müttern und Vätern, die regelmäßig kommen, würden Beziehungen entstehen. „Auch das ist das Schöne daran.“ Eva Hetschmann