Von Ingo Weiß

Stuttgart - Als bloße AC/DC-Epigonen, als billige Kopie, werden Airbourne viel zu oft abgewertet. Doch das wird dem australischen Quartett nicht gerecht. Natürlich ist ihr Hardrock angelehnt an ihre berühmten Landsleute, schließlich hat „Kopf“ Joel O’Keefe schon mit elf Jahren die Riffs von Angus und Malcom Young nachgespielt. Und doch ist das Konzert im ausverkauften Stuttgarter LKA-Longhorn so kraftstrotzend, so eigenständig agil und andersartig bangend, wie es AC/DC schon seit Jahren nicht mehr hinbekommen haben.

Zu den höllisch rot illuminierten Klängen von Brad Fiedels „Terminator 2“-Thema entern Airbourne die Bühne und stürzen sich kopfüber ins Getümmel. Mit dem rasanten Riffrocker „Ready to Rock“, gleichzeitig das Motto des kurzweiligen Abends, eröffnen sie ihre fulminante Show. Wo Airbourne sind, ist Bier und Whiskycola, sind die Frauen heiß und die Musik kann nicht laut genug sein. Die Jungs sind Partylöwen und Bad Boys, doch stets hochprofessionell. Einfach mal abschalten, aufdrehen und sich gehen lassen - es gibt wenige Bands, bei denen das besser geht als bei den Australiern.

Ihren Ruf als wilder Live-Act stellen Airbourne fortan eindrucksvoll unter Beweis. Wie Springböcke fegen Leadgitarrist und Sänger Joel, Neuzugang Harri Harrison (der im Frühjahr David Roads an der Rhythmusgitarre ersetzte) und Bassist Justin Street über die Bretter, während Joels Bruder Ryan hinter ihnen den Presslufthammer-Takt vorgibt. Mit riesigen Marshall-Wänden im Rücken ist ihr Gig so mitreißend wie gewaltig. Eine Warm-up-Runde braucht es bei den vergleichsweise simplen, aber effektiven Rock-Smashern nicht.

Annähernd eineinhalb Stunden lang wird Vollgas gegeben. Airbournes Droge ist das Livespielen. Wie die Young-Brüder bei AC/DC funktionieren auch die O’Keefes präzise wie ein Uhrwerk. Ihrer Mischung aus charmant schlichten, tendenziell nichtigen Texten (und Ansagen), beinharten Riffs und High-Energy-Power ist nicht zu entkommen. Die Beine stampfen unweigerlich schnell mit, die Köpfe wippen im Takt und die Fäuste fliegen rhythmisch in die Höhe. Das Publikum hat sichtlich Bock auf Rock und Airbourne klingen immer noch so naturgewaltig und unverbraucht wie vor 16 Jahren, als sie erstmals ins Bewusstsein der Rockwelt geprescht sind.

Die Stimmung ist bestens, allenthalben schlägt ihnen schwitzende Begeisterung entgegen. Joel O’Keefe hat erst gar kein Shirt übergezogen. Er ist das, was man unter einer Rampensau versteht. Er springt, reißt die Augen auf und die Arme hoch, und sein linkes Bein wippt permanent auf und ab wie die Nadel einer Nähmaschine. Er schreit und spielt dazu noch wahnsinnig schnelle, kreischende Gitarrensoli. Auf Festivals erklimmt er normalerweise dabei schon mal die Stahlträger der Bühne. Mangels Gelegenheit im LKA beschränkt sich der 32-Jährige beim staubtrockenen „Girls in Black“ darauf, auf den Schultern eines Roadies ein schweißnasses Bad in der Menge zu nehmen.

Nebenbei hämmert er sich eine geschlossene Bierdose so lange gegen den Kopf, bis sie platzt und sich der Inhalt auf die jubelnden Umstehenden ergießt. Nicht nur wegen solcher Einlagen ihres Frontmannes haben Airbourne hohen Unterhaltungswert. Es ist vor allem die erdige und geradlinig-ehrliche Mischung aus pfeilschnellem Boogie-Metal und bluesgetränktem Hardrock, die verfängt.

Airbourne brechen den Rock auf seine Grundzüge herunter, um ihn gemeinsam mit dem euphorischen Publikum laut explodieren zu lassen. Einen schlechten Gig wird man von den spielfreudigen Aussies wohl nie zu sehen und zu hören bekommen. Einziger Wermutstropfen: Kaum hat man sich warmgerockt, heißt es schon wieder Abschied nehmen. Mit Luftschutzsirenengeheul, diversen Freibierbechern und dem Testosterongeschwängerten „Live it up“ wird das Ende eingeläutet.