Das Beste aus Cannstatt.
Unbegrenzt lesen mit CZ Plus.
Das Beste aus Cannstatt. Mit CZ Plus unbegrenzt Inhalte der Cannstatter Zeitung lesen.

Anzeige

Familie & Leben

Bücher für trauernde Kleinkinder

Auch Kleinkinder trauern, wenn sie Angehörige verlieren. Bilderbücher können ihnen helfen.

Bücher für trauernde Kleinkinder

Mit Büchern können Kinder und Eltern das Thema Tod aufarbeiten. Foto: Tomsickova-stock.adobe

Wenn er Erwachsenen schon unbegreiflich ist, wie können dann kleine Kinder verstehen, was der Tod ist? Dass Menschen einfach weg sein können. Eine Vielzahl Bücher zum Vorlesen für Kleinkinder schon ab zwei bis drei Jahren versucht, das schwierige Thema aufzugreifen.
Etwa „Mama, gibt's im Himmel Dinosaurier?“ von Kai Renners (empfohlen ab drei Jahren und im Schulalter zum Selberlesen). Mattis' Opa ist gestorben und er versteht weder das, noch warum seine Mutter so traurig ist. Und er hinterfragt die Erklärung, Opa sei im Himmel. Aber da entdeckt Mattis eine Wolke, die aussieht wie ein Dinosaurier - und na klar, wenn alle Lebewesen, die jetzt nicht mehr da sind, im Himmel gelandet sind, sind bei Opa jetzt auch die Dinosaurier da oben. Mattis ist plötzlich begeistert - und dieser traurige Tod bleibt zwar traurig, aber er gewinnt eine schöne Wendung.

Unternehmen aus der Region

Schöne Geschichten für schlimme Zeiten
„Beim Thema Tod könnte man natürlich als Autor auf die Idee kommen, eine ganz pathetische Story abzuliefern, die zu Tränen rührt. Das war nicht mein Ansatz“, sagt Autor Renners. „Ich wollte stattdessen den Kindern ein positives Gefühl mit auf den Weg geben.“ Und die Erwachsenen ansprechen: „Eltern sollten sich bewusst sein, dass ihre Trauer wahrscheinlich für die Kinder noch schrecklicher ist als etwa der Tod des Opa.“
Eine schöne, fröhliche Welt für Kinder ab drei Jahren findet sich auch in „,Wie mag's denn wohl im Himmel sein?“ von Christian und Fabian Jeremies: Dort gibt es vielleicht leckere Stücke vom Mond zu essen, spekulieren Tierkinder. Und Oma Rosi schmeißt da oben Donnerwetterpartys. Deswegen gewittertes manchmal.

Unternehmen aus der Region

 In diesem und weiteren Büchern für trauernde Kinder schaffen die Autoren einen besonderen Platz für die Verstorbenen und Bezugspunkte zum Erinnern - etwa bei jedem Gewitter. Das ist wichtig, sagt Roland Kachler. „Nicht nur Kleinkinder, auch wir Erwachsene brauchen einen Ort für den Verstorbenen, an dem er nicht verloren geht. Nicht ins Vergessen, nicht ins Nichts fällt“, erklärt der Psychologe und Trauerbegleiter aus Remseck. Das kann etwa der Regenbogen oder der Himmel sein. Kinder wollen nach Auffassung seines Ansatzes der Trauerpsychologie auch oft eine innere Beziehung zum Verstorbenen haben. Omas und Opas werden etwa zu einer Art von Begleitern. Dabei sei es unproblematisch, dass schöne Geschichten und nicht die harte Realität des Sterbens erzählt würden.

Unternehmen aus der Region

 „Kinder leben in symbolischen Welten, denken Sie an die ganzen Comics, an die Märchen. Aber ganz wichtig ist, dass wir diese Bilder offen halten für spätere Veränderungen“, führt Kachler aus. Denn wenn die Kinder älter werden und mehr verstehen, fragen sie irgendwann: Ist das auch wirklich so?

Unternehmen aus der Region

 „Man kann schon sehr früh einführen und Kinder müssen das noch nicht kognitiv verstehen - dass das eben Bilder sind. Die Realität kommt dann zunehmend dazu - spätestens mit dem Warum-Frage-Alter“, sagt der Psychologe, der mit „Wie ist das mit der Trauer“ selbst ein entsprechendes Erklärbuch für Kinder ab sechs Jahren geschrieben hat. Diesen Weg wählt das Buch „Opa wohnt jetzt woanders“ von Susanne Bohne (ab vier Jahren). Mäusekind Emil hinterfragt diesen Himmel und lässt all die menschlichen Gefühle raus, die sich nach so einer Todesnachricht auftun: Erst ist er trotzig - er will den verschwundenen Opa einfach besuchen gehen. „Das konnte doch nicht so schwierig sein!“ 

Unternehmen aus der Region

Dann kommt in Emil Wut hoch, gefolgt von Traurigkeit: „Selbst als er sich beim Fahrradfahren das Knie aufgeschürft hatte, hatte er nicht so sehr weinen müssen.“ Aber auch Emils Gefühle wenden sich zum Positiven: Er realisiert, dass Opa für immer in seinem Herz wohnen wird, als Begleiter und Beschützer.
 „Mein Ziel war es, Kindern zu zeigen, dass Trauer ein sehr vielschichtiger Prozess ist, bei dem viele unterschiedliche Gefühle aufkommen können“, erläutert Autorin Susanne Bohne aus Dortmund. „Es wäre toll, wenn Kinder verstehen und annehmen, dass all diese Gefühle normal sind und dass es in Ordnung ist, wenn sie sie durchleben.“ 

Bohne hat dabei bewusst kein Menschenkind als trauernde Figur gewählt. „Tiere bieten Kindern eine gewisse emotionale Distanz, die ihnen hilft, schwere Themen wie den Tod besser zu verarbeiten, ohne das Gefühl zu haben, dass die Geschichte direkt auf sie selbst zutrifft“, erläutert sie. „Kinder können sich durch Emil in die Geschichte hineinversetzen, aber es gibt eine Sicherheit, weil es eben „nur“ ein Mäusekind ist. Diese Distanz schafft Raum für Empathie, ohne die Kinder zu überfordern.“
Geschichten von starkem Kinder-Vermissen vorlesen, lustige Gedankenspiele von Party feiernden und auf Dinosauriern reitenden Angehörigen anstrengen? Damit mag so mancher Erwachsener in seiner eigenen Trauer allerdings Probleme haben.
Psychologe Kachler aber betont: „Diese Kinderbilderbücher sind oft auch ganz wichtig für die Eltern. Wer jemanden verloren hat, etwa das eigene Elternteil, ist oft nicht sprachfähig.“
Kinderbücher geben Müttern und Vätern Worte in Zeiten, wenn sie selbst nichts mehr verstehen - „sofern Eltern bereit sind, diese Bücher auch vorzulesen“.

Von Andrea Mayer, dpa