Denken Sie ruhig groß“, rät Karl-Eugen Ebertshäuser dem Besuch aus Stuttgart.„Ich würde das auf jeden Fall bis zur Wilhelma angehen.“ Er spricht dabei von einer möglichen Landesgartenschau in den Oberen Neckarvororten von Rohracker über Hedelfingen und Wangen mit dem Hafenareal den Neckar entlang bis eben zum einzigen Zoologisch-Botanischen Garten in ganz Deutschland als zusätzlicher Attraktion. „Das würde Stuttgart meiner Meinung nach guttun.“ Ebertshäuser weiß, wovon er spricht, hat er doch gerade als Geschäftsführer eine ausgesprochen erfolgreiche Landesgartenschau in Wangen im Allgäu zu Ende gebracht.
Der 66-Jährige gilt als einer der erfahrensten Gartenschau-Planer im Land, seine erste war in Plochingen im Jahr 1998, weitere wie beispielsweise in Schwäbisch Gmünd 2014 oder im Remstal 2019 folgten. Und in Stuttgart kennt er sich ohnehin bestens aus, schließlich ist er gebürtiger Bad Cannstatter und lebt nach wie vor dort. Er ist also als Ratgeber für Hedelfingen und Wangen prädestiniert. Und deswegen hat er auch eine kleine Gruppe von Bezirksbeiräten aus den beiden Stadtbezirken gerne persönlich über das Gartenschau-Gelände in Wangen im württembergischen Allgäu geführt. Die Initiative dafür hatte der Hedelfinger Bezirksvorsteher Kai Freier ergriffen.
Bei ihrem mehrstündigen Besuch haben die Kommunalpolitikerinnen und -politiker einen Eindruck von den Dimensionen einer solchen Landesgartenschau bekommen. In Wangen wurden rund 89 Millionen Euro investiert, 36 Millionen Euro brachte die Stadt auf, der große Rest kam aus ganz unterschiedlichen Fördertöpfen. Allein diese Summen zeigen schon, dass Landesgartenschauen inzwischen vor allem Stadtentwicklungsprojekte sind. In Wangen ist so ein ganz neuer Stadtteil entstanden, mit rund 400 neuen Wohnungen überwiegend in Holzbauweise, rund 500 neuen Arbeitsplätzen in den wiederbelebten, sanierten und erweiterten Gebäuden auf dem wirklich großen Areal der ehemaligen Baumwollspinnerei und -weberei ERBA, mit einem neuen Park, der die Altstadt mit dem neuen Stadtteil verbindet, einem renaturierten und revitalisierten Fluss, der Argen, zehn neuen Brücken, nachhaltigen Spielplätzen, einem spektakulären und gerade auch ausgezeichneten Aussichtsturm und vielem mehr.
Begeisterndes Vorbild
Die Gartenschau hat in Wangen alle Erwartungen übertroffen. Mit 600 000 Gästen war gerechnet worden, mehr als 900 000 sind gekommen. Mit 12 000 verkauften Dauerkarten war kalkuliert worden, verkauft wurden mehr als 32 000. 3800 Veranstaltungen unterschiedlichster Art lockten bei dieser zwölften Landesgartenschau Einheimische und auswärtige Besucherinnen und Besucher an. Und auch die waren begeistert. „Ein großes Kompliment zur Landesgartenschau. Sie ist wunderschön geworden, ein wunderschönes Konzept, einfach ein Traum immer wieder dort Stunden verbringen zu dürfen“, schrieb eine Wangerin. Andere bezeichneten die Schau als „die Schönste, die wir bisher gesehen haben“, oder waren einfach nur begeistert: „Ein riesiges Gelände mit einem Fest für die Augen, tolle Themenbereiche, eine irre Blumenvielfalt, mit so viel Liebe und Hingabe angepflanzt!“
Im Laufe des Rundgangs dürfte der Gruppe aus Hedelfingen und dem Stuttgarter Wangen klar geworden sein, dass sie sich da etwas wirklich Großes vorgenommen haben. Die Initiative für eine mögliche Landesgartenschau in den Oberen Neckarvororten hatte der Hedelfinger Bezirksbeirat im Mai gestartet. Damals hatte der Bezirksbeirat einstimmig einen Antrag beschlossen, nach dem sich die Landeshauptstadt um die Ausrichtung einer Landesgartenschau möglichst im Jahr 2038 bewerben solle. „Örtlicher Schwerpunkt sollen Hedelfingen und angrenzenden die (Neckar-)Bezirke sein“, hieß es in dem Antrag. Damit verbunden ist der Wunsch nach einem Grünflächengesamtkonzept.
Potenzial im Grünen
Hedelfingen und seine Stadtteile umfassten eine „große innerstädtische Waldfläche, naturnah bewirtschaftete Weinbergflächen, mehrere Bachtäler (Dürrbach, Bußbach, Tiefenbach und Katzenbach) und liegt am Neckar. Gleichzeitig bewilligten die Bezirksbeiräte die ersten 2000 Euro aus ihrem Bezirksbudget für die Vorbereitung der Bewerbung. Der Nachbarstadtbezirk Wangen zog im Juli nach. Auch dort verband der Bezirksbeirat den Wunsch nach einer Bewerbung mit dem nach einem „zusammenhängenden und verbindenden Grünflächengesamtkonzept“. Für die Wangener könnte der Neckar als verbindendes Landschaftselement die Grundlage für eine Bewerbung sein. Außerdem brachten sie den Wangener Berg als ein weiter aufzuwertendes Element einer künftigen Gartenschau ins Spiel. Beim Besuch in der letzten Gartenschauwoche in Wangen im Allgäu kam immer wieder zur Sprache, welch großes Potenzial in den Oberen Neckarvororten schon vorhanden ist: die geplante Renaturierung zumindest von Teilen der Hedelfinger Bäche, die Zukunftspläne für die Deponie Einöd, die Überlegungen für das Hafen-Areal, eine mögliche Aufwertung des Wangener Bergs bis zur Waldebene Ost, die Pläne für Wangen macht Welle oder die neue Halle samt Stadtteilbibliothek in Hedelfingen und so weiter.
Neckar in den Mittelpunkt
Karl-Eugen Ebertshäuser würde das Thema Neckar bei einer Bewerbung noch mehr in den Mittelpunkt rücken, also beispielsweise mit einer zumindest abschnittsweisen Renaturierung, dem Thema Stadt am Fluss. Und richtig groß gedacht könnte dabei sogar über mögliche Nachnutzungen beispielsweise für das leerstehende alte Kraftwerk Gaisburg zumindest nachgedacht werden.
Der Besuch im Allgäu hat der Gruppe vor Augen geführt, dass es noch ein weiter Weg bis zu einer Landesgartenschau in den Neckarvororten ist. Als nächstes sollen Vorträge und andere Veranstaltungen zum Thema organisiert werden. Ein Referent hat schon zugesagt: Karl-Eugen Ebertshäuser. Der Termin ist noch offen.