Die Mehrheit der Studenten Foto: Lichtgut / Ferdinando Iannone - Lichtgut / Ferdinando Iannone

Das landesweiter Semesterticket ist den Studenten zu teuer. Das zeigen die bisherigen Ergebnisse einer Umfrage.

Stuttgart525 Euro, das ist viel Geld – zumal für Studenten. Aber so viel Geld soll ein Student in Stuttgart zukünftig berappen, wenn er ein landesweites Semesterticket für Baden-Württemberg haben möchte. So zumindest sieht es das Modell vor, das die Landeskonferenz der Studentenausschüsse mit der Deutschen Bahn, den baden-württembergischen Verkehrsbetrieben, dem Verkehrsministerium sowie dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst erarbeitet hat.

Über dieses Modell wurde im Frühjahr in einer Online-Umfrage abgestimmt. Das Ergebnis liegt nun vor: Von den teilnehmenden 37.562 Studierenden haben 51,5 Prozent die Einführung des Tickets abgelehnt. Deutlicher aber ist eine andere Zahl: Eine überwältigende Mehrheit von mehr als 95 Prozent wäre für eine landesweite Nutzung nicht bereit, zusätzlich 270 Euro zu bezahlen.

„Das heißt aber nicht, dass die Studierenden kein landesweites Semesterticket wollen“, sagt Florian Wondratschek, Sprecher des Arbeitskreises Landesweites Semesterticket. „Sie wollen es nur nicht zu diesen Konditionen und für diesen Preis.“ So habe die Umfrage gezeigt, dass grundsätzlich eine erhöhte Zahlungsbereitschaft für ein landesweites Semesterticket besteht. Durchschnittlich beträgt diese im Landesschnitt 50 Euro mehr, was aber deutlich weniger ist als die im Vorschlag geplanten 270 Euro.

In Stuttgart müsste man für das landesweite Semesterticket etwa 525 Euro zahlen – es wäre damit das bundesweit teuerste. In Tübingen hingegen wären es weniger als 400 Euro. Zur Erklärung: Die unterschiedlichen Preise in den baden-württembergischen Universitätsstädten kommen durch die unterschiedlich hohen Solidaritätsbeiträge und vor allem die unterschiedlichen Preise für das lokale Studi-Ticket zustande.

Um eine Entscheidung treffen zu können, ob das landesweite Semesterticket eingeführt werden soll, haben die Verkehrsverbünde eine Urabstimmung an allen Hochschulen und Universitäten vorausgesetzt auf der Basis einer Zweidrittelmehrheit. Vier Hochschulen haben ihre Urabstimmungen abgeschlossen: die PH Heidelberg stimmte mit 51 Prozent, die Universitäten Heidelberg und Ulm mit je 77 Prozent und die PH Ludwigsburg mit gut 80 Prozent gegen das landesweite Semesterticket. „Spätestens nach einer weiteren Ablehnung bei der anstehenden Urabstimmung in Hohenheim muss darüber befunden werden, ob die geforderte Zweidrittelmehrheit im Land noch realistisch ist“, sagt Wondratschek. Seiner Einschätzung nach sieht es schlecht aus für das landesweite Semesterticket. Das wundert ihn nicht: „Die Verkehrsbetriebe kalkulieren wirtschaftlich – und das Land schießt keinen Cent dazu.“

Auch Gabi Rolland, Sprecherin für studentische Angelegenheiten der SPD-Landtagsfraktion, sieht die Verkehrsverbünde und das Land in der Pflicht. Für den Doppelhaushalt 2018/19 hatte die SPD einen Antrag gestellt, der einen Zuschuss für das Semesterticket in Höhe von 20 Euro pro Monat forderte. Für das Jahr 2019 wären das insgesamt 3,5 Millionen Euro gewesen. „Bedauerlicherweise wurde das von den Regierungsfraktionen Grüne und CDU abgelehnt“, sagt Rolland. Edgar Neumann, Leiter der Pressestelle im Verkehrsministerium, bestätigt noch einmal, dass die Landesregierung „nicht beabsichtigt, einen über die Mittel nach dem Personenbeförderungsgesetz hinausgehenden finanziellen Beitrag zu leisten“. Die regionalen Semestertickets würden dadurch bereits mit ungefähr 25 Millionen Euro unterstützt.

Rollands Ansicht nach war unter den gegebenen Voraussetzungen eine Ablehnung des landesweiten Semestertickets zu erwarten gewesen: „Obwohl die Studierenden immer deutlich gemacht haben, dass das Ticket zu teuer ist, sind die Verkehrsverbünde bei den Verhandlungen nicht von ihrer Position abgerückt.“ Der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) hingegen sieht die Schuld beim Land: „Die Modelle für das landesweite Semesterticket sind keine Preise, die der VVS entwickelt hat, sondern das Verkehrsministerium“, sagt die Pressesprecherin Pia Scholz. Bei den Preisen, die der VVS beeinflussen kann, bleibe alles beim Alten.

Wondratschek will die aus der Umfrage gewonnenen Daten nutzen, um sich auf weitere Verhandlungen vorzubereiten. Ihm schwebt alternativ ein System vor, das vergleichbar mit dem in Nordrhein-Westfalen ist: Dort muss an 99 Prozent aller Unis jeder Studierende obligatorisch das Semesterticket NRW kaufen – der Preis von 196,62 Euro ist durch das Solidaritätsprinzip niedrig.

Letztlich müsse aber im Falle einer Ablehnung des Modells die Landeskonferenz der Studentenausschüsse darüber abstimmen, wie es weitergeht. Wondratschek hofft, dass sich das Land und die Verkehrsbetriebe dann noch einmal auf Verhandlungen einlassen. „Grundsätzlich sind wir immer gesprächsbereit“, sagt Scholz. Eine alternative Ein-Komponenten-Lösung habe die VVS allerdings bereits 2016 mit den Studierendenvertretern besprochen. Diese Möglichkeit habe bei den Studenten aber keinen Anklang gefunden, weil nicht jeder mehr als den Solidarbeitrag zahlen möchte. Auch Neumann vom Verkehrsministerium signalisiert Gesprächsbereitschaft: Es empfehle sich, die Einführung eines landesweiten Semestertickets weiterzuverfolgen.

Die Landes-SPD fordert laut Rolland eine Wiederaufnahme der Verhandlungen: Wissenschaftsministerin Theresia Bauer und Verkehrsminister Winfried Hermann (beide Grüne) müssten „das landesweite Semesterticket zur Chefsache machen. Was in anderen Ländern geht, muss angesichts voller Kassen auch in Baden-Württemberg möglich sein“.