Lotsin Hayat Abdulghani (rechts) und Simone Schmidt-Goretzky vom Gesundheitsamt Foto: Lichtgut/Max Kovalenko - Lichtgut/Max Kovalenko

Die Stuttgarterin Hayat Abdulghani ist eine von 26 Ehrenamtlichen, die vom Gesundheitsamt zu Gesundheitslotsen geschult worden sind. Das deutsche System verunsichere viele Migranten, dem will sie entgegen wirken.

StuttgartDurch Zufall ist Hayat Abdulghani zu ihrem zweiten Ehrenamt gekommen. Ihr Schwager drückte ihr einen Flyer in die Hand, das wäre doch etwas für sie, und da sollte er recht haben. Dass das deutsche Gesundheitssystem bei Migranten oft große Unsicherheit hervorruft, hat Hayat Abdulghani immer wieder festgestellt. Die 46-jährige Palästinenserin mit deutschem und jordanischem Pass ist von Beruf Dolmetscherin. Sie übersetzt für arabisch sprechende Patienten in Krankenhäusern und Arztpraxen. Darüber hinaus engagiert sie sich seit Jahren ehrenamtlich als islamische Klinik-Seelsorgerin. Immer wieder würden ihr ganz konkrete Fragen gestellt, zum Beispiel, wo man hingehen könne, wenn man ein übergewichtiges Kind hat. Wer in seiner Heimat nicht krankenversichert war, fühle sich schnell überfordert. Vorsorgeuntersuchungen fürs Kind oder wegen Krebs? Das kennen die meisten nicht.

Hayat Abdulghani will das ändern. Sie ist eine von 25 Ehrenamtlichen mit Migrationshintergrund, die das Gesundheitsamt seit Januar als Gesundheitslotse ausgebildet hat – 19 Frauen und sechs Männer. Sie können seit Juni für Veranstaltungen gebucht werden, um in ihrer Muttersprache Orientierung im Gesundheitsdschungel zu bieten. Einzelgespräche sind nicht vorgesehen. Bisher sind die Länder Türkei, Jordanien, Libanon, Mexiko, Eritrea, Kolumbien, Irak, Iran, Syrien, Ägypten, Kasachstan und Afghanistan vertreten. Bei den nächsten Schulungen, so hofft man beim Gesundheitsamt, werden auch europäische Länder, wie Griechenland, Italien, und der asiatische Raum noch abgedeckt. Bei ihren normalen Informationsveranstaltungen sei die Zielgruppe der Migranten unterrepräsentiert, erklärt die Gesundheitsplanerin Simone Schmidt-Goretzky, die das Projekt entwickelt hat. „Da braucht man Brückenbauer“, sagt sie. Ein ähnliches Projekt vor mehr als zehn Jahren sei gut gelaufen, deshalb habe man dieses modifiziert wieder aufgelegt.

Muss man wegen Läusen zum Arzt?

„Der Bedarf ist da“, sagt auch Hayat Abdulghani, die ihre erste Veranstaltung schon hinter sich hat: Es ging um Kinder- und Jugendmedizin und da ganz konkret um Läuse. Wie verhalte ich mich? Wann sage ich es der Kita? Muss man wegen Läusen sofort zum Kinderarzt oder kann man das selbst behandeln? Um diese Fragen drehte sich die Runde, zu der zehn arabisch sprechende Mütter gekommen sind. Das Interesse sei groß gewesen, und sie ist zufrieden. Sie hat vorher selbst Werbung gemacht: über soziale Netzwerke, aber auch, indem sie beim Kinderarzt ein Plakat aufgehängt hat.

Das nächste Thema steht auch schon fest, allerdings wird sie in dem Fall von Experten des Gesundheitsamts begleitet werden: Das Thema Sucht sei im arabischen Kulturkreis sehr tabuisiert. „Man versucht, es zu verheimlichen“, erzählt sie. Das Gleiche gelte innerhalb der Familie. Dabei bekommt sie in ihrem Berufsalltag mit, wohin das führen kann - direkt ins Krankenhaus. Da sei es wichtig, klarzumachen, dass es wichtig ist, sich Hilfe zu holen und wo man diese findet, sagt die Mutter von vier Kindern, die selbst seit 26 Jahren in Stuttgart lebt. Auch die Veranstaltungen zum Thema sexuelle Bildung werden von Experten geleitet, dennoch sei es gut, dass die Gesundheitslotsen diese unterstützen, so die Fachfrau vom Gesundheitsamt. „Sie können übersetzen und sind als Vertrauensperson vor Ort“, sagt Simone Schmidt-Goretzky.