Stuttgart (dpa) - Jährlich sind Dutzende Migrantinnen von einer Zwangsheirat bedroht und fliehen aus ihren Familien. Die Stuttgarter Beratungsstelle Yasemin kümmert sich seit zehn Jahren um diese Frauen. Die Experten warnen: Die Zahl wird in den kommenden Jahren aufgrund der großen Flüchtlingsbewegung weiter steigen.

Die Beratungsstelle Yasemin ist ein Angebot der Evangelischen Gesellschaft (eva). Die Anlaufstelle kümmert sich um junge Frauen zwischen 12 und 27 Jahren, die aufgrund ihres kulturellen Hintergrunds Schwierigkeiten innerhalb der Familie haben - etwa, weil die jungen Frauen aufgrund ihrer Religion zwangsverheiratet werden sollen. In den vergangenen zehn Jahren wurden rund 2600 Frauen, unterstützt, die im Namen der Ehre Opfer von Gewalt geworden sind.

Malike ist eine von ihnen. Sie floh deswegen mit 17 Jahren aus ihrer Familie. Die Beratungsstelle unterstützt sie dabei, ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen - an einem anonymen Ort hat sie Unterschlupf gefunden. Die Angst vor Vergeltung werde die junge Frau ihr Leben lang nicht los, aber dafür könne sie endlich Mensch sein, sagte sie. Schon als kleines Mädchen habe ihr Vater sie misshandelt. „Die Bilder im Kopf werde ich nicht mehr los“, erzählt die heute 20-Jährige.

„Leider ist unsere Arbeit nicht überflüssig geworden“, sagte Monika Memmel, die Abteilungsleiterin der Dienste für Kinder, Jugendliche und Familien der eva. „Aber wir haben dazu beigetragen, dass das Thema heute mitten in der Gesellschaft ist.“ Laut Sozial- und Integrationsminister Manfred Lucha (Grüne) spielt Yasemin eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Zwangsverheiratung im Land. Mehr als 180 junge Migrantinnen sind in Baden-Württemberg jährlich von einer Zwangsheirat bedroht. Die Fachkräfte gehen davon aus, dass sie infolge der Zuwanderung von Geflüchteten mit weiteren Fällen konfrontiert werden. Deswegen baut die Stelle ihr Präventionsangebot an Schulen aus und berät zusätzlich spezielle Klassen, in denen überwiegend Migranten ohne Deutschkenntnisse sitzen. Um Yasemin bekannter zu machen, führen Mitarbeiter Fachgespräche mit Lehrern und Sozialarbeitern. Sie sollen so rechtzeitig erkennen, wenn Schülerinnen Opfer der sogenannten „Gewalt im Namen der Ehre“ werden. Und sie werden geschult, damit sie die jungen Menschen in Krisensituationen unterstützen können.

Auch junge Männer können von der Problematik betroffen sein. Eine vergleichbare Beratungsstelle gibt es für sie bislang jedoch nicht. Deshalb will Yasemin das Team aus derzeit 1,6 Vollzeitstellen durch einen männlichen Kollegen erweitern. Dafür fehlen aber die finanziellen Mittel, die auch benötigt werden, um zusätzliche Notunterkünfte im Land bereitzustellen. Die Einrichtung wird seit 2012 vom Sozialministerium mit rund 130 000 Euro im Jahr gefördert.