Quelle: Unbekannt

Ein breites Bündnis in Stuttgart will die politischen Verhältnisse in den USA, in Russland, in der Türkei und auch in Polen nicht einfach so stehen lassen. Mit vielen Aktionen würdigt man hier die UN-Menschenrechtscharta, die 1948 in Kraft getreten ist. Zwei Akteure fehlen.

StuttgartDas Netzwerk „Vielfalt – 0711 für Menschenrechte“ entwickelt sich zu einer der größten Bürgerbewegungen der vergangenen Jahre in der Landeshauptstadt. Mehr als 220 Stuttgarter Institutionen haben sich zusammengetan, um die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 70 Jahre nach ihrer Verabschiedung durch die UN zu würdigen. „Wir ertrinken fast im Erfolg“, sagt Michael Kienzle. Der Vorstand der Stiftung Geißstraße hat die Initiative mit Peter Grohmann von den Anstiftern ins Leben gerufen. Wie viele Veranstaltungen bis zum Jahrestag der Ratifizierung der Charta am 10. Dezember unter der Überschrift „0711 für Menschenrechte“ exakt laufen werden, weiß Kienzle zwar nicht. Sicher sei, „dass es sehr viele sind – und es sind wirklich alle dabei, die Rang und Namen haben“. Bei der Eröffnungsveranstaltung am Mittwoch, 14. November, um 19 Uhr im Rathaus spricht unter anderem der Kulturwissenschaftler und Publizist Micha Brumlik vom Selma-Stern-Zentrum für jüdische Studien in Berlin über die Frage „Die Gedanken sind frei – aber wann hat der Mensch das Recht auf Menschenrechte?“. Den Abschluss der Aktionstage markiert am 10. Dezember ein Abend mit der Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann im Stadtpalais. Mit OB Fritz Kuhn, der Landtagspräsidentin Muhterem Aras und Kienzle spricht die Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels über „Menschenrechte und Menschenpflichten“.

CDU und AfD bleiben außen vor

Wie wichtig solche Debatten sind, zeige sich bei einem Blick auf die Türkei, sagt Kerim Arpad. Wer in Ankara oder Istanbul eine vergleichbare Aktion starten wolle, „würde vielleicht nicht gleich im Gefängnis landen, aber einige Hemmnisse gäbe es schon“, meint der Geschäftsführer des Deutsch-Türkischen Forums. Dass in Stuttgart das Gegenteil der Fall sei, hält er nicht für Zufall: „Die Stadt hat eine breite Zivilgesellschaft, die sehr aktiv ist.“ Und die Initiative „0711 für Menschenrechte“ öffne die Horizonte jedes Einzelnen weiter: „Die Kooperation bringt Leute zusammen, die sich sonst nicht treffen würden“, so Arpad. Auch die Intendanten aller Stuttgarter Theater versammeln sich unter dem Dach der Vielfalts-Initiative. Ende voriger Woche trafen sie sich auf dem Schillerplatz für ein gemeinsames Foto. Der Ort war mit Bedacht gewählt, sagen die Intendanten des Schauspiels Stuttgart und der Schauspielbühnen, Burkhard C. Kosminski und Axel Preuß, unisono. Keiner habe die Bedeutung der Menschenrechte prägnanter gefasst als Friedrich Schiller: „Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht / Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, / Wenn unerträglich wird die Last – greift er / Hinauf getrosten Mutes in den Himmel, / Und holt herunter seine ewigen Rechte, / Die droben hangen unveräußerlich / Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst“. So heiße es im „Wilhelm Tell“ – „als Theatermacher stehen wir in der Schiller’schen Tradition: Jeder Mensch hat ein angeborenes Recht auf Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit“.

Das sieht auch Walter Rogg so. „Weil auch die hiesige Wirtschaft ohne Freizügigkeit und die Vielfalt der Menschen und Kulturen nicht funktionieren würde“, hat sich der oberste Wirtschaftsförderer der Region Stuttgart der Aktion angeschlossen. Den Mitgliedsbeitrag der Initiative von 50 Euro zahlt er allerdings aus eigener Tasche, wie er betont – „nicht dass wir für unser Engagement kritisiert werden“. Denn abgesehen von Grünen, SPD, FDP, Freien Wählern, Linken und SÖS, die die Menschenrechts-Initiative unterstützen, gibt es auch zwei Parteien, die dem Bündnis fern bleiben: CDU und AfD.