Die Attestaffäre an der Uni Hohenheim – im Bild das Schloss Hohenheim – hat nun auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf den Plan gerufen. Foto: dpa - dpa

Die ungewöhnlich hohe Zahl von Prüfungsabbrechern an der Uni-Hohenheim hat ein juristisches Nachspiel. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt wegen gleichlautenden Attesten nun gegen einen Arzt. Wie die Anklagebehörde am Freitag mitteilte, wird der Mediziner verdächtigt, falsche Atteste ausgestellt zu haben. Derzeit gehen die Ermittler von bis zu 145 möglichen Fällen aus. Bei der Durchsuchung der Praxisräume des Mediziners beschlagnahmten sie umfangreiche Unterlagen und Dateien, die nun ausgewertet werden.

StuttgartDie Attestaffäre an der Uni Hohenheim hat nun auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf den Plan gerufen. Nachdem sich Studenten während einer Prüfung krank gemeldet hatten, ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart nun gegen einen Arzt. Der Mediziner wird verdächtigt, möglicherweise 145 falsche Atteste ausgestellt zu haben. Bei der Durchsuchung seiner Praxisräume am Donnerstag beschlagnahmten die Beamten umfangreiche Unterlagen und Dateien, die nun ausgewertet werden, hieß es in einer Pressemitteilung.

Einen Tag nach der Durchsuchung gibt es rund um die Stuttgarter Arztpraxis keinerlei Hinweise mehr auf das Geschehen, die Sprechstunden scheinen wie gewohnt stattzufinden. Anlass für die Durchsuchung der Praxis war nach Angaben der Staatsanwaltschaft Stuttgart die Presseberichterstattung unserer Zeitung. „Wir wollten da mal genauer hinschauen, sagte Heiner Römhild, der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, am Freitag auf Anfrage. Vor der Durchsuchung hat die Staatsanwaltschaft bei der Universität Hohenheim sozusagen um Amtshilfe gebeten. „Wir haben die Behörde voll unterstützt und Einsicht in Akten gegeben“, bestätigt die stellvertretende Pressesprecherin der Hochschule, Dorothea Elsner. Die Hochschule selbst hat keine Anzeige erstattet, ein möglicher Verstoß des Arztes gegen das Standesrecht „gehört nicht zum Zuständigkeitsbereich der Universität“, sagt Uni-Pressesprecherin Dorothea Elsner.

Während Prüfung Saal verlassen

Unabhängig von einer Strafverfolgung können Unregelmäßigkeiten bei den Bezirksärztekammern angezeigt werden. Diesen Schritt ist die Uni Hohenheim bislang nicht gegangen. Dort ermittelt ein Kammeranwalt, der zum Richteramt oder zumindest zum höheren Verwaltungsdienst befähigt ist, und er kann die Ermittlungen auch von Amts wegen aufnehmen. Gegebenenfalls kann er ein berufsgerichtliches Verfahren vor dem Bezirksberufsgericht einleiten, an dessen Ende berufsgerichtliche Maßnahmen nach dem Heilberufekammergesetz Baden-Württemberg stehen können. Die reichen laut Oliver Erens, dem Sprecher der Landesärztekammer, vom Verweis, über den Entzug des Wahlrechts bis hin zu mittleren fünfstelligen Geldstrafen. Zu Einzelfällen wie dem vorliegenden kann Ehrens keine Angaben machen, „die berufsgerichtlichen Verfahren finden immer nichtöffentlich statt“.

Wie in unserer Zeitung berichtet, gehen die Ermittlungen auf einen Vorfall während der Grundlagenprüfung in Finanzwirtschaft am 23. Mai 2018 an der Universität Hohenheim zurück. Nach Angaben der Universitätspressestelle hatten daran 244 Studierende teilgenommen. „Dass Studierende prüfungsfähig sind, belegen sie mit dem Antreten zur Prüfung“, sagt Dorothea Elsner. Dann aber hatten 75 während der Prüfung den Saal spontan verlassen, 48 sollen nahezu gleichlautende Krankschreibungen vom selben Arzt vorgelegt haben.

„Zweifelhafte“ Atteste

Daraufhin nahm die Universität alle Atteste genau unter die Lupe, die von diesem Mediziner ausgestellt worden sind – immerhin 148 in dem Zeitraum 23. bis 25. Mai. Die Uni-Verwaltung sah es als „zweifelhaft“ an, dass überhaupt ausreichende Untersuchungen stattgefunden hätten und erkannte nur 23 der von „Doc Holiday“ ausgestellten Atteste an. Elf Prüfungsabbrecher und 22 weitere Studierende, die schon vor der Prüfung ein Attest eingereicht hatten, konnten mit einer Stellungnahme von ihrer Prüfungsunfähigkeit überzeugen. 164 Prüflinge hatten die Prüfung zu Ende geschrieben. Sie dürfen sie wiederholen, weil die Abbrecher zu laut gewesen seien. Wie viele das Angebot annehmen, steht noch nicht fest.

Stuttgart (dpa/lsw) - Mediziner müssen für ein Attest laut Landesärztekammer Baden-Württemberg Patienten persönlich untersuchen. Paragraf 25 ihrer Berufsordnung besagt: «Bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse haben Ärztinnen und Ärzte mit

der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen.» Ein «kleines Attest» für Schul- oder Prüfungsunfähigkeit kostet den Patienten der Kammer zufolge üblicherweise zwischen drei und fünf Euro. Anders sieht das bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für kranke Arbeitnehmer aus: Die sind für diese in der Regel kostenlos.

Bei Verstößen gegen die Ärzteordnung kann ein berufsgerichtliches Verfahren eingeleitet werden. Wer als Arzt tätig sein will, braucht eine staatliche Zulassung (Approbation). Sie kann vom Regierungspräsidium Stuttgart - als Approbationsbehörde für ganz Baden-Württemberg - entzogen werden. Ein Entzug der Zulassung als Kassenarzt wäre Sache der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg