Der 74-jährige Rudolf Diebetsberger spielt seit 14 Jahren für den guten Zweck auf seinem Waldhorn. Nun verbüßt er zwei Tage Erzwingungshaft. Foto: jo Quelle: Unbekannt

Von Janey Olbort

Stuttgart - Es muss ihm so vorkommen, als kämpfe er gegen Windmühlen: Seit 14 Jahren steht Rudolf Diebetsberger im Frack und mit Zylinder und Waldhorn in der Innenstadt und spielt zugunsten von Straßenkindern und Blinden in Indien. Mehr als 200 000 Euro hat er so bereits gesammelt. Damit könnte bald Schluss sein. Diebetsberger sitzt ab heute hinter Gittern. Er verbüßt eine zweitägige Erzwingungshaft wegen einer Ordnungswidrigkeit. Ob er anschließend noch weitermachen will und kann, wisse er noch nicht, sagt der 74-Jährige.

Doch der Reihe nach: Diebetsberger, war einst Hornist bei den Stuttgarter Philharmonikern und ist heute im Ruhestand. Als er eine Reportage über sehbehinderte Kinder in Indien sah, fasste er einen Entschluss: „Diese Schicksale haben mich so sehr beeindruckt, dass ich spontan beschloss, mit dem Horn Geld zu sammeln.“

So oft er kann, spielt er in Fußgängerzonen in Baden-Württemberg. Die Spenden der Passanten kommen anschließend der Andheri Hilfe aus Bonn - einer Organisation, die unter anderem Sehbehinderte und Straßenkinder unterstützt - zugute. Für dieses Engagement hat Diebetsberger im Jahr 2016 die Staufermedaille von Ministerpräsident Winfried Kretschmann verliehen bekommen.

Sein Musizieren stößt jedoch nicht nur auf Gegenliebe: Ab heute sitzt er für zwei Tage hinter Gittern weil er ein Bußgeld nicht begleichen will. „Wenn ich bezahle, räume ich ja ein, einen Fehler begangen zu haben - was nicht der Fall ist“, sagt er. Der Grund für die Geldstrafe: Bis im Herbst 2017 hatte der 74-Jährige eine Sondergenehmigung, die es ihm gestattete, an zwei Samstagen im Monat für jeweils eineinhalb Stunden auf dem Kleinen Schlossplatz und am Blumenmarkt zu spielen. Gegen die Auflagen dieser Sondergenehmigung soll er im Herbst 2016 verstoßen haben: Ihm wird vorgeworfen, während einer Veranstaltung gespielt zu haben, noch dazu an einem unerlaubten Standort unter den Königsbau-Arkaden. Der 74-Jährige widerspricht diesem Vorwurf trotz Urteil des Amtsgerichts. Er habe um 13.45 Uhr aufgehört zu spielen, Veranstaltungsbeginn war um 14 Uhr. Diebetsberger sieht in dem von ihm gewählten Standort keine Ordnungswidrigkeit: „Ich durfte laut Sondergenehmigung im Bereich der Freitreppe am Kleinen Schlossplatz spielen, dieser war nicht näher definiert.“

Der Musiker fordert etwas Nachsicht von den Behörden, da sein Spielen nachweislich dem guten Zweck diene. „Ich habe versprochen, den Menschen in Indien zu helfen und die lasse ich nicht im Stich.“ Außerdem erfahre er großen Rückhalt aus der Bevölkerung. „Mehr als 1000 Menschen haben bereits eine Petition unterschrieben, damit ich weitermachen kann.“

Beim Amtsgericht sieht man das anders: „Die Regeln gelten für alle gleichermaßen“, sagt die zuständige Richterin. Sobald Diebetsberger die Geldbuße bezahle, sei die Erzwingungshaft hinfällig. Doch das will er nicht: Mit dem Bußgeld könne er in Indien viel bewirken. Eine Augenoperation für Kinder, die an Grauem Star erkrankt sind, koste beispielsweise 50 Euro. Das Bußgeld, für das er ab heute in Erzwingungshaft sitzt, beläuft sich mit Gerichtskosten auf knapp 250 Euro. „Damit könnte ich fünf Leben verändern“, sagt Diebetsberger. Seine Haft will er heute im Frack und mit Zylinder antreten und „Macht hoch die Tür die Tor macht weit!“ auf seinem Horn spielen.

Wenn Diebetsberger übermorgen das Gefängnis wieder verlässt, ist die Angelegenheit allerdings noch nicht vom Tisch: Erstens ist die Erzwingungshaft keine Strafe für die begangene Ordnungswidrigkeit, sondern lediglich ein Beugemittel, so die Strafprozessordnung, und die Geldbuße somit auch weiterhin nicht beglichen. Außerdem drohen ihm weitere vier Tage Erzwingungshaft - wieder wegen Spielens an nicht erlaubtem Standort.