Jens-Peter Wedlich hatte einen schwierigen Start mit seinem verpackungsfreien Laden Schüttgut im Stuttgarter Westen. Heute ist er zufrieden. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko - Lichtgut/Max Kovalenko

Der Weg zum ersten verpackungsfreien Laden Stuttgarts war steinig. Nach zwei Jahren fällt dieBilanz aber gut aus.

StuttgartJens-Peter Wedlich hatte eigentlich gar keine andere Wahl. Der heute 52-Jährige hatte von seinem damaligen Arbeitgeber gezwungenermaßen ein Abfindungsangebot angenommen. Die Angebote auf dem Arbeitsmarkt waren zu der Zeit jedoch für einen 47-jährigen gelernten Groß- und Außenhandelskaufmann bescheiden. Auf der Suche nach sich selbst reiste der Familienvater mit einem Containerfrachtschiff zehn Tage über die Meere. Springenden Delfinen und wunderschönen Sonnenuntergängen im Golf von Biskaya folgten Plastiktüten, die auf der Meeresoberfläche trieben.

Diese Bilder erweckten in ihm den Wunsch, die Welt etwas besser zu machen – mit einem Laden, der keine Lebensmittel verschwendet und keinen Verpackungsmüll produziert. Wedlich holte für die Planung seines Start-ups einen Unternehmensberater mit ins Boot und ließ sich vom ersten Unverpackt-Laden in Berlin, der 2014 eröffnet hatte, inspirieren.

Im Mai 2016 eröffnete er den Laden „Schüttgut“ im Westen. In seinem Geschäft an der Vogelsangstraße 51 finden sich auf 55 Quadratmetern Obst und Gemüse, Reis und Nudeln, Flüssigprodukte bis hin zu Drogerie- und Haushaltsartikeln. Die Kunden bringen Mehrwegverpackungen wie etwa Gefäße, Tupperdosen oder gereinigte Gebrauchsverpackungen mit – und füllen die Produkte ab.

Am Anfang sei er oft frustriert gewesen: „Als Start-up kann man sich die exorbitanten Mietpreise nicht leisten.“ Eineinhalb Jahre habe er einen Raum gesucht. Auch mit der Bundesagentur für Arbeit habe es Probleme gegeben, da diese den Gründungszuschuss wegen der späten Eröffnung über Gerichte zurückforderte. „Meine Frau hatte Ängste und Sorgen.“ Nach neun Monaten konnte Wedlich durch die Einnahmen von Schüttgut zum ersten Mal die Miete vom Privathaushalt bezahlen. Nun unterstützen sechs Mitarbeiter in Teilzeit den Inhaber und seine Frau Claudia, das Angebot wurde von 300 auf 750 Produkte gesteigert. Längst kommt Wedlich auf eine 70-Stunden-Woche. Aber: „Meine Arbeit macht mich endlich glücklich.“

Wer den Laden betritt, wundert sich über die vielen Schatullen aus Plastik, die links an der Wand hängen. „Plastik ist nicht schlecht“, sagt Wedlich. „Es ist nur zu schade für eine einmalige Benutzung.“ Wenn man im Supermarkt Vanillezucker kaufe, habe man fünf Packungen, die alle noch extra in Plastik verpackt seien. „Das braucht kein Mensch:“

Wedlich geht es darum, den Leuten einen Denkanstoß für Umweltbewusstsein zu geben. „Es ist auch sehr praktisch, dass man kleinste Mengen kaufen kann“, sagt Nadine Sarikaya. Sie wohnt über Wedlichs Laden, kennt ihn persönlich und kauft seit der Eröffnung regelmäßig dort ein: „Ich kaufe viele Kosmetikprodukte, weil sie eine gute Qualität haben. Wenn sie dann auch unverpackt sind, umso besser.“

Auch Georg Eisenmann ist Wedlichs Kunde. Er gehe zwar auch in den Supermarkt. „Aber einmal pro Monat kaufe ich dann als Kompromiss bei Schüttgut unverpackte und gesunde Lebensmittel ein – auch wenn es zeitintensiver ist“, sagt er und fügt mit Blick auf seinen großen Koffer plus Rucksack hinzu. „Und dann richtig.“ Wer kauft sonst noch bei Wedlich ein? „Das sind überwiegend höhere Schichten“, sagt er. „Der typische Arbeiter fehlt, er hat wohl andere Prioritäten.“ Vielleicht auch, weil die Preise höher seien, vermutet der Laden-Inhaber.

Es sind indes die kleinen Gesten der Kunden, die Jens-Peter Wedlich zeigen, dass er auf dem richtigen Weg ist: Eine Mutter habe einmal mit ihren Kindern in seinem Laden Zutaten für Pfannkuchen gekauft, und „wenig später sind die Kinder mit einem Pfannkuchen zurückgekommen.“ Wedlich sieht Schüttgut derweil ein wenig als „Tante-Emma-Laden“, und auch die Vogelsangstraße mit ihrem „dörflichen Charakter“ passe hervorragend. Dementsprechend zufrieden fällt sein Fazit aus: „Der Laden läuft gerade so, dass alles Sinn ergibt.“