Vorstellung des neuen Passagierleitsystems am Canstatter Bahnhof. Foto: SDMG - SDMG

«Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr wenn das Licht angeht.» Mit einer leuchtenden Bahnsteigkante will die Bahn Einstiegzeiten verkürzen - und pünktlicher werden.

Stuttgart (dpa/lsw)Weltpremiere im Schwäbischen: In Stuttgart ist am Montag die erste leuchtende Bahnsteigkante in Betrieb gegangen. Die Deutsche Bahn testet sechs Monate lang, ob die digitale Innovation helfen kann, die chronisch verspäteten S-Bahnen in der Region etwas pünktlicher zu machen. Seit Jahren muss das Unternehmen unter anderem für Unpünktlichkeit Millionenstrafen an den Verband Region Stuttgart zahlen. Bei den ersten Zügen funktionierte das Ganze eher mittelprächtig. Deshalb teste man ja, hieß es bei den Machern.

So ist es gedacht: Am Gleis 2 des Bahnhofs im Stadtteil Bad Cannstatt zeigen im Boden eingelassene Leuchtsymbole vor der Einfahrt des nächsten Zuges mit gepunkteten Doppellinien, wo die Wagen halten und mit Pfeilen, wo genau sich die Türen befinden. Die Hoffnung der Bahn: Die Fahrgäste stehen damit am Bahnsteig an der richtigen Stelle, das Einsteigen geht zügiger.

Einige Testzüge signalisieren dem System zudem schon, wie hoch die Auslastung der Wagen ist. Der Fahrgast bekommt auch das über die im Boden eingelassenen gut 30 mal 30 Zentimeter großen Betonplatten angezeigt. Eine grün leuchtende Doppellinie heißt, hier ist noch Platz genug. Gelb heißt: Könnte passen. Und bei Rot sollte ein Reisender mit keinem freien Platz mehr rechnen. Ermittelt wird das durch Videoaufnahmen im Zug, die aus datenschutzgründen anonymisiert seien, sagte ein Bahn-Sprecher. Heißt: Wer da fährt, wird nicht registriert.

Man wolle den Service verbessern, hieß es am Montag. Ein Hauptgrund für die Innovation dürften aber auch die millionenschweren Strafen sein, die von der S-Bahn Jahr für Jahr unter anderem wegen chronischer Unpünktlichkeit gezahlt werden mussten und müssen. Zur Hauptverkehrszeit waren im vergangenen Jahr nur 79,3 Prozent der Züge weniger als drei Minuten verspätet, vertraglich versprochen hat die Bahn mindestens 91,5 Prozent. Auch bei der Kundenzufriedenheit konnte die Bahn ihre Ziele zuletzt nicht erreichen. Rund zwei Millionen Euro an Vertragsstrafen gehen pro Jahr an den Verband Region Stuttgart als Besteller der Leistungen.

Das Problem der Stuttgarter S-Bahn liegt nach Angaben eines Sprechers in der sogenannten Stammstrecke im Tunnel unter der Innenstadt, auf der alle sechs Linien fahren. Mit 24 Zügen pro Stunde und Richtung und einer Zugfolge von 2,5 Minuten sei man dort «am Limit». Nahezu jede Verzögerung wirke sich fast zwangsläufig auf nachfolgende Züge aus. Seit Ende 2013 werden am Hauptbahnhof in Stoßzeiten schon S-Bahn-Helfer eingesetzt, die dafür sorgen, dass sich die Abfahrten nicht durch im letzten Moment reinspringende Fahrgäste verzögert. Das habe sich bewährt und werde ausgebaut, hieß es.

Beim Premierenzug am Montag gegen 13.30 Uhr jubelten die Verantwortlichen noch, als die Türen dort zum Halten kamen, wo es die Pfeile auf der Erde prognostiziert hatten. Beim zweiten Zug passte es dann nur noch so lala. Etwas zu weit rechts war der Einstieg. Man befinde sich ja in einem Test, erklärte Vincent Genz von der SIUT GmbH, die das System entwickelt hat. Und ein zweites Problem wird deutlich: Je heller es ist, desto eher sieht der Fahrgast nur das, was direkt auf dem Boden vor ihm angezeigt wird. Im Dunkeln könne man dafür die Anzeige den ganzen Bahnsteig entlang erkennen, sagte Genz.

Die Baukosten und die Technik für einen Meter leuchtende Bahnsteigkante gab die Bahn mit 400 bis 600 Euro an. Der Bahnsteig in Bad Cannstatt sei rund 210 Meter lang, womit man bei Kosten von rund 100 000 Euro lande. Hinzu komme die Ausstattung für die Züge zur Messung der Auslastung der einzelnen Wagen, hieß es.