Der VVS-Aufsichtsrat hat eine Tarifreform für das Bus- und Bahnnetz der Region Stuttgart beschlossen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski - Lichtgut/Leif Piechowski

Der VVS-Aufsichtsrat hat eine Tarifreform für das Bus- und Bahnnetz der Region Stuttgart beschlossen. Ausden bisher 52 Zonen sollen fünf Ringe werden.

StuttgartDer VVS-Aufsichtsrat hat eine Tarifreform für das Bus- und Bahnnetz der Region Stuttgart beschlossen. Aus bisher 52 Zonen sollen fünf Ringe werden. OB Fritz Kuhn (Grüne) muss dafür 42,1 Millionen Euro einsammeln – jährlich.

Wie soll die Zonenreform aussehen?

Die bisher komplizierte kombinierte Ring- und Sektorenstruktur (52 Zonen) soll zur Ringstruktur (fünf Ringe) vereinfacht werden. Aus 14 Varianten wurde dieses Modell gewählt: Aus den Zonen 10 und 20 (Stuttgart) wird eine Zone 10, die äußersten Zonen 60 und 70 werden zu einen Ring zusammengelegt. Somit entfällt nicht nur in Stuttgart, sondern auch für alle Landkreise eine Zone.

Was bedeutet das für die Ticketpreise?

Gemessen an den Ticketpreisen für 2018 bringt die Reform beim Wegfall einer Zone eine Einsparung von 20 bis 25 Prozent. Wer bisher für die Fahrt nach Stuttgart eine Monatsrate von 86,50 für zwei Zonen zahlte (Jedermann-Ticket), würde nur noch mit 67,60 Euro belastet. Für fünf Zonen würden 143 statt 167 Euro fällig.

Profitieren alle Fahrgäste?

Es können alle profitieren, aber in unterschiedlicher Form. Wer in der Regel nur eine Zone fährt, für den bleibt der Preis gleich, „der Fahrgast hat aber eine größere Leistung, denn er kann zum Beispiel in Stuttgart dann zwei Zonen fahren“, sagt VVS-Geschäftsführer Horst Stammler. Von den 382,2 Millionen Fahrten des Vorjahres wären mit der Tarifreform 110 Millionen billiger und keine teurer. Für alle, die von und nach Stuttgart fahren, ist die Preissenkung hoch.

Wer übernimmt den Verlustausgleich?

Das ist die Frage. Die Fahrgeldeinnahmen lagen 2017 im VVS bei 519 Millionen Euro. Bisher gibt es eine Zusage des Gemeinderates für neun Millionen jährlich. Die SPD würde auf 15 aufstocken. Erst müsse geklärt werden, was das Land bringe, sagt Stammler, „dann folgt die Aufteilung auf die weiteren Partner“. Der Aufsichtsrat erwarte, dass „eine nachhaltige Finanzierung gesichert werden kann“.

Was sagt das Land?

Man wolle sich „in der Startphase an den Kosten für die VVS-Tarifreform als Maßnahme zur Luftreinhaltung in Stuttgart beteiligen“, sagt ein Sprecher des Verkehrsministers Winfried Hermann (Grüne). Eine Dauerfinanzierung sei wegen der Gleichbehandlung im Land (22 Verbünde) nicht möglich. Der Zuschuss werde daher „schrittweise abgeschmolzen“, betont der Sprecher. Für die vergünstigten Feinstaub-Tickets (Erwachsene fuhren zum Kindertarif) hatte das Land 2017 etwa 5,6 Millionen Euro bezahlt, 50 Prozent der Gesamtaufwendungen.

Kann der Verlust geringer ausfallen?

Darauf hoffen alle Partner. Angenommen wurde, dass günstigere Preise fünf Millionen mehr Fahrgäste anziehen. Dann läge der Ausgleichsbetrag bei 42,1 Millionen Euro jährlich. Bei sieben Millionen mehr Fahrgästen würde das Defizit gegenüber heute auf 38,3 Millionen jährlich sinken.

Wann kommt die Reform?

Bestenfalls im zweiten Halbjahr 2019. Der VVS-Aufsichtsrat könnte frühestens am 24. Juli 2018 nach den Zuschuss-Zusagen die Umsetzung beschließen. Gelingt OB Kuhn keine Einigung vor der Sommerpause, wäre ein Beschluss erst wieder am 9. Oktober möglich. Danach müssten alle Betriebssysteme angepasst werden – was dauert.

Kommt zuvor eine Preiserhöhung?

Der VVS erhöht traditionell zum 1. Januar die Preise, angedacht sind für 2019 um die zwei Prozent. Ob der Aufschlag verschoben wird und in der Reform aufgeht ist unklar, es gibt aber Sympathien für diese Lösung. Darüber will der Tarifausschuss am kommenden Montag sprechen.

Wie reagiert der Stuttgarter Gemeinderat?

Das Gremium muss eventuell einen noch höheren jährlichen Zuschuss beschließen. Die Entscheidung des VVS-Aufsichtsrates sei ein „Motivationsschub“ für Autofahrer, auf Bus und Bahn umzusteigen, sagt CDU-Fraktionschef Alexander Kotz. Der Ticketkauf in Stuttgart werde einfacher und komfortabler. Drohende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge würden dadurch „widersinnig“. „Angesichts der Tatsache, dass sich beim Thema Mobilität so viel tut, wäre es aus meiner Sicht unverhältnismäßig, jetzt die Autofahrer zu bestrafen“, sagt Kotz und spielt damit auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts an, das wegen der Grenzwertüberschreitung bei Stickstoffdioxid ein ganzjähriges Diesel-Fahrverbot billigte. Verhältnismäßig soll es werden, dass Euro-5-Diesel erst ab September 2019 betroffen sein dürfen.

Kann das Fahrverbot aufgehalten werden?

Das glaubt die FDP-Landtagsabgeordnete Gabriele Reich-Gutjahr. Die Tarifreform werde „erheblich mehr zur Reduzierung der Belastung beitragen, als auf Fahrverboten zu beharren.“ Zahlen liefert sie nicht. Der Luftreinhalteplan hat die Wirkung einer Tarifreform nicht betrachtet.

Was sagen die Fraktionen?

„Das ist eine gute Nachricht für die Region“, sagt SPD-Fraktionschef Martin Körner. Die Fahrgäste würden entlastet, die Finanzierung gerechter. Heute bestreiten die Nutzer 60 Prozent des Aufwands. Die Stuttgarter Grünen loben die Reformidee als „großen Schritt“. Der Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir sagt, der VVS bringe „Licht ins Tarifdickicht“ und fordert Unterstützung des Bund. Die Fraktion SÖS/Linke-plus sieht die Reform als ersten Schritt auf dem Weg zum kostenlosen Nahverkehr.