Eisenbieger bei der Arbeit. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth - Lichtgut/Achim Zweygarth

Beim Besuch der Baustelle für die neue Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie zeigt sich, wie komplex die Überführung der Stadtbahn über die Gleise des künftigen Hauptbahnhofs ist.

StuttgartDer Wullesteg führt vom Hotel Le Méridien hinüber zum Schlossgarten. Von hier oben hat der Betrachter eine beeindruckende Aussicht auf die etwa 600 Meter lange Baustelle der künftigen Stadtbahn-Haltestelle Staatsgalerie. In Richtung Neckartor sieht man 15 Meter tief in den Teil der Baugrube, in dem die Stadtbahnen künftig aus der Haltestelle heraus- und in Richtung Neckartor weiterfahren. Immer schmaler wird der Graben bis hin zu der Stelle, an der im Frühjahr 2019 die Wand zur bestehenden Strecke durchbrochen wird. In lediglich vier Tagen soll Ende 2020 der zukünftige Anschluss verlegt werden. Manfred Meidinger sagt es so: „Die neuen Gleise werden in einer Hauruckaktion an das Bestandsnetz angeschlossen.“ Meidinger ist Architekt und bei der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) einer von zwei Projektsteuerern für den Neubau der Haltestelle, an der die U 1, U 2, U 4, U 9, U 11 und U 14 halten.

Meidinger und sein Kollege Markus Zwick erläutern die Baustelle auf einer exklusiven Führung für unsere Zeitung – und das ist auch gut so: Denn der Blick vom Wullesteg in die andere Richtung, also gen neue Haltestelle und Königin-Katharina-Stift dahinter, überfordert den Betrachter: Ein Gewirr von Stahlstreben und -stützen, Großregalen und Gitterpaletten sowie Schalungselementen für die Arbeit mit Beton erhebt sich aus der Baugrube, sodass der Blick kaum einen Halt findet. Drei Kräne und das silberne Förderband zum Beginn des Fildertunnels sind alles, was klar zu erkennen ist. Alles darunter erklärt sich dann erst beim Gang hinunter auf die bereits fertige Sohle der künftigen Haltestelle.

„Nach heutigem Stand werden wir Ende 2020 fertig sein“, sagt Markus Zwick, „wir gehen davon aus, dass die Stadtbahnen dann durch die neue Haltestelle in Richtung Charlottenplatz und Neckartor fahren werden.“ Zwick und Meidinger sehen sich im Zeitplan – für den Teil der Baustelle, den die SSB verantworten. Das betrifft nicht die Anbindung der Haltestelle an den Hauptbahnhof, wo U 9 und U 14 künftig wieder fahren sollen. Diese Anbindung verantwortet der Bauherr Bahn selbst. Die Arbeiten im Bereich der Schillerstraße sind noch nicht beauftragt; nach einem Bauzeitenplan aus dem vergangenen Jahr soll die Anbindung im Februar des Jahres 2023 fertig sein. Neuere Informationen gibt es nicht, sagt ein Bahn-Sprecher mit Verweis auf das „laufende Vergabeverfahren“.

Auf der Sohle angekommen, fällt ins Auge, dass der bereits in Beton gegossene Teil der Haltestelle erstaunlich fertig wirkt. Kein Wunder: Er bleibt, wie er ist, erklärt Meidinger: „In der Haltestelle wird der gleiche Weißbeton verarbeitet wie im Tiefbahnhof.“ Sie gehört zum Gesamtpaket Stuttgart 21 aus der Feder des Architekten Christoph Ingenhoven. Meidinger erläutert die „komplexe Arbeit“ an sichtbaren Details. Am Dach der Haltestelle, die teilweise im Freien liegen wird: Dieses hat eine Rundung von der röhrenartigen Tunnelwand her, einen Bogen in der Horizontalen und auch noch eine Aufkantung, die den Bogen zum Himmel wölbt.

„Das ist schon schalungstechnisch eine Herausforderung“, sagt Meidinger und meint die Gussform für den Beton. Genauso wie die Stahlstreben, die dem Beton die Festigkeit geben – die sogenannte Bewehrung. „Da sind so viele verschiedene Biegeradien drin, das ist fast schon Chirurgenarbeit“, erläutert Meidinger. Man darf gespannt sein, wie die sechs Meter hohe Haltestelle aussehen wird. Ende 2019 soll das Schalendach fertig sein, 2020 geht es um das Innenleben, um Funk, Elektrik und Fahrleitungen. Der Abzweig von der Staatsgalerie zum Hauptbahnhof wurde im Dezember 2017 gekappt und bleibt das bis zum Jahr 2023 mehr als fünf Jahre lang. Dass in der Baugenehmigung für den Tiefbahnhof von 2005 lediglich „eine Betriebspause von etwa zwei Wochen“ geplant war, hält Meidinger für „illusorisch“. Der 60-jährige Architekt kann sich diese Einschätzung nicht erklären. Doch auch die Ankündigung in einer Broschüre der SSB aus dem Jahr 2013, wonach die Sperrung zwei Jahre dauern soll, ist hinfällig. Dazu wollen die beiden nicht viel sagen, sie fühlen sich als Mosaikstein im großen Bahngebilde.

Die SSB bauen die Tunnel bis zum Nesenbach, der am nördlichen Ende des Katharinenstifts die Schillerstraße unterquert. Dort wird der Kanal künftig über den Stadtbahntunnel vom Hauptbahnhof her geführt, bevor das Wasser laut Meidinger „ungefähr zehn Meter abstürzt“. Im Anschluss ist bereits ein sogenannter Düker gebaut worden, also eine Druckleitung, mit der der Nesenbach unter dem Tiefbahnhof hindurchgeführt wird und beim Planetarium wieder in höhere Schichten gelangen soll. An der Staatsgalerie hat nicht alles auf Anhieb geklappt. Die Bohrpfähle beim Katharinenstift haben nicht gehalten, sie mussten verstärkt werden. Auf der anderen Seite der Baustelle beim Innenministerium haben sich Dolinen aufgetan, derentwegen kleinere Pfähle zusätzlich eingerammt wurden. Es fließt noch viel Wasser in Richtung Neckar, bis das alles fertig ist.