Mit 70 Jahren auf ihrer ersten Solotour: Schlagerstar Mary Roos Foto: Stephan Pick - Stephan Pick

In diesem Jahr beendet Mary Roos ihre Karriere. 30 Alben, mehr als 300 Singles, unzählige TV- und Liveauftritte liegen hinter ihr, eine Solotour – ihre erste überhaupt – noch vor ihr.

StuttgartSie gilt als Grande Dame des deutschen Schlagers, nennt sich selbst aber „schrille Alte“. Mary Roos, mittlerweile 70 Jahre alt, aber noch immer voller Energie und Humor. Das wird beim Gespräch an der Hotelbar schnell deutlich. Die Beschreibungen und Beiträge, die über sie zu lesen und sehen sind, zeichnen ein überaus positives Bild. Freunde („ich war als Jugendlicher in sie verliebt“) und Kollegen („ich habe sie in einer Talkshow gesehen – supernatürlich und offen“) schwärmen ebenfalls. Mary Roos lacht, als sie das hört und als sie am Ende des kurzweiligen, offenen Gespräches fragt: „Und was ist Ihr Eindruck?“ bleibt nichts anderes übrig, als die positiven Beschreibungen zu bestätigen.

Wie führt man ein Leben ohne Skandale? Mary Roos schüttelt den Kopf. „Keine Ahnung. Ich mag ja Menschen gerne. Ich finde Menschen immer interessant. Ich kenne aber auch Leute, die sind sooo freundlich, und privat haben sie nichts mit der Person zu tun. Das ist wie Jekyll und Hyde. Das wäre mir zu anstrengend. Wir sind alle genug wert, wir müssen nicht mehr sein, als wir sind.“ Für sie gibt es keinen Grund, sich zu verstellen. Wichtig ist auch, neugierig zu bleiben und im Jetzt zu leben. „Nichts ist schlimmer für mich, als immer das Gleiche zu machen.“ Sie erinnert an die Zeit in Frankreich 1971. „Ich habe dort mal Theater gespielt und kannte kein Wort französisch. Das ist schon sehr mutig.“ Aber ihre Art. „Ich denke immer ’nur den Mutigen gehört die Welt’. Man kann sich auch mal überwinden.“ Sie hat sich alles phonetisch aufgeschrieben. Das Ergebnis: Die Franzosen haben ihr gesagt: „Sie haben ja gar keinen Akzent.“ Wieder lacht Mary Roos. „Und so habe ich wieder was Neues getan. Ich habe auch japanisch und schwedisch gesungen.“

Für die TV-Sendung „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ auf Vox musste sie sich im vergangenen Jahr nicht überwinden. Im Gegenteil. „Das war mit das Spannendste, was ich je gemacht habe. Ich habe das immer gesehen, von Anfang an. Und habe gedacht, „Mein Gott, wenn du jetzt 30 Jahre jünger wärst, könntest du da mitmachen.“ Und dann kam die Anfrage und ich dachte, das ist „Verstehen Sie Spaß?“ Ich habe nicht gedacht, dass dies wirklich wahr ist. Und dann haben Sie zwei Jahre später noch mal angerufen, nachdem ich abgesagt hatte, weil ich keine Zeit hatte.“ Mary Roos war in der fünften Staffel des Tauschkonzertes als erste Schlagersängerin überhaupt dabei, an der Seite von Alphaville-Sänger Marian Gold, Rea Garvey, Johannes Strate von Revolverheld oder Mark Foster.

Letzterer wird auch auf der Solo-Tournee präsent sein. Die erste, die sie überhaupt durchführt. „Das ist schon verrückt. Ich werde 70 Jahre alt und mache jetzt meine erste Tour. Die Leute werden daher schon Schwierigkeiten haben und überlegen, was singt die denn dann? Das kann ich schnell auflösen: Natürlich die alten Sachen „Arizona Man“, „Mein Sohn“, „So leb dein Leben“ und auch Sachen vom neuen Album.“ Mit dabei sei eine „tolle Band“, zwei Backgroundsängerinnen und Bläser, „alles sehr wertig und das war mir auch wichtig. Ich möchte nicht einfach vor einem schwarzen Mülltuch singen. Auch die Lichtshow ist toll.“ Es sei für jeden etwas dabei, bunt gemischt. „Mit Mark Foster mache ich noch ein visuelles Duett.“

Es bleibt bei der ersten und einzigen Solotour. Wieder lacht Mary Roos. „Nee, das tue ich mir nicht noch mal an. Auf gar keinen Fall.“ Der erste Teil der Tour im Herbst sei sehr gut angekommen. „Ich habe einen Draht zu den Leuten. Ich gebe ja auch zu, wenn ich mal ’nen Fehler mache. Dann sage ich ’Oh, das war jetzt die falsche Ansage, kann ja mal vorkommen.’ Dann wird alles leichter. Ich hoffe, das wird auch so weiter gehen. Ich freue mich sehr auf die Tour.“ Am 2. März gastiert sie im Rahmen der „Abenteuer Unvernunft“ Tour in der Liederhalle. Der Bühne bleibt sie dieses Jahr noch erhalten. Dann ist Schluss. Zusammen mit dem Kabarettisten Wolfgang Trepper bleibt sie der Erfolgsproduktion „Nutten, Koks und frische Erdbeeren“ treu. Mehr als 180 Vorstellungen haben sie gespielt, bei der sie als „Schlagerhasser“ die Produkte des Genres zerlegen. Im November war die bislang letzte Show. „Aber es kamen immer weitere Anfragen. Ich habe gesagt, ich möchte nicht mehr so viel reisen.“ Dann kam der Vorschlag von Conny Littmann, in seinem Theater in Hamburg aufzutreten, drei Wochen lang. „Er meinte, ’Da kannste schön zu Hause bleiben und abends gehste ins Theater.’ Und ich sagte, das ist ne gute Idee, dass machen wir so.“ Inzwischen seien schon viele Karten verkauft worden. „Es gibt Leute, die haben das zehn Mal gesehen, manche kommen noch öfter, Wahnsinn.“

Anfang des Jahres feierte Mary Roos ihren 70. Geburtstag. „Mit dem Alter habe ich an sich keine Probleme. Das kommt immer auf die Tagesform an. Manchmal findet man es schlimm. Aber eigentlich ist es nicht schlimm. Ich bin ja – hoffentlich – gesund. Dann ist das natürlich leichter. Ich haber nie darüber nachgedacht, wie alt ich bin. Eigentlich machen das nur die anderen Leute.“ Mit 40 habe sie sich furchtbarer gefühlt als mit 70. „Da habe ich ja gedacht, das Leben ist jetzt zu Ende. Dabei ging das ja noch toll weiter.“ Natürlich habe sie auch Ängste. „Aber ich stelle mich denen auch. Muss man ja. Bleibt einem ja auch nichts übrig. Ich glaube, wir machen uns diese Ängste alle selbst. Ganz sicher.“ Dann erinnert sie sich an den Lieblingsspruch ihrer Mutter, der war „Wird schon“. „Toll, oder? Wenn etwas nicht klappt, sage ich „Wird schon“. Das Leben besteht ja nicht nur aus Höhepunkten. Das gehört ja alles dazu. Das Wichtigste ist, dass man immer wieder aufsteht. Man fällt hin und man steht wieder auf. Und wer das kann, der kommt auch weiter.“ Man müsse auch aussortieren, wenn man älter wird. „Es gibt Menschen, die einen unheimlich viel Energie kosten. Das finde ich auch ganz schrecklich. Ich habe Freunde, die haben sich nicht geändert. Die haben auch ihre Probleme nicht geändert. Die jammern immer noch über die gleichen Sachen wie vor Jahren. Dann sag ich, nee das will ich nicht mehr. Man muss auch mal was abhaken. Das bremst mich ja auch und hindert einen, etwas Neues zu machen.“

Und woher nimmt sie die ganze Kraft? „Keine Ahnung. Ich habe eine rheinische Mutter. Vielleicht ist das die Erklärung. Wir hatten ein Hotel und da war immer was los. Meine Mutter war die Frau, die alles zusammengehalten hat. Die ganze Familie. Mein Vater war sehr reserviert, er hat nie in seinem Leben gelogen. Und ich habe von beiden das Beste, glaube ich.“

Mary Roos ist trotz der Erfolge nicht von Ehrgeiz getrieben. „Ich war nie so ehrgeizig zu sagen, ich möchte das oder das oder das. Das kam einfach und wenn’s kam, hab ich zugegriffen, wenn’s mich interessiert hat. Ich war immer voller Vertrauen, da kommt was.“ So war es auch nach der Geburt ihres Sohnes Julian. „Da habe ich sieben Jahre Pause gemacht. Das ist in der Branche eigentlich der Tod. Aber ich kam wieder.“ Mike Krüger hat sie gefragt, ob sie nicht in einem Sketch mitspielen wolle. „Wir haben damals ja alles gemacht. Wir haben getanzt, gespielt. Und das hilft natürlich. Ich habe mich immer an viele Sachen rangetraut. Ich finde das nämlich auch richtig, dass man sich informiert, was gehört da alles dazu. Und deswegen traue ich mich heute auch, was zu spielen.“

Zwei Mal hat Mary Roos, die mittlerweile in Hamburg lebt, am Grand Prix d’Eurovision mitgemacht, landete auf Platz 3 (1972) und 13 (1984). Heute heißt er European Song Contest. „Ich gucke mir das eigentlich immer an, war ja auch zwei oder drei Mal in der Jury als Präsidentin. Es macht wirklich Spaß, das zu sehen. Es ist jetzt natürlich ganz anders, aber immer spannend.“ So wie ihr Leben. Daran wird sich auch nach der Karriere nichts ändern.