Achim Sambeth weigert sich, das Fahrradfahren aufzugeben. Foto: Lg/Piechowski - Lg/Piechowski

Achim Sambeth will nicht mehr betrunken Radfahren. Dass er gar nicht mehr fahren darf, wenn er nicht zur medizinisch-psychologischen Untersuchung geht, sieht er aber nicht ein.

StuttgartKann man jemandem, der keinen Führerschein hat, die Fahrerlaubnis für das Fahrrad entziehen? Das will der Rechtsanwalt Christoph Steegmüller nun für seinen Mandanten Achim Sambeth klären lassen. Der Stuttgarter hat schon lange keinen Auto-Führerschein mehr, und er will ihn auch nicht wieder haben. Aber mit dem Fahrrad unterwegs sein möchte er weiterhin. Deswegen soll er nun eine medizinisch-psychologische Untersuchung über sich ergehen lassen, so will es das Ordnungsamt der Stadt. Sambeth sieht das nicht ein. „Ich weigere mich“, sagt er zu der Auflage.

In der Nacht zum 16. März 2018 hatte Sambeth, wie er einräumt, deutlich zu tief ins Glas geschaut. „Es war ein Donnerstag und ich hab mich auf das Wochenende gefreut“, erzählt er. Bier habe er getrunken. Nicht gerade wenig. Das hatte Folgen: Die Heimfahrt mit dem Rad ging schief. In Feuerbach an der Siemensstraße, wo er auf dem Gehweg radelte, stand laut der Polizei am Rand ein Kühllastwagen. Diesem konnte der angetrunkene Radler wohl nicht mehr ausweichen, stieß dagegen und stürzte. Zeugen fanden ihn und verständigten die Polizei und den Rettungsdienst.

An den Unfall kann sich der 46-Jährige nicht mehr erinnern, wohl aber an die Folgen: „Mein Helm war zerbrochen, ich hatte ein Schädel-Hirn-Trauma“, schildert Achim Sambeth. Außerdem habe er sich das Schlüsselbein gebrochen, „da wurde mir bei einer Operation eine Platte eingesetzt“, erzählt der Radfahrer. Zwei Wochen lang war er außer Gefecht, dann konnte er seine Arbeit im Büro eines Betriebs, der für Firmen Inventuren anbietet, wieder aufnehmen.

Zur Arbeit und auch sonst zu allen Zielen in der Stadt kommt der 46-Jährige mit dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Einen Führerschein hat er schon lange nicht mehr. „Ich hab seit zehn Jahren kein Auto mehr. Wozu auch in der Stadt?“, sagt Sambeth. Den Führerschein verlor er damals übrigens ebenfalls wegen Alkohols am Steuer. Rund 2000 Euro hätte es ihn gekostet, den „Lappen“ zurückzubekommen. „Man muss einen Vorbereitungskurs machen, sonst hat man bei der Prüfung ja keine Chance“, sagt Sambeth. Auf diese Weise kämen die hohen Kosten zustande. Für den Bescheid , dass er kein Fahrzeug führen darf, musste er Anfang Januar 100 Euro Gebühr bezahlen.

Das Stuttgarter Ordnungsamt verlangt, dass Achim Sambeth seine Fahrtüchtigkeit fürs Fahrrad unter Beweis stellt – und zwar mit dem positiven Ergebnis einer medizinisch-psychologischen Untersuchung.

Sambeths Anwalt hofft, etwas für seinen Mandanten tun zu können: Natürlich sei es nicht richtig, sich nach so viel Bier aufs Fahrrad zu setzen. Aber Steegmüller sagt auch: „Ich bin oft mit Mandanten am Gericht, die betrunken Auto gefahren sind und den Führerschein weg haben. Da kommt dann immer die gleiche Frage: Ob man noch Fahrrad oder gar E-Bike fahren dürfe, wollen die Mandanten wissen.“ Er habe noch nie erlebt, dass ein Richter diese Frage verneint hätte, sagt der Rechtsanwalt. Sprich: Wer betrunken Auto gefahren ist, darf radeln. Sein Mandant wurde radelnd beziehungsweise vom Rad gefallen erwischt. Warum solle für ihn nicht gelten, was betrunken ertappten Autofahrern erlaubt wird?

Für das Ordnungsamt der Stadt Stuttgart ist die Lage klar: „Wer betrunken Fahrrad fährt und dabei mit 1,6 Promille Alkohol oder mehr erwischt wird, riskiert seine Fahrerlaubnis“, teilt Pressesprecher Martin Thronberens mit. Also die Erlaubnis, ein Fahrrad zu fahren – ob nun mit oder ohne Führerschein. Und das gelte eben auch für Radfahrer. „Der Betroffene hat dann die Möglichkeit, die Eignung zur Führung eines Fahrzeugs bei einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) prüfen zu lassen“, erklärt der Sprecher weiter.

Wer sich weigere oder bei der Untersuchung durchfalle, der verliere seine Fahrerlaubnis – auch fürs Fahrrad. Denn die Gefahr einer Wiederholung sei nicht auszuschließen. „Auch betrunkene Radfahrer können andere Verkehrsteilnehmer gefährden“, gibt Thronberens die Einschätzung des Ordnungsamtes wieder. Zum konkreten Fall des Mannes aus Heslach könne die Stadt keine Stellung beziehen, das verbiete der Datenschutz. Es handele sich aber nicht um einen Einzelfall: Rund 30 Radfahrer würden pro Jahr vom Ordnungsamt zu einer MPU geschickt, sagt Thronberens.

Christoph Steegmüller hofft nun, für seinen Mandanten etwas bewirken zu können. Er habe zwar lange suchen müssen, sei aber schließlich fündig geworden: Das Oberverwaltungsgericht Koblenz habe in einem ähnlichen Fall im Sinne des Radfahrers entschieden.