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Die Bordellkette "Paradise" in Stuttgart wurde von den Betreibern als Vorzeigebetrieb angepriesen. Hinter den Kulissen wurden die Frauen laut der Ermittler aber ausgebeutet.

Stuttgart (dpa/lsw)Im Prozess um die Bordellkette «Paradise» hat der frühere Chef des Unternehmens ein Geständnis abgelegt. Er habe zu keiner Zeit die Absicht gehabt, den Damen zu schaden, sagte der 65-Jährige vor dem Stuttgarter Landgericht am Freitag. Ihm sei nie aufgefallen, dass Prostituierte misshandelt und verletzt worden seien. Laut Anklage hatten in dem Bordell die Gruppen Hells Angels und United Tribuns das Sagen, die Frauen anschaffen ließen und dann abkassierten. Der Einfluss der Gruppierungen sei über die Zeit hinweg immer größer geworden, sagte der Angeklagte. Und er habe die Augen vor den negativen Folgen verschlossen.

Dem 65-Jährigen wird Beihilfe zum Menschenhandel und Beihilfe zur Zuhälterei und Betrug vorgeworfen. Der Mann sitzt seit September 2017 in Untersuchungshaft. Über Jahre hinweg propagierte der Bordellchef medienwirksam eine angeblich ehrliche und saubere Prostitution. Seine Idee: Er bietet die Plattform, sprich die Räume und ein Wellness-Drumherum. Die Prostituierten waren nach seinen Angaben selbstständig. 2008 hatte er sein erstes Bordell namens «Paradise» bei Stuttgart eröffnet. Das Interesse eines profitablen Betriebs habe im Vordergrund gestanden, sagte der Angeklagte. Es seien viele Prostituierte notwendig gewesen, um den Laden in die Gewinnzone zu bringen. Es kamen weitere Großbetriebe in Frankfurt, Saarbrücken und Graz hinzu.

Mitangeklagt ist ferner ein steuerlicher Berater, der ebenfalls die Vorwürfe einräumte. Er habe die wirtschaftliche Situation zu günstig dargestellt. Der Marketingchef und Pressesprecher des Betriebs legte gleichfalls ein Geständnis ab. Der Anwalt des 52-Jährigen räumte in einer kurzen Erklärung für seinen Mandanten die Vorwürfe ein. Der Angeklagte empfinde sich nicht als Täter. Er habe wenig Kontakt mit den Prostituierten gehabt. Er habe nicht genauer hingeschaut und es somit ermöglicht, dass die Frauen Opfer von Straftaten geworden seien, sagte der Anwalt.

Vor den Einlassungen war es zu einer Verständigung zwischen Strafkammer und Verteidigung gekommen. Im Gegenzug für ein qualifiziertes Geständnis droht dem 65-Jährigen eine Haftstrafe zwischen vier Jahren und neun Monaten und fünf Jahren und drei Monaten. Der 52-Jährige müsste demnach zwischen drei und dreieinhalb Jahren in Haft. Ende Dezember 2018 war bereits der frühere Geschäftsführer des Bordells in einem abgetrennten Verfahren zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden.

Die Anklage geht zurück auf eine Razzia im Rockermilieu Ende 2014. Zeitgleich wurden vier Großbordelle, zahlreiche Geschäftsräume und Wohnungen in sechs Bundesländern sowie in Österreich, Bosnien und Rumänien durchsucht. Elf Personen, die zur Tatzeit den Organisationen United Tribuns oder Hells Angels zugerechnet wurden, wurden früheren Angaben zufolge zu Haftstrafen zwischen einem und sechs Jahren verurteilt.