Der im Rollstuhl sitzende Landmaschinentechniker Andre Beez und Urs Schneider (r.) vom Frauenhofer-Institut. Foto: Uni Stuttgart Quelle: Unbekannt

Stuttgart (eh) - Oft ziehen sich Soldaten aus Osteuropa in Kriegsgebieten wie Afghanistan oder Irak eine Querschnittslähmung zu. Ihre Wiedereingliederung in den Alltag gestaltet sich in Ländern wie Georgien, Ukraine, Russland, Rumänien oder Polen äußert schwierig. Ihnen bietet allein der heimische Hof Tätigkeit - dort aber können sie nicht mitarbeiten, weil sie zum Beispiel nicht Traktor fahren können. Studenten aus Stuttgart arbeiten an einer kostengünstigen Assistenzhilfe.

Einmal im Jahr lädt Urs Schneider, Abteilungsleiter am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), Studierende der Universität Stuttgart zu einem mehrtägigen Workshop ein, um Wissenschaft und Praxis zu vereinen. Die Aufgabenstellung an die 58 angehenden Medizintechnikingenieure lautete diesmal: Sie sollen eine funktionale und preisgünstige Hebehilfe für Querschnittgelähmte entwickeln, damit diese wieder auf einem Traktorsitz Platz nehmen können. „Ich kenne den Bedarf aus der Landwirtschaftsrehabilitation verletzter Soldaten in Osteuropa“, berichtet Schneider, der Gründungsmitglied einer internationalen Fachgesellschaft für Rollstuhltechnik ist. Tätig ist er zudem für die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Etwa zehn Prozent der Weltbevölkerung ist laut Schneider auf einen Rollstuhl angewiesen. Allein in Deutschland leben rund eine Million Menschen mit einer Querschnittslähmung. Die häufigsten Ursachen sind Verkehrsunfälle, Stürze oder Arbeitsunfälle. Die Patienten ziehen sich ihre Verletzung im Durchschnitt mit nur 23 Jahren zu. Rund die Hälfte ist arbeitsunfähig und erhält Rente. Was nicht zwangsläufig sein müsste: „Studien und Forschungsprojekte zeigen, dass ihre Reintegration ins Berufsleben Sinn macht“, sagt Schneider.

Was in Deutschland oft schon eine große Herausforderung ist, gestaltet sich in osteuropäischen Ländern wie Georgien, Ukraine, Russland, Rumänien oder Polen noch schwieriger. „Hier fehlt meistens das Geld für eine professionelle Wiedereingliederung. Stattdessen bietet der heimische Hof Rückzug und Tätigkeit. Hier können Patienten aber nicht mitarbeiten, weil die nötigen Assistenzsysteme fehlen“, weiß Schneider. Oft gebe es keine funktionale und preiswerte Lösung, um zum Beispiel auf einen Traktorsitz zu gelangen.

Um eine solche Hebehilfe zu entwickeln, hat Schneider den querschnittgelähmten Landmaschinentechniker André Beez mit ins Boot geholt, der schon viele Assistenzsysteme für die Landwirtschaft gebaut hat. Vier Tage lang hat er zusammen mit den Studenten daran getüftelt, wie man aus dem Rollstuhl auf den oft mannshohen Trakor und zurück gelangen und wie ein Rollstuhl in der Kabine verstaut werden könnte. „Es wurden mehr als 100 Teilkonzepte und daraus 13 Lösungsvarianten methodisch erarbeitet“, berichtet Schneider zufrieden. „Es waren sehr pragmatische Konzepte dabei.“ Ob sich die eine oder andere Idee mit potenziellen Partnern umsetzen ließe, darüber denke man jetzt nach.

Der Einsatz der Hebehilfe sei nicht nur für Traktoren denkbar, sondern auch in anderen großen Fahrzeugen oder auch im häuslichen Bereich. Die Herausforderung aber lautet: „Sie muss unter 1000 Euro machbar sein“, erklärt Schneider. Das sei „grundsätzlich denkbar, wenn auch herausfordernd“.