Illustratorin und Grafikerin Tina Krehan bei der Arbeit. Quelle: Unbekannt

Von Andrea Eisenmann

Stuttgart - Irgendwann hat Tina Krehan genug. Genug von den Vorgesetzten in den Werbeagenturen, die mit immer neuen Wünschen um die Ecke kommen und nie zufrieden sind. Genug von der Aussicht, auch in den kommenden Jahren so arbeiten zu müssen. Genug davon, unglücklich zu sein. Krehan zieht die Reißleine und wagt den Schritt in die Selbstständigkeit. Und sie verlässt Frankfurt und zieht mit ihrem Baby zu ihrem Partner nach Stuttgart. Dieser ist es auch, der sie auf die Idee bringt, es einmal mit einem Wimmelbuch zu probieren. Schließlich stehen diese sowohl bei ganz kleinen Lesern, als auch älteren Kindern hoch im Kurs. Und das nicht von ungefähr: Es wuselt darin von unzähligen Geschichten aus dem Alltag. Immer wieder lässt sich in den Büchern etwas neues entdecken - ohne eine Zeile Text.

Allerdings sollte es ein spezielles Wimmelbuch werden. Eines, in dessen Mittelpunkt die Landeshauptstadt und deren Bewohner stehen. Krehan zieht los, macht Fotos von Gebäuden und Plätzen aus verschiedenen Perspektiven, setzt sich auf Bänke und lässt die Atmosphäre der Stadt auf sich wirken. Es wird eine besondere Entdeckungstour. „Ich habe dadurch Stuttgart kennen- und liebengelernt“, sagt sie rückblickend.

Noch fehlt jedoch ein Verlag, der Interesse an dem Vorhaben zeigt. Eine Bekannte erzählt ihr vom Silberburg-Verlag und dass sie für diesen gerade an einem Buch arbeitet. Noch am selben Abend setzt sich die Mutter an den Computer und schreibt eine Email. „Am nächsten Tag klingelte um zehn Uhr das Telefon. Der Verlag hatte Interesse.“ Es wird Krehans erstes Wimmelbuch. Rund neun Monate arbeitet sie daran - mit dem Ergebnis, dass es für die kleinen Betrachter seit 2014 auf dem Marienplatz, auf dem Flughafen, in der Wilhelma und auf dem Wasen jede Menge zu entdecken gibt. Mehr als 50 Personen gehen auf jedem Bild verschiedenen Tätigkeiten nach, es sind kleine und große Geschichten, die auf mehreren Seiten erzählt werden. Das Buch „Stuttgart wimmelt“ wird ein voller Erfolg, bereits die sechste Auflage ist derzeit im Handel erhältlich.

Tina Krehan hat ihre Berufung - und auch ihren Spaß an der Arbeit wieder - gefunden. Es folgen Wimmelbücher über die Schwäbische Alb, die Wilhelma, die Stadt Backnang, den Bodensee und den Fernsehturm in Stuttgart. Fast alle ihrer gezeichneten Figuren gibt es wirklich. Freunde und Bekannte müssen als Models herhalten, regelmäßig dienen der 45-Jährigen ihre Kinder im Alter von drei und neun Jahren als Vorlage - samt deren zuvor geäußerten Kleidungswünsche.

Auch reale Besucher in der Wilhelma oder auf dem Fernsehturm wurden aufs Papier beziehungsweise Zeichenboard gebracht. Derzeit dürfen die Mitarbeiter der Firma Stihl bei Krehan Schlange stehen - der Waiblinger Sägenhersteller hat ein Wimmelbuch bei der Illustratorin in Auftrag gegeben. „Es soll aber kein Werbekatalog für das Unternehmen werden“, versichert Stuttgarts „Mrs. Wimmelbuch“. Und auch das nächste Projekt steht bereits in den Startlöchern: Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) feiert im kommenden Jahr ihr 150-jähriges Bestehen und lässt es deshalb ebenfalls wimmeln.

Rund zwei Wochen braucht die Illustratorin im Schnitt pro Bild. Wenn es nach ihr ginge, würde sie gern die doppelte Zeit investieren. Dem steht allerdings oft der Erscheinungstermin im Weg, der eingehalten werden muss. Je näher dieser rückt, desto mehr Abend- und Nachtschichten werden von der zweifachen Mutter eingelegt.

Worüber sie Krehan freut, sind die Reaktionen ihrer Leser. In ihrem Erstlingswerk taucht auf jeder Doppelseite Hund „Rufus“ auf- mit Ausnahme jener über die Wilhelma. Zahlreiche Anfragen gehen deshalb bei ihr ein. Allerdings kann die Wahlstuttgarterin die Abwesenheit des Vierbeiners erklären. „Im zoologisch-botanischen Garten haben Hunde keinen Zutritt.“ In ihrem Wimmelbuch über den Bodensee vergaß sie dann aber tatsächlich, einen Hund an Bord der Fähre zu zeichnen. „Das habe ich in der zweiten Auflage nachgeholt.“