In der Werkstatt des Rennteams steht Viktoria Kelich am blauen Flitzer, der derzeit für das nächste Rennen in den USA fit gemacht wird. Foto: Olbort Quelle: Unbekannt

Von Janey Olbort

Stuttgart - Brummende Motoren, Ölgeruch und quietschende Reifen - das ist die Welt von Viktoria Kelich. Die 29-Jährige sitzt hinter dem Steuer eines blauen Rennwagens und dreht einige Runden auf einer Teststrecke. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn das Fahrzeug von 0 auf 100 in unter drei Sekunden beschleunigt und man die Vibration des Motors am Rücken spürt“, sagt sie mit strahlenden Augen.

Das Fahrzeug wurde vom Rennteam der Uni Stuttgart konstruiert. 40 Studenten haben jede freie Minute investiert, um den blauen Flitzer zu bauen. Ihr Ziel: Mit dem Fahrzeug bei der Formula Student, einem internationalen Konstruktionswettbewerb für Studenten, zu gewinnen - und das ist ihnen in diesem Jahr auch gelungen. Für ein letztes Rennen außerhalb der WM-Wertung geht es im Mai nächsten Jahres noch in die USA.

„Wenn der Motor gestartet wird und das Fahrzeug das erste Mal losfährt, ist das für uns ein Meilenstein“, sagt Kelich, die derzeit Elektrotechnik an der Uni Stuttgart studiert. Doch bis es soweit war, lag ein weiter Weg vor den Studenten: Sie verbrachten Hunderte Stunden in der Werkstatt auf dem Campus in Vaihingen, konstruierten, frästen, schraubten - viel Freizeit blieb da nicht, denn das Fahrzeug musste innerhalb weniger Monate gebaut werden.

Das Stuttgarter Rennteam stand in diesem Jahr unter besonderem Druck, denn es galt, den Weltmeistertitel zu verteidigen. „Da gab es natürlich hohe Erwartungen an uns“, sagt Kelich, die nicht nur Testfahrerin ist: Ihre Hauptaufgabe besteht in der Organisation des Projekts. In erster Linie musste sie Sponsoren für das Team gewinnen, denn ohne namhafte Firmen und deren finanzielle oder materielle Unterstützung wäre der Bau des Rennwagens undenkbar gewesen. „Bei großen Firmen sind wir natürlich ein Team unter vielen, da muss man schon überzeugen“, sagt Kelich. Nicht ganz einfach, aber die 29-Jährige liebt die Herausforderung. „Unter Druck blühe ich auf, aber das ist sicher nicht für jeden etwas.“ Sie kümmert sich außerdem um die Koordination des Teams während der mehrtägigen Rennen: Wer beobachtet die Konkurrenz? Wer wartet das Fahrzeug? Wer kocht? Ist jeder zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Alles Fragen, auf die Kelich eine Antwort findet.

Dabei gilt es, stets einen kühlen Kopf zu bewahren, wie ein Beispiel aus der diesjährigen Rennsaison beweist: Nach einem Rennen auf dem Hockenheimring waren sowohl der Rennmotor als auch der Ersatzmotor beschädigt und die Mechaniker von den anstrengenden Wettkampftagen am Ende ihrer Kräfte. „Trotzdem musste es weiter gehen und die Technik fit für das nächste Rennen in Spanien gemacht werden.“ Deshalb fackelte sie nicht lange und versuchte, viele fleißige Helfer zusammenzutrommeln. „Am Ende hat dann alles geklappt und wir hatten wieder zwei funktionsfähige Motoren.“ Helfende Hände zu finden werde jedoch immer schwieriger. „Viele Studenten sind nicht mehr bereit, ihre Freizeit für solch ein Projekt zu opfern.“ Daher sei es derzeit schwer, genügend Nachwuchs für ein Team zu finden, das ein neues Fahrzeug für die nächste Rennsaison konstruiert.

Trotz der hohen Arbeitsbelastung ist das Rennteam für Kelich eine Herzensangelegenheit: Von klein auf begeistert sie sich für Motorsport. „Wer hat schon die einmalige Chance, einen Rennwagen zu fahren?“ Zwar gilt der Motorsport allgemein eher als Männerdomäne. Kelich, eine von vier Frauen im Uni-Rennteam, stört das jedoch nicht. „Wer Kompetenzen mitbringt, wird bei uns auch ernst genommen, egal ob Mann oder Frau“, sagt sie. Anders als ihre männlichen Kollegen sei sie nicht behandelt worden.

Wenn ihre Zeit beim Rennteam im nächsten Jahr vorbei ist, möchte sie unbedingt in der Motorsportbranche beruflich Fuß fassen - am liebsten im Marketing. „Ich möchte Konzepte entwickeln, um Motorsport genau so beliebt zu machen wie Fußball und ihn trotz seiner Komplexität den Fans näher bringen.“