Das Opernhaus in Stuttgart steht in vollem Glanz, doch der Schein trügt. Das von Architekt Max Littmann erbaute Gebäude bedarf einer umfassenden Sanierung. Foto: dpa - dpa

Das Opernhaus Stuttgart muss saniert werden. Die Landesregierung hat das Millionenprojekt per Kabinettsbeschluss bestätigt und auch den Schulterschluss mit der Stadt bekräftigt.

StuttgartPer Kabinettsbeschluss hat die Stuttgarter Koalition aus Grünen und CDU am Dienstag die Sanierung und Erweiterung des Staatstheaters Stuttgart zum Regierungsprogramm gemacht. Auch die Stadt Stuttgart zieht mit, betonte OB Fritz Kuhn am Freitag.

Das will die Landesregierung

Es muss schon viel passieren, wenn ein Kulturthema Tagesordnungspunkt eins einer Kabinettssitzung der grün-schwarzen Landesregierung ist. Am Dienstag dieser Woche war es so weit. Das Thema: „Entwicklung des Badischen Staatstheaters Karlsruhe und des Württembergischen Staatstheaters Stuttgart“. Das Ziel: mit einem Kabinettsbeschluss die nächsten Schritte der Sanierung und Erweiterung des Staatstheaters Stuttgart sowie des Badischen Staatstheaters Karlsruhe abzusichern.

„Ziel ist es“, heißt es in der verabschiedeten Kabinettsvorlage, „abschnittsweise bauliche und strukturelle Defizite zu beheben und für die Staatstheater einen zeitgemäßen und zukunftsfähigen Spielbetrieb sicherzustellen“. Und man kann das Volumen erahnen, wenn es heißt: „Die hohen Investitionen sind nur dann sinnvoll, wenn sie auf einen Zeithorizont bis zu 50 Jahren angelegt sind und außerdem architektonisch zur Strahlkraft und Identifikation der jeweiligen Stadt beitragen“.

Die Kostenfrage

Per Staatstheatervertrag finanzieren das Land und die Stadt Stuttgart beziehungsweise die Stadt Karlsruhe die Kosten für die beiden Dreispartenbühnen (Oper, Ballett, Schauspiel) gemeinsam – müssen also auch je zur Hälfte alle Baukosten tragen. Bei einer „aktuell geplanten zwölfjährigen Bauzeit von 2019 bis 2030 ergeben sich“ für das Badische Staatstheater „Vollkosten in Höhe von 270 bis 325 Millionen Euro“. Im September 2017 hat der Karlsruher Gemeinderat auf dieser Zahlenbasis der Sanierung und Erweiterung des Badischen Staatstheaters zugestimmt.

So weit ist man in Stuttgart noch nicht. Dabei wird seit mehr als 20 Jahren über die dringend notwendige Sanierung des Stuttgarter Opernhauses (Spielstätte der Oper Stuttgart und des Stuttgarter Balletts) diskutiert. Im April 2013 hat der Verwaltungsrat des Staatstheaters Stuttgart – politische Vertreter aus Stadt und Land bilden das Aufsichtsgremium – grünes Licht für eine entsprechende Studie gegeben. Beauftragt wurde das Büro Kunkel Consulting in Bürstadt (bei Darmstadt). Gemeinsam mit dem britischen Architekturbüro Chipperfield sollte zudem untersucht werden, welche baulichen Möglichkeiten im direkten Umfeld von Opernhaus und Schauspielhaus bestehen, um technische Nutzungen zu konzentrieren und neue Qualitäten für den Besucherservice zu entwickeln.

Inzwischen bereits mehrfach überarbeitet sehen die Planungen unter anderem den Einbau einer Kreuzbühne im Opernhaus vor und einen Anbau entlang des Kulissengebäudes an der Konrad-Adenauer-Straße. 10 000 Quadratmeter Nutzfläche sollen hinzukommen. Gingen erste Schätzungen im Jahr 2014 von einem Kostenrahmen von bis zu 320 Millionen Euro aus, nannte Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn im November 2017 etwa 500 Millionen Euro. Im Kabinettsbeschluss der Landesregierung findet sich keine Gesamtkostenzahl zum Vorhaben in Stuttgart. Man brauche, heißt es, zunächst weitere Untersuchungen.

Die Zeitschiene

Was man weiß: Fünf Jahre werden die Arbeiten im Opernhaus Stuttgart selbst dauern. Entsprechend braucht man für die Oper und das Ballett eine Ausweichspielstätte mit 1400 Plätzen. Stand jetzt soll das ehemalige Paketpostamt zur Interimsoper werden. Es muss dafür entsprechend umgebaut werden. Unbestätigt werden hierfür Kosten von bis zu 50 Millionen Euro genannt. Die Bauzeit soll bis zu drei Jahren betragen – bei „frühestmöglichem Baubeginn Ende des Jahres 2021“. Erst mit der Aufnahme des Spielbetriebs im Interim können dann die Arbeiten auf dem Staatstheaterareal selbst beginnen – „grundsätzlich frühestens Ende des Jahres 2023“. Die Spielzeit 2024/2025 wäre dann – immer bei optimalen Planungs- und Umsetzungsverläufen – die erste Saison von Oper und Ballett im Interim. Bei fünf Jahren Bauzeit im Staatstheater-Areal stünde die erste Saison im sanierten Opernhaus Stuttgart in der Saison 2030/2031 an.

Auftritt als Antritt

Im Kabinett zeigt sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag kämpferisch. Er weiß um die Vorbehalte im Landtag – wie berichtet von der CDU-Fraktion formuliert – und im Stuttgarter Gemeinderat (dort von SÖS/Linke-plus). Kretschmann zieht eine Karte, an der auch die CDU nicht vorbei kann, und erinnert an den Aufbruch des Landes unter Lothar Späth, an die bewusste Verbindung von Spitzentechnologie und Spitzenkunst.

Am Freitag äußert sich Kretschmann offiziell – im Opernhaus Stuttgart. Der Ministerpräsident ist nicht allein; er kommt mit Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne), Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), der für Baufragen zuständigen Finanzstaatssekretärin Gisela Splett (Grüne) und Marc-Oliver Hendriks, dem Geschäftsführenden Intendanten des Staatstheaters Stuttgart. Die Botschaft: Dieser Auftritt ist ein Antritt.

„Die Sanierung der Staatstheater in Karlsruhe wie in Stuttgart sind Jahrhundertaufgaben“, sagt der Ministerpräsident. „Es wird vieler einzelner Schritte bedürfen.“ Und viel Information. Kretschmann: „Mit Blick auf die erwartbar großen finanziellen Dimensionen ist es Aufgabe der Politik, die Notwendigkeit der Sanierungsmaßnahmen fortlaufend zu erklären.“ Das Ziel für Stuttgart formuliert Wissenschaftsministerin Theresia Bauer am Freitag so: „Allen internationalen modernen Kulturbauten ist gemein, dass sie Raum für Begegnungen bieten, auch jenseits der eigentlichen Kernaufgabe eines Opernhauses. Die ,Burg Oper’ muss ein offenes Haus werden, das auch abseits der Aufführungen neugierig macht.“