Mit einer Pünktlichkeitsoffensive versucht der Flughafen Stuttgart, Wartezeiten zu verkürzen. Doch den Betreibern sind da Grenzen gesetzt. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Die Zahl der Verspätungen am Stuttgarter Flughafen hat im ersten Halbjahr 2018 drastisch zugenommen. 10 541 Maschinen waren verspätet; 2017 waren es nur 7021. Ein Grund liegt in der Überlastung des europäischen Luftraums. Aber auch Engpässe bei den Sicherheitskontrollen sind ein Thema – ebenso wie die Zunahme von Gewittern wegen des Klimawandels.

StuttgartDas Chaos in der Luftfahrt wirkt sich drastisch auf den Stuttgarter Flughafen aus. 10 541 Flüge waren laut Statistik der Flughafengesellschaft (FSG) im ersten Halbjahr 2018 verspätet. Insgesamt starteten und landeten 64 962 Flugzeuge in Stuttgart. Im ersten Halbjahr 2017 waren noch 7201 Flüge verspätet (bei 60 933 Starts und Landungen). Nicht nur Streiks und extreme Wetterlagen, auch technische Probleme oder gestörte Betriebsabläufe sind schuld an der Situation, die den Stuttgarter Flughafen überproportional hart trifft. Nach Daten des Passagierrechte-Portals EU-Claim sind in Stuttgart in diesem Jahr bis zum 15. August die Verspätungen von mindestens drei Stunden um 87 Prozent gestiegen (wir berichteten).

„Es gibt eine Reihe von Gründen für die derzeitigen Verspätungen im Luftverkehr“, sagt Carola Scheffler, die Pressesprecherin des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) mit Sitz in Berlin. Dem Bundesverband geht es darum, die Prozesse in der Luftfahrt weiter zu optimieren. „Der europäische Luftraum stößt an seine Grenzen.“ Scheffler verweist darauf, dass der Luftraum des Kontinents besser geordnet werden sollte. In Italien etwa würden Lufträume für Militär- und Zivilflüge getrennt betrachtet. „Da streben wir im europäischen Luftraum eine Integration an, wie wir sie in Deutschland bereits haben.“

Diese Verspätungen, die in den täglichen Umläufen der Maschinen weitergegeben werden, kann Stuttgart nicht oder nur teilweise auffangen. „Bei verspäteten Maschinen können wir in Stuttgart nur versuchen, durch straffe Abläufe Zeit gutzumachen“, sagt Flughafendirektorin Arina Freitag. Ihr Kollege Walter Schoefer, Sprecher der Geschäftsführung, verweist darauf, dass das Problem nur im größeren Zusammenhang zu lösen ist: „Die derzeitige Situation ist für alle Beteiligten unbefriedigend. Die ganze Branche muss an einem Strang ziehen. Alles, was wir als Flughafen tun können, um die Situation zu verbessern, tun wir.“

Für Urlauber wie für Geschäftsreisende ist die Gesamtsituation unangenehm. Eine Passagierin berichtet unserer Zeitung von einem Flug von Palma de Mallorca nach Stuttgart, der gegen 21.20 Uhr auf der Ferieninsel starten sollte und der dann wegen eines Gewitters zunächst erheblich verzögert war. Weil es nach 23.30 Uhr in Stuttgart keine Ausnahmegenehmigung mehr gegeben habe, wurde der Flug nach Nürnberg umgeleitet. Dort habe man den Passagieren zwar versprochen, den Transport nach Stuttgart mit Bussen zu organisieren. Am Ende mussten die Fluggäste aber ihre Rückreise selbst organisieren und kamen mehr als 9 Stunden verspätet in Stuttgart an. „Um das Wohl der Passagiere kann es da nicht mehr gehen“, schreibt die Passagierin, die den betreffenden Billigflieger scharf kritisiert. Gestrandete Passagiere, deren Flug in Stuttgart nicht starten kann, übernachten in manchen Fällen auch in Notunterkünften in den Terminals. „Drei Mal war in diesem Sommer schon unser Summer Team im Einsatz, das sich um die Fluggäste kümmert“, sagt Johannes Schumm, Pressesprecher des Stuttgarter Flughafens. Da die Fluggesellschaften für solche Fälle immer weniger Personal auf den Flughäfen stellen könnten, springen Mitarbeiter des Stuttgarter Flughafens ein.

Probleme im Betriebsablauf häufen sich bundesweit, wie BDL-Sprecherin Carola Scheffler bestätigt. Die Insolvenz der Fluggesellschaft Air Berlin Ende des Jahres 2017 hat die Abläufe in der Luftfahrt durcheinandergewirbelt. Fluggesellschaften, die deren Strecken, Crews und Flugzeuge übernommen haben, müssen sich neu organisieren. „Die Übernahme eines großen Passagierflugzeugs entspricht der eines mittelständischen Betriebs“, verweist Scheffler auf die Schwierigkeiten der Airlines. Von dieser Problematik ist Stuttgart besonders hart betroffen. Denn der Billigflieger Easyjet ist neben dem Stuttgarter Marktführer Eurowings als zweiter Anbieter auf die begehrte Berlin-Strecke eingestiegen. „Das Angebot hat sich insgesamt verdichtet“, sagt Flughafen-Pressesprecher Johannes Schumm mit Blick auf die Neuordnung des Marktes in Stuttgart. Das gilt zum Beispiel für die Strecken nach Berlin und nach Palma de Mallorca.

Extreme Wetterlagen und die steigende Zahl der Gewitter sind ein weiterer Grund, weshalb die Flugpläne immer öfter durcheinandergeraten. Das bekommen auch die Fluglotsen der Deutschen Flugsicherung (DFS) zu spüren, die im Tower in Bernhausen sitzen. „Bei Gewittern fragen die Piloten nach Ausweichstrecken, um nicht durch eine Gewitterwolke fliegen zu müssen“, schildert Holger Gorshöfer von der DFS in Stuttgart die Praxis. Ist das Gewitter über dem Platz, besteht Gefahr für die Passagiere und für das Bodenpersonal. Dann wird der Betrieb eingestellt.

Es kommentiert Elisabeth Maier.