Picknick für saubere Luft auf der einseitig gesperrten Bundesstraße 14 am Sonntag . Foto: Lichtgut/Max Kovalenko - Lichtgut/Max Kovalenko

Stuttgart hat am Samstag erstmals in dieser Periode Feinstaubalarm ausgelöst. Die Autofahrer sollen von diesem Montag an schon wieder umsteigen. Dabei ist Stuttgart derzeit gar nicht Feinstaub-Hauptstadt.

StuttgartFür diesen Montag hat die Stadt Stuttgart wieder Feinstaubalarm ausgerufen – und zwar gleich zum Beginn der vierten Feinstaubalarm-Periode. Sie beginnt an diesem 15. Oktober und dauert bis einschließlich 15. April. Alarm wird ausgerufen, wenn die Auslösewerte knapp überschritten sind, die Wetterlage dreckige Luft nicht abziehen lässt und die Überschreitung der Grenzwerte droht.

Die Stadtverwaltung ist dennoch optimistisch. „2018 besteht die große Chance, erstmals an allen Messstationen im Stadtgebiet den Feinstaub-Grenzwert einzuhalten“, heißt es auf der städtischen Webseite zum Feinstaubalarm. Und noch eine erfreuliche Nachricht lässt sich vermelden: Das Stuttgarter Neckartor ist nicht länger die dreckigste Kreuzung Deutschlands – zumindest, was die Feinstaubwerte im bisherigen Jahresverlauf anbelangt.

Spitzenposition endgültig los?

Laut einer ständig aktualisierten Übersicht des Umweltbundesamts wurde der EU-Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter Luft im Tagesmittel von Januar bis September anderswo deutlich häufiger gerissen. In der Silbersteinstraße in Berlin-Neukölln waren es im laufenden Jahr 26 Überschreitungstage. Diese Messstelle führt die Statistik damit an – derzeit ist Berlin die Feinstaub-Hauptstadt. In Niederzier (Nordrhein-Westfalen) wurden bisher 23 Überschreitungstage gezählt, in Halle, Berlin-Friedrichshain sowie Gelsenkirchen je 22. Am Neckartor waren es 17 Überschreitungstage, wovon einer wegen des Einsatzes von Streusalz abgezogen werden muss. Damit steht die bekannte Straßenkreuzung Stuttgarts auf Platz zehn der am stärksten belasteten Messstellen in der Bundesrepublik.

Dass dieses Jahr bislang die Berliner und nicht die Stuttgarter die dreckigste Luft atmen, hat damit zu tun, dass in der Hauptstadt der „Wind aus östlichen Richtungen“ viel dreckige Luft heranweht, wie der Sprecher der Berliner Umweltsenatorin in der „Berliner Zeitung“ erklärte. Die Stadt Stuttgart hat zudem zahlreiche Maßnahmen gegen Feinstaub ergriffen – darunter der Feinstaubalarm; beispielsweise müssen an Alarmtagen sogenannte Komfortkamine aus bleiben. Allerdings war auch die Witterung in den Wintermonaten 2018 günstig: Von Januar bis April lagen die Feinstaubwerte am Neckartor an 16 Tagen über dem Grenzwert, im Vorjahr waren es mehr als doppelt so viele. Auch für den Zeitraum von Januar bis September war die Zahl der Überschreitungstage im vergangenen Jahr mehr als doppelt so hoch wie in diesem Jahr. Die Messstellen in Esslingen (Grabbrunnenstraße), Reutlingen (Lederstraße-Ost), Ludwigsburg (Friedrichstraße) und Markgröningen meldeten im laufenden Jahr ebenfalls wesentlich weniger Überschreitungstage als 2017, als auch sie zu den zehn am stärksten belasteten Orten der Republik zählten.

Die Zahlen machen deutlich, wie wichtig die Wetterlage für die Werte ist. Stuttgart und die Region werden, wenn auch die verbleibenden Monate dieses Jahres relativ feinstaubarm bleiben, den unrühmlichen Spitzenplatz bei den Feinstaubwerten abgeben. In der Diskussion über die Stickoxidwerte und Fahrverbote für Diesel ist Feinstaub zuletzt ein wenig in den Hintergrund gerückt. Dabei gilt der Schadstoff, der insbesondere von Heizanlagen, durch Reifenabrieb und Bremsen entsteht, als äußerst gesundheitsschädigend – auch in Konzentrationen, die unter den EU-Grenzwerten liegen. Im Jahresschnitt dürfen an einer Messstelle höchstens 40 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter Luft gemessen werden, zusätzlich sind höchstens 35 Tage mit mehr als 50 Mikrogramm Tagesmittelwert erlaubt.

Entwarnung für den Sommer

Der Sommer 2018 war heiß. Zwar weiß man, dass die Feinstaubwerte im Sommer niedriger sind als im Winter, wo die sogenannte Inversionswetterlage die schmutzige Luft nicht entweichen lässt. Wie aber wirkte sich die Hitze auf die Feinstaubbelastung aus? Auch hier gibt die Übersicht des Umweltbundesamts Entwarnung: Hier sind keine Überschreitungstage von Juni bis September angegeben. In der Region Stuttgart war der Hitzesommer ein guter Feinstaubsommer. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg hat indes am Neckartor zwischen Juni und September durchschnittlich 25 Mikrogramm Feinstaub gemessen, an der Hohenheimer Straße sowie am Arnulf-Klett-Platz waren es 21 und an der Hauptstätter Straße 17 Mikrogramm.

Der Feinstaubradar

Ansatz: Seit November 2017 visualisiert unsere Partnerzeitung die Feinstaubbelastung in den Stuttgarter Stadtbezirken sowie in zahlreichen Gemeinden der Region. Das Angebot füllt eine Informationslücke, amtliche Messergebnisse werden vor allem für besonders stark befahrene Straßen veröffentlicht. Die aktuellsten Feinstaubwerte können auf einer Karte online (https://bit.ly/2ROCR3K) abgerufen werden – auch rückwirkend. Mit der Karte kann man die Feinstaubwerte in der Region im Tagesverlauf nachvollziehen.

Messstellen: Gemessen wird an mehr als 700 Stellen in der Region Stuttgart. Die Geräte sowie das Messnetz wurden vom OK Lab Stuttgart entwickelt und von Bürgern aufgehängt. Wir greifen auf die Daten zu und bereinigen sie vor der Veröffentlichung um Messfehler.

Messgeräte: Sie herzustellen ist weniger aufwendig, als viele Menschen vermutlich annehmen. Die OK Lab Stuttgart, das ist die Ortsgruppe der Open Knowledge Foundation, hat dafür einen Bausatz zusammengestellt - aus handelsüblichem Elektrozubehör und einem Sensor, der sonst bei Klimaanlagen zum Einsatz kommt. 30 Euro und etwa eine Stunde Zeit für Zusammenbau und Installation kostet ein Gerät, außerdem benötigt man einen Stromanschluss und kabelloses Internet (WLAN).