Krätzmilbe Foto: Adobe Stock - Adobe Stock

Die von Milben übertragene Hautkrankheit Krätze breitet sich aus. Beim Stuttgarter Gesundheitsamt sind in diesem Jahr bereits 239 Fälle gemeldet worden. Weil Medikamente immer häufiger nicht helfen, landen die Betroffenen oft im Krankenhaus.

StuttgartEs beginnt mit einem unerträglichen Jucken, vor allem in der Nacht. Doch das Symptom ist tückisch. Denn eine juckende Haut, besonders zwischen Fingern und Zehen, in den Achseln, im Intimbereich oder am Bauch, kann unterschiedliche Ursachen haben. Und so mancher Betroffene reagiert zunächst einmal gar nicht. An die Krätze, wissenschaftlich Skabies genannt, denken viele nicht mehr. Denn die alte Krankheit, die durch winzige Milben ausgelöst wird, die sich in die Haut graben, war hierzulande beinahe verschwunden. Zumindest in den offiziellen Statistiken. Das hat sich geändert. „In diesem Jahr gab es Häufungen im Frühjahr und im Oktober“, sagt eine Sprecherin der Stadt Stuttgart. Allein aus Kindertagesstätten und Schulen hat das Gesundheitsamt im Jahr 2018 bisher 120 Fälle gemeldet bekommen. Noch 2015 sind es weniger als 30 gewesen, in den Jahren danach 63 und 70. Mehr als eine Vervierfachung innerhalb von nur drei Jahren. „Geht eine Meldung ein, beraten wir bei Bedarf. Es geht vor allem darum, wie eine Verbreitung der Krankheit verhindert werden kann“, so die Sprecherin.

Bereits 119 Fälle

Allerdings beschränken sich die Fallzahlen nicht auf Minderjährige. Auch bei den Erwachsenen gibt es in diesem Jahr bereits 119 Fälle – ebenfalls vorwiegend aus Gemeinschaftseinrichtungen, wo eine Übertragung besonders leicht erfolgt. 37 Betroffene wurden aus der Justizvollzugsanstalt in Stammheim gemeldet, 36 aus Altenheimen und 32 aus Flüchtlingsunterkünften. Der Vergleich mit den Vorjahren ist hierbei nicht möglich – für Erwachsene besteht erst seit Juli 2017 eine Meldepflicht. Die Auswirkungen sind äußerst unangenehm. „Oft ist eine langwierige Behandlung notwendig“, sagt Thomas Jansen, der in Neugereut eine Kinderarztpraxis betreibt. Er habe „lange Jahre überhaupt keine Fälle mehr gesehen, jetzt aber immer wieder“. Die Diagnostik sei nicht einfach. „Ein sauberer Nachweis ist aber wichtig, um eine gute Behandlung machen zu können“, so Jansen. Die stelle sich inzwischen jedoch manchmal als so kompliziert dar, „dass manche Patienten stationär in einer Hautklinik aufgenommen werden müssen“.

Das bestätigt Peter von den Driesch, der Ärztliche Direktor des Zentrums für Dermatologie am Stuttgarter Klinikum. „Wir sehen viele Fälle, die stationär bei uns bleiben müssen, weil sie bereits das ganze Programm der üblichen Gegenmaßnahmen erfolglos hinter sich haben“, sagt er. Die üblichen Salben mit dem Wirkstoff Permethrin wirkten nicht immer und müssten sehr konsequent aufgetragen werden. Dazu kommen Tabletten. Im Krankenhaus werden diese Maßnahmen unter Aufsicht wiederholt. Wenn das nicht wirkt, kommt eine externe Therapie mit Schwefel infrage. Doch auch danach kann der Körper immer noch jucken, selbst wenn alle Milben getötet sind. Von den Driesch und seine Kollegen haben vor allem Familien als Patienten. „Eine Ansteckung erfolgt überall da, wo viele Menschen auf engem Raum sind, bei längerem Körperkontakt oder im Bett“, sagt er. Bei Senioren betreffe das Pflegeheime, bei Minderjährigen Kitas oder Schulen. Oft stelle sich ein Pingpong-Effekt ein: Ein Betroffener ist kuriert, steckt sich aber bei einem Erkrankten im Umfeld neu an. „Wir müssen häufig ganze Familien aufnehmen“, so der Professor. Er macht sich Sorgen: „Ziel muss sein, eine weitere Ausbreitung in der Bevölkerung zu verhindern.“

Mehr Fälle als zuvor

Das Problem gibt es nicht nur in Stuttgart. Es handelt sich um einen Trend, den Fachleute seit einigen Jahren bundesweit beobachten. Das Landesgesundheitsamt hat keinen Überblick, da die Fälle nicht landesweit erfasst werden. Über die Ursachen wird noch spekuliert. Eine mögliche Erklärung: Erkrankungen werden schlicht häufiger angezeigt als früher. „Krätze-Fälle werden dem Gesundheitsamt inzwischen deutlich konsequenter gemeldet, sowohl durch die Sorgeberechtigten in den Gemeinschaftseinrichtungen als auch durch Kitas oder Schulen“, heißt es bei der Stadt.

Das allein reicht aber als Erklärung für die Rückkehr der Krankheit nicht aus. Experten sind sich einig, dass tatsächlich mehr Fälle auftreten als zuvor. „Die insgesamt erhöhte Mobilität“ ist für Kinderarzt Jansen ein Grund. Dazu gehört wohl die verstärkte Migration genauso wie vermehrte Umzüge in der EU und Reisen. „Ich habe unlängst einen Jugendlichen behandelt, der das von einem Auslandsaufenthalt mitgebracht hat“, so Jansen. Laut von den Driesch könnte die Flüchtlingswelle eine der Ursachen sein, wobei sich das nicht nachweisen lasse. Das Landesgesundheitsamt berichtet, dass bei den Eingangsuntersuchungen von Asylbewerbern die Krätze auf der Liste stehe, es aber kaum Befunde gebe: „Das spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle.“ Von den Driesch sieht das größere Problem darin, dass die Resistenz der Milben auf Permethrin wohl zunimmt. Der Fachmann rät, bei auffälligem Jucken schnell zu reagieren und zum Arzt zu gehen – besonders wenn mehrere Familienmitglieder betroffen sind. Damit die fast vergessene Krankheit nicht zum großen Problem wird.

Zähe Spinnentiere

Spinnentiere: Krätzmilben sind winzige Spinnentiere, die den Menschen als Wirt nutzen. Mit bloßem Auge sind sie kaum zu erkennen. Die Weibchen sind 0,3 bis 0,5 Millimeter groß, die Männchen etwas kleiner. Die Weibchen graben Gänge in die menschliche Haut und legen dort Eier und Kot ab.

Übertragung: Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch und benötigt längeren Körperkontakt. Typischerweise stecken sich Betroffene deshalb in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas oder Seniorenheimen an oder innerhalb der Familie. Wenn sich mehrere Menschen ein Bett teilen, sind meist alle betroffen.

Symptome: Die Ansteckung zeigt sich oft erst nach einigen Wochen, weil der Körper dann als allergische Reaktion stark zu jucken beginnt – unter Umständen auch an Stellen, die gar nicht befallen sind. Häufig sind Pusteln oder rote Quaddeln zu sehen und insbesondere die etwa einen Zentimeter langen Bohrgänge der Weibchen. Wer den Verdacht hat, betroffen zu sein, sollte zum Hautarzt gehen.

Therapie: Die Behandlung erfolgt mit Salbe und zusätzlich mit Medikamenten. Sämtliche Kleidungsstücke und Bettwäsche müssen bei 60 Grad gewaschen oder in einem Plastiksack für eine Woche eingeschlossen werden.