Cognac und Nüsse verschwinden in Hafendörfers Stollen Foto: Lichtgut/Julian Rettig - Lichtgut/Julian Rettig

Weihnachtszeit ist Stollenzeit – und wer kein Orangeat und Zitronat mag, für den gibt es eine leckere Alternative.

StuttgartMorgens um Viertel nach sechs ist im Heusteigviertel schon jede Menge los. Zumindest im Stammhaus der Bäckerei und Konditorei Hafendörfer, die seit 1898 in Stuttgart beheimatet ist und von Falk und Dirk Hafendörfer inzwischen in vierter Generation geführt wird. Fast 80 Mitarbeiter beschäftigt das Familienunternehmen, das in Stuttgart noch vier weitere Filialen besitzt. Während Frühaufsteher in der Heusteigstraße 35 den ersten Kaffee trinken, herzhaft ins belegte Brötchen beißen oder sich den Start in den Tag mit Gebäck und Weihnachtsgutsle versüßen, knetet Falk Hafendörfer (37) nebenan in der mollig warmen Backstube fleißig Christstollen. Seit mehr als zwei Stunden ist der Bäcker- und Konditormeister auf den Beinen. Ohne viele Worte arbeitet er Hand in Hand mit Thomas Schwarzmeier (56) und schiebt zügig ein Blech nach dem anderen in den Backofen. Während der eine mit einem Teighörnchen – einem Teigschaber mit blauem Griff – den fein nach Zimt, Kardamom und Cognac duftenden Hefeteig in 500 Gramm schwere Portionen teilt und auf der Waage das Gewicht kontrolliert, rollt der andere den Teig aus und formt mit ein paar Handgriffen flugs den Stollen.

Zweimal pro Woche macht sich Falk Hafendörfer ans Stollenbacken – und das seit 1. November. Inklusive Vorbereitung braucht er dafür drei Tage. Nach Weihnachten, sagt er, läuft die Produktion langsam aus. Denn dann sei die Nachfrage nicht mehr so groß. Bis Ende Dezember wird er wie fast jedes Jahr gut 1,5 Tonnen Stollen zubereitet haben. Eigenhändig, denn ums Teigmachen kümmert sich der Chef persönlich. „Nicht weil ich denke, ich kann es am besten. Doch wenn etwas danebengehen sollte, muss irgendjemand die Verantwortung übernehmen.“

Worauf es beim Stollen ankommt? „Auf die richtige Temperatur und auf gute Zutaten“, sagt Falk Hafendörfer. „Wenn der Teig keine Zimmertemperatur hat, geht er nicht richtig auf.“ Deshalb werden Rosinen und Walnüsse über Nacht in Cognac eingeweicht und müssen an einem warmen Ort ziehen. „Blutwarm“ sollen sie am nächsten Tag unter den Teig geknetet werden. Damit der Stollen eine goldbraune Kruste bekommt, wird er im vorgeheizten Backofen nur die ersten zehn Minuten bei 230 Grad gebacken, danach wird die Temperatur auf 190 Grad gesenkt. Kurzentschlossene können auch jetzt noch mit Backen anfangen. Denn eingewickelt in Frischhaltefolie ist der fertige Stollen schon nach fünf, sechs Tagen durchgezogen – und hat eine schön mürbe Konsistenz. „Mir“, sagt Falk Hafendörfer, „schmeckt er ohnehin frisch am besten.“

Onkel Fritzi aus Kärnten brachte den Bäcker auf die Idee, einen Butterstollen mit Walnüssen und Cognac zu kreieren, und beim diesjährigen Sommerurlaub mit Zelt und Fahrrad in Frankreich kam Falk Hafendörfer am Ufer der Charente an Destillieren vorbei und verkostete dabei auch den einen oder anderen Cognac. Als sein Onkel Fritzi aus Österreich wenige Wochen später anrief und von seiner Rekordernte bei Walnüssen berichtete, die Verwandtschaft aber keine so rechte Verwendung für 100 Kilogramm Nüsse hatte, probierte Hafendörfer mal wieder ein neues Stollenrezept aus – eines ohne Orangeat und Zitronat. „Es gibt einige Menschen, die das überhaupt nicht mögen. Für die gibt es Alternativen.“

Die Experimentierfreudigkeit des Bäckers hat sich schon mehrfach ausgezahlt. Vor ein paar Jahren etwa lernte er bei einer Weinprobe den damaligen Kellermeister der Weingärtner Bad Cannstatt kennen, und weil sie sich die beiden nicht einig waren, was denn nun besser sei, „ein guter Wein oder ein g’scheiter Stollen“, tüftelte Hafendörfer an einem Rotweinstollen. Den ließ er im Barriquefass der Wengerter reifen – und verzückte damit nicht nur den Kellermeister. Stollenliebhaber im In- und Ausland brachte er auf den Geschmack. „Ich war selbst überrascht, dass sich der Stollen zum Renner entwickelt hat und noch immer stark gefragt ist.“

Aber trotz Experimentierfreudigkeit darf eines im Stollen nicht fehlen, wie Falk Hafendörfer betont: Rosinen. „Wer die nicht mag, soll einen Hefekranz essen.“