Das himmelblaue Glück ist den Anlegern beim WGS-Immobilienfonds wohl kaum beschieden. Quelle: Unbekannt

WGS-Fonds – geschlossene Immobilienfonds, die in den 90er-Jahren im Großraum Stuttgart verkauft wurden - haben Tausende Privatanleger enttäuscht. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart in einem Fall.

StuttgartDie Staatsanwaltschaft Stuttgart hat im Zuge von Ermittlungen gegen die GVV-Hausverwaltungs GmbH in Stuttgart Mitte Juli sieben Objekte durchsucht. Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass die Beschuldigten möglicherweise Immobilien aus einem WGS-Fonds – einem geschlossenen Immobilienfonds – vorsätzlich unter Wert verkauft und sich dadurch wegen Untreue strafbar gemacht haben könnten, teilt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart, Heiner Römhild, auf Anfrage mit. Durch die Verkäufe könnten Anleger des Immobilienfonds geschädigt worden sein. Die Durchsuchungen fanden in Stuttgart, Fellbach, Waiblingen, Bad Wörishofen und Kampen auf Sylt statt.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Längerem. Nach Informationen unserer Zeitung wurde bereits 2015 gegen GVV-Geschäftsführer Gerald Eisenhardt Strafanzeige wegen Untreue gestellt. Im Rahmen der laufenden Ermittlungen bekam auch die Immobiliengesellschaft Wohninvest (WI) Besuch von der Staatsanwaltschaft. Die Durchsuchungsobjekte haben mehrfach einen Bezug zu dieser Firma. So ist Fellbach der Sitz der Wohninvest. Deren Gründer und Geschäftsführer Harald Panzer wohnt in Waiblingen, in Bad Wörishofen sitzt eine WI-Tochter, und in Kampen ist Panzer des Öfteren anzutreffen. WI und GVV sind Geschäftspartner. Die Wohninvest hat in vielen Fällen Immobilien aus den Fonds erworben, deren Geschäftsführerin die GVV war. Die GVV hat auf Anfragen zur Durchsuchung nicht reagiert. Für Wohninvest-Geschäftsführer Panzer antwortet der Frankfurter Strafverteidiger Christian Graßie: „Die Geschäftsführung von Wohninvest steht in enger Abstimmung mit der Stuttgarter Staatsanwaltschaft und kooperiert vollumfänglich“, sagte er. „Zu den betroffenen Personen und Gesellschaften machen wir derzeit keine Angaben, um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden.“

Die Durchsuchungen dürften für das Immobilienunternehmen zur Unzeit kommen. Erst vor Kurzem hat Wohninvest die Namensrechte für das Fußballstadion in Bremen für zehn Jahre erworben, das ab der kommenden Saison Wohninvest-Weserstadion heißen wird. Der Bundesliga-Club und die Weserstadion GmbH bekommen drei Millionen Euro pro Spielzeit, also 30 Millionen insgesamt.

Die Ermittler der Staatsanwaltschaft Stuttgart haben bei ihren Durchsuchungen jetzt mögliches Beweismaterial sichergestellt, das in den nächsten Wochen ausgewertet wird. Es wurden zudem Vermögensgegenstände sichergestellt, um eine eventuell später durch ein Gericht angeordnete Einziehung nicht zu gefährden, sagte Römhild.

Riskante Kapitalanlage

Die WGS-Fonds – die Buchstaben stehen für Wohnungsbaugesellschaft Stuttgart – sind sogenannte geschlossene Immobilienfonds, eine riskante Anlage, die für unerfahrene Anleger nicht zur Altersvorsorge taugt. Doch genau so wurden die 41 Fonds, die von 1987 bis 1996 von der WGS herausgegeben wurden, verkauft – vor allem an Privatanleger, darunter Tausende aus dem Großraum Stuttgart. Die Anlage erwies sich schnell als Flop. 1997 meldete die WGS Insolvenz an. Seither hat die GVV die Geschäftsführung bei vielen WGS-Fonds übernommen.

In der Branche werden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft genau verfolgt. Der Vorwurf, den Immobilienexperten erheben: Es finde beim Verkauf der von der GVV betreuten Immobilien nur eine unzureichende Verkaufsvermarktung statt, es werde wenig unternommen, um das Immobilienobjekt zu einem guten Preis zu verkaufen. Zwar habe die GVV „als Geschäftsführerin der Fonds die Verpflichtung, die sich bietenden Geschäftschancen bestmöglich im Interesse der Fonds und damit indirekt auch für die Fondsanleger auszunutzen“, sagt der Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Jörg Maile von der Kanzlei Kullen Müller Zinser. „Bei mehreren bonitätsstarken Kaufinteressenten muss die Geschäftsführerin die Verkaufsverhandlungen grundsätzlich so führen, dass der höchste Kaufpreis für die Immobilien geboten wird“, so Maile, der selbst schon Mandanten im Streit mit der GVV Hausverwaltung erfolgreich vertreten hat. Jedem Geschäftsführer werde dabei aber eine gewisse Abwägung zugebilligt, weshalb es juristisch schwierig sei, dabei ein Fehlverhalten nachzuweisen. Merkwürdig sei jedoch, dass über Jahre hinweg beim Verkauf der Fondsimmobilien aus dem GVV-Bestand in vielen Fällen stets die Wohninvest oder ein ihr verbundenes Unternehmen den Zuschlag bekommen habe. Dabei sei der Preis, den Wohninvest geboten habe, meist nur marginal höher als der von Mitbietern gewesen. Auffallend sei zudem: Das letzte Angebot der Wohninvest kam häufig kurz vor der Gesellschafterversammlung oder kurz danach auf den Tisch. Branchenvertreter fragen deshalb: Woher weiß die Wohninvest offenbar meist den Preis, den sie bieten muss, um andere Anbieter kurz vor Torschluss zu überbieten?

Verlustgeschäft für Kleinanleger

Das Vorgehen der GVV sei inzwischen stadtbekannt, heißt es in der Branche. In der Landeshauptstadt fänden sich kaum noch Makler, die bereit wären, einen Verkaufsprozess zu führen, weil klar sei: Zum Schluss komme immer die Wohninvest mit einem Angebot um die Ecke und erhalte den Zuschlag. Die GVV halte zudem häufig wichtige Unterlagen zurück, die für potenzielle Investoren interessant seien. Ein offenes Bieterverfahren werde nicht angestrebt, oft werde auf ein Verkehrswertgutachten verzichtet. Viele Kleinanleger, für die sich ihre Beteiligung an WGS-Fonds seit Jahren als ein Verlustgeschäft erwiesen hat, seien am Schluss einfach froh, überhaupt noch etwas Geld zu sehen“, sagt Maile. Er rät den Anlegern, sie sollten „darauf bestehen, dass vor einem Verkauf ein unabhängiger Immobiliengutachter die Immobilie bewertet.“