Die massiven Kontrollen werden nun zurückgefahren. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth - Lichtgut/Achim Zweygarth

Geheimdienstinformationen, seltsame Beobachtungen und eine Verknüpfung von Vorfällen, die letztlich nichts miteinander zu tun haben: Alles nur ein Missverständnis. Die Polizei hebt den Terroralarm am Flughafen wieder auf.

StuttgartEs darf doch noch Weihnachten werden: Der Terroralarm am Stuttgarter Flughafen ist spätestens am Samstag zu Ende. Der Grund: Die Polizei hat am Freitag die vier Verdächtigen, die mit der mutmaßlichen Ausspähung des Airports auf den Fildern wie auch in Paris zu tun gehabt haben sollen, dingfest gemacht und deren Wohnungen durchsucht. „Und zwar wegen des Verdachts einer Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“, sagt Heiner Römhild, Sprecher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Doch offenbar bleibt davon nicht viel übrig. Haftbefehle wurden nicht beantragt. Die Durchsuchungsaktionen am Freitag galten letztlich nur noch zwei Beschuldigten. Bei zwei anderen hatte sich der Tatverdacht schon vorab nicht erhärtet. Nämlich genau bei den beiden jungen Männern, die am 12. Dezember am Stuttgarter Flughafen auffällig geworden waren. Sie hatten eine Frau zum Flughafen gebracht und auffällig lange und aufmerksam beobachtet, wie diese Frau durch die Sicherheitskontrollen ging. „Das hatte sie verdächtig gemacht“, sagt Polizeisprecher Christian Wörner, „doch sie sind komplett unschuldig.“ Verdächtig, weil es Geheimdienstinformationen über einen islamistisch-terroristischen Anschlag auf einen Flughafen im Südwesten gab. Ein Mann soll in einem Dialog über Facebook einen solchen angekündigt haben. Verdächtig auch deshalb, weil am 13. Dezember auch noch am Flughafen Charles de Gaulle in Paris ein deutscher Lieferwagen auffiel, dessen Insassen den Flughafen auszuspähen schienen. Diese beiden Fälle wurden nun am Freitag endgültig geklärt. So gab es eine Razzia bei dem Halter des Transporters, einem 48-jährigen Deutsch-Marokkaner in Aachen.

Besuch bekam auch der Urheber der Facebook-Botschaften, die er unter falschem Namen mit einer Frau in Nordafrika ausgetauscht haben soll und dabei dem marokkanischen Geheimdienst auffiel. Die Ermittler spürten ihn in Baden auf: Es handelt sich dem Vernehmen nach um einen aus dem Libanon stammenden 28-Jährigen, der im badischen Ortenaukreis im Regierungsbezirk Freiburg lebt. Die Ermittler fanden offenbar keine Nachweise, dass er tatsächlich einen Anschlag plante. „Es bestehen begründete Zweifel an der Ernsthaftigkeit“, so das Fazit der Staatsanwaltschaft. Offenbar ein Aufschneider und Wichtigtuer, so eine nicht offiziell geäußerte Einschätzung. Der 48-Jährige aus Aachen, der von Terrorexperten in den Medien salafistischen Kreisen zugerechnet wird, war selbst nicht in Paris gewesen. Laut Polizei konnte er glaubhaft darlegen, warum das Firmenfahrzeug in Frankreich unterwegs war. Die Durchsuchungen erbrachten keine Hinweise, dass ein Anschlag vorbereitet worden sein könnte. „Der 48-Jährige hat auch keinerlei Verbindung zu dem Mann in der Ortenau“, sagt Staatsanwaltssprecher Römhild. Am Mittwochabend waren die Sicherheitsmaßnahmen am Stuttgarter Flughafen deutlich erhöht worden. Da wurde erstmals wurde öffentlich, dass seit einigen Tagen gegen Verdächtige ermittelt wird, die Flughäfen für Anschläge ausspähen sollen. Offensichtlich wurden Vorgänge verknüpft, die letztlich nichts miteinander zu tun hatten. Polizei und Staatsanwaltschaft betonnen, dass alle überprüften Verdächtigen nicht zum Kreis der Gefährder zählten. Entsprechende Aussagen von Terrorexperten seien „nicht zutreffend“.

Die Ermittlungen zeigen aber auch, auf welch dünnem Eis der Paragraf 89a des Strafgesetzbuches steht. Demnach drohen zwar sechs Monate bis zehn Jahre Haft, wer der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat für schuldig befunden wird. Normalerweise muss ein Straftäter seine Tathandlung begonnen haben, sozusagen das Messer bereits in der Hand, um ihn belangen zu können. Bei einer mutmaßlichen Vorbereitung allerdings ist ein objektiver Nachweis weitaus schwieriger. So stehen die Ermittlungsbehörden scheinbar in kurzen Hosen da, wenn die Verdächtigen wieder auf freien Fuß gesetzt werden müssen. Für die Polizei war es aber auch aus präventiven Gründen dringend notwendig, vorsorglich mit schwer bewaffneten Beamten Flagge zu zeigen. Die Bundespolizei schickte ihre Antiterrorspezialisten zum Flughafen. „Wir sind für die Gefahrenabwehr zuständig“, sagt Sprecher Jonas Große, „und müssen deshalb auch für den unwahrscheinlichen Fall der Fälle gerüstet sein.“ Innenminister Thomas Strobl zieht ein positives Fazit: „Wir nehmen alle Hinweise auf Bedrohungen ernst und treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten.“