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Mit einem Bein im Wengert, mit einem im Rathaus

Fritz Currle wurde in diesem Jahr 80 Jahre alt und setzte sich 20 Jahre lang als Stadtrat für Landwirtschaft, Naturschutz und Tourismus ein.

Mit einem Bein im Wengert, mit einem im Rathaus

Fritz Currie, Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und Stintfang-Winzer Carsten Lindenberg (v. r.) pflanzen im Mai 2022 die neuen Reben. Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

Das Jahr 2024 begann mit dem Ende einer Ära: In seiner Sitzung am 1. Februar hat der Stuttgarter Gemeinderat den langjährigen Stadtrat Fritz Currle verabschiedet. „Er hat sich sichtbar weit über die Landesgrenzen hinaus engagiert: So verdankt ihm Hamburg einen eigenen Weinberg“, sagte der Erste Bürgermeister Dr. Fabian Mayer. Der minutenlange Applaus für den Uhlbacher sprach Bände über zwei Jahrzehnte, in denen sich Currle auf kommunalpolitischer Ebene engagierte. „Als CDU-Mitglied wollte ich den Christdemokraten 2004 bei der Kommunalwahl helfen, ein gutes Ergebnis zu erzielen“, erinnert sich Currle. „Ich hatte keine richtigen Ambitionen in den Gemeinderat zu kommen, da ich als selbstständiger Weinbaumeister eigentlich gar keine Zeit dafür hatte. Ich bin damals auf Platz 54 gestartet – und zu meiner Überraschung auf Platz 6 gelandet. In den nachfolgenden drei Wahlen wurde ich immer auf Platz 60 gesetzt und landete zwischen Platz 10 und 12.“ Für ihn als überzeugten Christdemokraten sei es nach acht Jahren mit dem ehemaligen OB Kuhn an der Spitze erfreulich gewesen, „dass nun ein CDU-Oberbürgermeister im Stuttgarter Rathaus sitzt“. 

Neben der Politik schlägt das Herz des 80-Jährigen aber schon immer für den Weinbau: Er selbst stammt aus einer alten Uhlbacher Wengerter-Familie. „Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Gemeinderat wird der Name Currle nicht in Vergessenheit geraten, denn als Mitbegründer des Stuttgarter Weindorfs hat er seinen Platz in den Geschichtsbüchern der Landeshauptstadt sicher“, so seine Kolleginnen und Kollegen aus der Stuttgarter CDU-Gemeinderatsfraktion. 

„Im Kostüm und in Stöckelschuhen im Weinberg.“

Fritz Currlem Ehemaliger Stadtrat

Und in der Tat verbindet er mit dem Weindorf viele Erinnerungen, die bis heute nachhallen: „Die Stuttgarter Innenstadt war in den 1970er-Jahren nicht so belebt, regelmäßig verzeichneten die Geschäfte vor Ort eine Besucherflaute zwischen den Sommermonaten Juli und August. Der damalige Direktor des Verkehrsamtes, Peer-Uli Faerber, trank gern Wein und so kam er auf die Idee, in diesem Zeitraum ein Weindorf zu veranstalten.“ Vorgesehen waren als Weindorfwirte eigentlich nur Innenstadt-Gastronomen. „Durch glückliche Umstände wurde mein Weinbaubetrieb neben der Weinstube Zaiß Bad Cannstatt und Weinstube Jägerhof in den Kreis mitaufgenommen.“ Doch das Fest war neu, noch nicht etabliert, das Wetter machte es Wirten und Gästen die ersten Jahre schwer. Doch man hielt durch, „das Fest wurde langsam aber stetig erfolgreich. Und ist heute eine Stuttgarter Erfolgsgeschichte. Nicht zuletzt auch durch den Ausschank von selbstgekelterten Weinen.“ 

Erster Bürgermeister Dr. Fabian Mayer hat den langjährigen Stadtrat Fritz Currle aus dem Gemeinderat verabschiedet. Foto: LHS/Leif Piechowski
Erster Bürgermeister Dr. Fabian Mayer hat den langjährigen Stadtrat Fritz Currle aus dem Gemeinderat verabschiedet. Foto: LHS/Leif Piechowski

1986 wurde das Stuttgarter Weindorf zum ersten Mal nach Hamburg „exportiert“. „Im Gegenzug bekamen wir den Hamburger Fischmarkt. Das hat jahrelang toll funktioniert, bis dann nach 30 Jahren dieser Austausch aus nicht nachvollziehbaren Gründen endete und das Weindorf nur noch im Original in Stuttgart stattfand.“ Doch noch immer wächst ein Stück Stuttgarter Weingeschichte an der Elbe: „ Zum damaligen 10-jährigen Stuttgarter Weindorf hatte ich die Idee, einen Weinberg in der Hansestadt anzupflanzen.“ Anfangs herrschte in Hamburg Skepsis, dann wurde der Weinberg mit 50 Reben bepflanzt und in den Folgejahren auf 100 Reben erhöht. „Das größte Problem war vor der Ernte immer der Traubenklau“, erinnert sich Currle. „ Zur Weinlese am Stintfang war ich immer vor Ort, genauso wie der oder die derzeit amtierende Bürgerschaftspräsident/in.“ Nicht immer wurde der Schaffer-Dresscode eingehalten: „Einmal kam die Bürgerschaftspräsidetin Frau Dr. Dorothee Stapelfeldt im engen Kostüm und hohen Stöckelschuhen. Im steilen Weinberg war das ein Problem“, lacht er. Die Schuhe blieben heil, allerdings nicht die U-Bahn-Station „Landungsbrücken“: Da der Weinberg auf dem Dach der Haltstelle gepflanzt war, musste dieser 2019 komplett abgetragen werden. „Kein Weindorf und kein Weinberg mehr. Hier wurden Reben der Rotweinsorte Regent und der Weißweinsorte Phoenix angebaut.“ Aus denen wurden jedes Jahr etwa 40 bis 50 kleine Flaschen Hamburg Stintfang Cuvée gewonnen. Doch damit war die Geschichte nicht vorbei: Im Mai 2022 fuhr Fritz Currle in den Norden und pflanzte an der selben Stelle auf dem neuen Stintfang die ersten Reben. „Da war die Freude groß.“ Mittlerweile reifen hier an 99 Reben, ein Geschenk der Stadt Stuttgart, wieder Trauben. „Sollte der Frost nicht zu sehr zugeschlagen haben, könnte es vielleicht einen kleinen ersten Ertrag geben.“ Nathalie Kauder

ZUR PERSON

Fritz Currle gehörte seit 2004 dem Gemeinderat an. Er war für die CDU-Fraktion ordentliches Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen und fungierte als Betreuungsstadtrat der CDU-Fraktion für die Stadtbezirke Hedelfingen und Obertürkheim. Außerdem war er in den Aufsichtsräten der Hafen Stuttgart GmbH, der Stuttgart Marketing sowie der Regio Stuttgart Marketing und Tourismus GmbH. red