Dekan Christian Hermes Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt - Lichtgut/Christoph Schmidt

Der Stuttgarter Rat der Religionen gibt dem katholischen Stadtdekan Christian Hermes Rückendeckung. Er hat die Aufführung von Karl Jenkins’ Friedensmesse wegen eines darin enthaltenen Muezzin-Rufs in den katholischen Kirchen der Stadt untersagt.

StuttgartDer katholische Stadtdekan Christian Hermes erhält für das von ihm ausgesprochene Aufführungsverbot der Friedensmesse „The Armed Man“ von Karl Jenkins in allen katholischen Kirchen in Stuttgart Rückendeckung vom Rat der Religionen. Die Versammlung von 20 Religionsgemeinschaften, der Hermes selbst vorsitzt, habe mit Befremden die Debatte um das Werk des walisischen Komponisten wahrgenommen. In einer einstimmig gefassten Erklärung betont der Rat, „dass jede Religionsgemeinschaft selbst entscheidet und sich dafür keineswegs öffentlich rechtfertigen muss, welche Art von Veranstaltungen sie in ihren Räumen, insbesondere in ihren Kulträumen, zulässt und welche nicht“. Generell seien „die Kulträume einzelner Religionsgemeinschaften keine geeigneten Orte für multireligiöse Feiern“, schon gar nicht für Konzerte.

Hermes hat sich auf Anfrage des Solitude-Chors geweigert, die Domkirche St. Eberhard oder ein anderes katholisches Gotteshaus in Stuttgart für eine Aufführung der Friedensmesse zur Verfügung zu stellen, weil in dem Werk auch der Gebetsruf eines Muezzins zu hören ist. Eine konzertante Aufführung in einem nichtsakralen Raum der katholischen Kirche schließt der Dekan aber nicht aus. „Sehr interessant“ findet Hermes, „wie das Thema jetzt hochgezogen wird“. Niemals würde ihm „der Gedanke kommen, von Muslimen, Juden, Hindus, Bahai oder anderen Religionsvertretern zu erwarten oder überhaupt darum zu bitten, mein christliches Bekenntnis in ihren Räumen zelebrieren zu dürfen“. Indirekt greift der Geistliche die Verantwortlichen des Solitude-Chores an: „Auch als Leiter eines Chores würde ich nicht im Traum auf die Idee kommen, einer Religionsgemeinschaft Vorwürfe zu machen, weil sie ein religiös sehr heikles Stück nicht in ihrem Kultraum zulässt.“

Unterstützung erhält Hermes auch von der CDU. Er respektiere die Entscheidung des katholischen Stadtdekans, „den ich als weltoffenen, verständnisvollen und toleranten Kirchenvertreter kennengelernt habe“, sagt der kulturpolitische Sprecher der CDU-Gemeinderatsfraktion, Jürgen Sauer.

Andreas Winter kann dagegen „schwer nachvollziehen, dass sich die katholische Kirche so verschließt“. Gerade in Zeiten, da viele Konflikte vor einem religiösen Hintergrund ausgetragen würden, sei es notwendig, miteinander im Dialog zu sein, sagt der Fraktionschef der Grünen im Gemeinderat. Noch weiter war sein Parteifreund Werner Wölfle bereits Anfang der Woche gegangen. Beim Neujahrsempfang des Forums der Kulturen hatte der Sozialbürgermeister gesagt, dass „wir in Stuttgart viel erreicht haben an friedlichem, gleichberechtigtem Miteinander. Es gibt aber noch viel zu tun, wie dieses Beispiel zeigt.“

Einer, der aus eigener Anschauung sagen kann, wie es sich anfühlt, die Jenkins-Messe in einer Kirche aufzuführen, ist Alexander Burda. Der Katholik lehrt Chorleitung an der Hochschule für Kirchenmusik der Diözese Rottenburg-Stuttgart und leitet auch den evangelischen Figuralchor der Gedächtniskirche in Stuttgart. Mit diesem hat Burda 2015 „The Armed Man“ aufgeführt – mit dem Esslinger Hodscha Mustafa Sarıkurt als Solist, der den Ruf des Muezzins gesungen hat. „Das war ein ganz wundervoller Moment, der viele Zuschauer und Beteiligte zu Tränen gerührt hat“, sagt Burda. Sarıkurt habe sich sehr respektvoll mit dem Gruß „Salam“ (Frieden) vorgestellt und sich vor dem Publikum verneigt, ehe er das Adhan-Gebetsruf vorgetragen habe.

Der Auftritt des Hodschas habe dem Weltethos-Gedanken des Theologen Hans Küng entsprochen: „Kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen.“ Und das gleich zweimal: einmal in der evangelischen Gedächtniskirche in Stuttgart, am Abend davor im katholischen Münster St. Paul in Esslingen.