Shoppen? Sehr gern - allerdings am liebsten im VfB-Fanshop. Michaela Bürk (links) und Nina Deh sind ganz in ihrem Element. Foto: Eisenmann Quelle: Unbekannt

Von Andrea Eisenmann

Stuttgart - Auch an diesem Freitagabend werden sie wieder da sein. Sie werden in der Cannstatter Kurve schreien, singen, rot-weiße Schals schwenken und inbrünstig hoffen, dass „ihr“ VfB drei wichtige Punkte gegen Borussia Dortmund einfahren wird. Bis es soweit ist, sind jedoch noch zwei Stunden zu überbrücken. Das Kamerateam eines regionalen Fernsehsenders hat sich angesagt. Die Reporter wollen einen Bericht über die „dunkelroten Mädels“ drehen und diese später zum Spiel in die Mercedes-Benz-Arena begleiten. Die ganze Bandbreite der Emotionen soll im Bild festgehalten werden. Freude, Entsetzen, Frust, Ärger - je nachdem, was sich am Abend auf dem Grün abspielen wird.

Pressetermine wie diese gab es in den vergangenen Wochen zuhauf. Seit August dieses Jahres sind „Achtzehn93 dunkelrote Mädels“ als offizieller Fanclub der Wasenkicker eingetragen. Es gibt rund 420 davon. Ein reiner Frauen-Fanclub war bislang allerdings nicht darunter - beziehungsweise keiner, der groß von sich reden gemacht und für derart viel Aufmerksamkeit gesorgt hätte. „Mit 24 Gründungsmitgliedern sind wir gestartet, auf 100 ist die Zahl jetzt gestiegen. Wahnsinn“, sagt Michaela Bürk und man hört, wie stolz die erste Vorsitzende darauf ist. Und das Interesse ist weiterhin groß.

Dabei kam ihr die Idee bereits vor drei Jahren. Der 51-Jährigen fiel auf, dass immer mehr weibliche VfB-Anhänger im Stadion lautstark mitfiebern. Einem gemischten Fanclub beizutreten, ist jedoch nicht jederfraus Sache. „Viele fühlen sich unwohl, in eine geschlossene Gemeinschaft einzutreten. Noch dazu, wenn man bei einigen Männern mit Vorbehalten rechnen muss.“ Sätze wie „Geh doch lieber zum Ballett oder zurück an den Herd“ und „Als Frau hast Du doch keine Ahnung von Fußball“ haben sich viele weibliche Fans bereits anhören müssen - wenngleich dies im Stadion selbst selten passiere, versichert die Pressereferentin und zweite Vorsitzende, Nina Deh. „Skepsis bis Ablehnung schlägt einem hauptsächlich in den sozialen Netzwerken entgegen.“

Positiv an dem rein weiblichen Fanclub sei, dass alle neu dazu gestoßenen Mitglieder bei den „dunkelroten Mädels“ schnell Anschluss finden. „Zickenkrieg gibt es bei uns nicht“, versichert Bürk. Das Altersspektrum der Mitglieder ist breit gefächert: vom drei Monate alten Baby bis zur 69-Jährigen, die sogar die Zahl „1893“ - das Gründungsjahr des Stuttgarter Vereins - auf den Arm tätowiert hat. Aussehen und Herkunft spielen keine Rolle, ausdrücklich sind auch Fans mit einem Handicap willkommen.

Etwa zwei Stunden vor den Spielen treffen sich die „dunkelroten Mädels“ in der Nähe des Stadions und widmen sich ihrem Lieblingsthema: der aktuellen Situation des Bundesligisten. „Warum es derzeit stockt beispielsweise“, sagt Deh. Die mögliche Aufstellung, die Taktik, der Transfermarkt, Veränderungen im Kader oder in der Führungsspitze werden ausgiebig diskutiert. „Die Frage, warum Schindelmeiser als Sportdirektor gegangen worden ist, haben wir uns natürlich auch gestellt.“

Die gemeinsamen Aktivitäten der weiblichen VfB-Fans beschränken sich nicht nur auf einen begrenzten Radius rund um das Stadion. Auch fern der grünen Wiese ist man gern im Team unterwegs. Die Planungen für die Weihnachtsfeier laufen, auf dem Weihnachtsmarkt in Bad Cannstatt wollen Mitglieder im Dezember sechs Tage lang Glühwein verkaufen und die Einnahmen einem Projekt für benachteiligte Kinder zugutekommen lassen. Ein Datum wollen die „dunkelroten Mädels“ auf jeden Fall schaffen: das zehnjährige Jubiläum, das von Seiten des Bundesligisten mit einer Lieferung Freibier honoriert wird. „Prosecco wäre uns aber eigentlich lieber.“