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Die Beteiligung am Sillenbucher Markt war für Tausende von Anlegern ein Verlustgeschäft. Auch der Verkauf der Immobilie enttäuscht. Bei Fragen gehen die Handelnden auf Tauchstation.

StuttgartUnter den Gesellschaftern des Immobilienfonds Sillenbucher Markt rumort es noch immer. Ein Jahr ist es nun her, dass der Immobilienkomplex, zu dem eine Seniorenresidenz, zahlreiche Läden und Gaststätten gehören, für 22,5 Millionen Euro verkauft worden ist. Viele Anteilseigner halten das für einen Schnäppchenpreis angesichts des boomenden Immobilienmarkts. Malte Schwarz, Rechtsanwalt der VR-Bank Asperg-Markgröningen, die Anteile an dem geschlossenen Immobilienfonds hält, kann das nur unterstreichen. Das Objekt, das verkehrsgünstig liegt, „macht einen sehr guten Eindruck in guter Lage“. Es handele sich keineswegs um eine Schrottimmobilie. „Wir halten den Preis in keiner Weise für angemessen“, sagt der Anwalt der VR-Bank. Auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung, die Ende März 2017 in der Liederhalle stattgefunden hat und auf der es nach Aussagen von Teilnehmern turbulent zugegangen ist, wird gleichwohl der Verkauf beschlossen. Denn: Die GVV-Hausverwaltungs GmbH in Stuttgart, die den Fonds verwaltet und die Gesellschafter betreut, hatte aufgrund von schriftlichen Vollmachten die notwendige Dreiviertelmehrheit der Stimmen sicher.

Wer den Sillenbucher Markt gekauft hat, haben die Gesellschafter von der GVV bis heute nicht offiziell erfahren. Auf Nachfragen Einzelner bei der GVV soll das Immobilienunternehmen Wohninvest in Fellbach als Käufer genannt worden sein. Anfragen unserer Zeitung lässt die GVV unbeantwortet. Bei der Wohninvest Holding gibt es nur die Auskunft, dass „wir uns zu Geschäftsabläufen grundsätzlich nicht äußern“. Hinweis auf eine Verbindung gibt der Briefkasten der Wohninvest in Fellbach, an dem neben zahlreichen Tochterfirmen auch eine Sillenbucher Markt GmbH & Co. KG angegeben ist, die am 10. März 2017 ins Handelsregister beim Amtsgericht Stuttgart eingetragen worden ist und deren Geschäftsführer ein Prokurist der Wohninvest ist.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die GVV Fondsimmobilien an die Wohninvest verkaufen hätte. Und es wäre nicht das erste Mal, dass Gesellschafter mit dem niedrigen Verkaufspreis hadern. In einem Fall aus dem Jahr 2016 haben Gesellschafter gegen die GVV geklagt, den Verkaufsbeschluss vor dem Landgericht Stuttgart angefochten und auch recht bekommen. Rechtskräftig geworden ist das Urteil dennoch nicht. „Vor dem Oberlandesgericht haben die Parteien einen umfangreichen Vergleich geschlossen“, teilt der Sprecher des Landgerichts Stuttgart mit.

Misstrauisch macht die bisherigen Gesellschafter des Sillenbucher Markts, dass der Verkauf ohne vorangegangenes Verkehrswertgutachten über die Bühne gegangen ist. „Wir halten ein derartiges Vorgehen für absolut unüblich – insbesondere bei der Größe und dem Umfang der Immobilie“, sagt Rechtsanwalt Schwarz. Die Volksbank ist ihm zufolge im Besitz eines alten Verkehrswertgutachtens über die Immobilie Sillenbucher Markt aus dem Jahr 2004, das seinerzeit die VR Wert Gesellschaft für Immobilienbewertungen erstellt hat. Darin ist das Objekt mit einem Marktwert von 30,2 Millionen Euro angesetzt. „Wenn man die Immobilienpreisentwicklung in Deutschland und insbesondere auch in Stuttgart betrachtet, ist wohl davon auszugehen, dass sich heute ein wesentlich höherer Kaufpreis erzielen lassen würde“, so Schwarz. Die Volksbank geht von einem Wertzuwachs von mindestens 30 Prozent aus im Vergleich zu 2004. Es gibt weitere Ungereimtheiten. In der Einladung zur außerordentlichen Gesellschafterversammlung war von einem Angebot in Höhe von 20,5 Millionen Euro die Rede, das befristet war bis zum Tag der Abstimmung 24 Uhr. Über dieses wurde laut Protokoll der Versammlung auch abgestimmt. In einem Schreiben vom Dezember 2017 informierte die GVV die Gesellschafter gleichwohl, dass die Fondsimmobilien zu einem Preis von 22,5 Millionen Euro verkauft wurden.

Es wäre möglicherweise mehr drin gewesen. Ebenfalls im Protokoll ist vermerkt, dass es zwei weitere Angebote gab, die jedoch nicht zum Zuge kamen. Einer der Kaufinteressenten war die ZBI Immobilien AG aus Erlangen. „Wir sollten innerhalb von zwei bis drei Tagen ein bindendes Kaufangebot vorlegen, das notariell beurkundet sein musste“, sagt ZBI-Vorstand Mark Münzing. Zu einem so frühen Zeitpunkt des Verkaufsprozesses sei das „absolut unüblich“. Allein die Beurkundung durch den Notar wäre mit 50 000 bis 70 000 Euro zu Buche geschlagen. Diesen Betrag gebe man nicht einfach so aus, wenn einem schon beim ersten Treffen mit dem GVV-Geschäftsführer Gerald Eisenhardt deutlich signalisiert werde, dass es kein Interesse an dem Kaufangebot gebe, sagt der ZBI-Vorstand. „Das Vorgehen erschien uns extrem unseriös.“

Der Sillenbucher Markt ist der Erlanger Immobilienfirma ZBI im Juni 2017 noch einmal angeboten worden, sagt der ZBI-Vorstand, „von einem Makler, der nicht wusste, dass wir schon mal an dem Objekt dran waren“. Der geforderte Preis lag Münzing zufolge bei 51,8 Millionen Euro. Das zeige doch, dass der Verkaufspreis im März 2017 mit 22,5 Millionen Euro „viel zu niedrig war“, sagt Münzing. ZBI hatte im März vergangenen Jahres 24,5 Millionen Euro geboten. Das sei aber nicht das letzte Wort gewesen, versichert der Vorstand. Man habe den Preis vorsichtig angesetzt, weil es Probleme mit der Baugenehmigung für die gläsernen Brücken zwischen den Bauteilen gegeben habe. Wäre diese Frage gelöst worden, wäre Münzing nach eigenem Bekunden bereit gewesen, bis auf 30, möglicherweise sogar 35 Millionen Euro zu gehen. „Das Konzept Sillenbucher Markt halte ich für vernünftig“, sagt Münzing.

Doch so weit kam es nicht. Als ZBI nach einem Besichtigungstermin am 24. März das Angebot bestätigte, sei es nicht mehr gelungen, bis zur außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 28. März mit GVV in Kontakt zu treten. „Der ganze Prozess diente erkennbar nur dazu, Dritte fernzuhalten“, sagt Münzing. „Die Frage drängt sich auf, ob es eine Verbindung zwischen GVV und Wohninvest gibt.“ Selbst der Beirat des Immobilienfonds, der Sprachrohr der Anleger sein und den Handelnden auf die Finger schauen soll, vermag nicht, Licht ins Dunkel zu bringen. „Der Beirat hat gegen den Verkauf gestimmt“, sagt der Vorsitzende Fritz-Joachim Kunze. Stutzig macht ihn, dass zum Zeitpunkt der Abstimmung etwas über 2000 der rund 5500 Fondsanteile in der Hand von einem Gesellschafter waren. Auch hierzu schweigt sich die GVV aus. „Es ist merkwürdig, dass ein Investor mit gut 2000 Anteilen, bei der Gesellschafterversammlung, die über den Verkauf der Immobilie abstimmt, nicht persönlich anwesend ist, sondern eine Vollmacht ausstellt“, sagt auch Finanzanlagenfachmann Richard Kühn, der mit Vollmachten zweier Gesellschafter ausgestattet an der Versammlung teil nahm. „Wer so viele Anteile hält, müsste doch ein Interesse daran haben, dass nicht das billigste Angebot zum Zuge kommt.“ Das Verhalten der GVV nennt Kühn „intransparent und äußerst fragwürdig“. Für die Anleger war der Erwerb von Anteilen am Sillenbucher Markt keine lohnende Investition. Als der Fonds Mitte 1994 aufgelegt wurde, kostete ein Anteil umgerechnet rund 16 200 Euro. Im Dezember 2017 stellte die GVV bis zur Eintragung des neuen Erwerbers im Grundbuch eine Abschlagszahlung pro Anteil von 3600 Euro in Aussicht. „Deutlich mehr wird es wohl auch nicht werden“, vermutet Kühn.